Rheinische Post Krefeld Kempen
Wenig Jobchancen mit niedriger Bildung
Jugendliche mit einem Ersten Schulabschluss bleiben laut einer Studie am Ausbildungsmarkt auf der Strecke.
BERLIN Wie geht es nach dem Schulabschluss weiter? Die Suche nach einem passenden Beruf stellt viele Jugendliche vor große Herausforderungen. Während die einen jedoch noch unentschlossen sind, haben die anderen ein klares Ziel vor Augen: eine Ausbildung. Es gibt zahlreiche offene Stellen, der Ausbildungsmarkt ist groß – und von Fall zu Fall auch die Enttäuschung. Denn die Aussicht auf einen Ausbildungsplatz ist nicht für alle selbstverständlich.
Die Bertelsmann Stiftung und die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung haben sich in einer Umfrage den Ausbildungs- und Zukunftsperspektiven von Jugendlichen mit niedriger Schulbildung gewidmet. Das Ergebnis: Ihre beruflichen Perspektiven sind schlecht – und werden noch schlechter. Das hat nicht nur Folgen für die persönliche Zukunft der Jugendlichen, sondern auch für den Arbeitsmarkt.
Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Jugendliche, die keinen oder maximal einen Ersten Schulabschluss – ehemals Hauptschulabschluss – vorzuweisen haben, werden bis 2030 abnehmen. Zu dieser Einschätzung gelangen 61 Prozent der befragten Experten. Insgesamt 100 Vertreter aus Wirtschaft, Verwaltung, Bildungspraxis, Wissenschaft und Gesellschaft gaben im Rahmen der Befragung eine Prognose zu den Ausbildungs- und Zukunftsperspektiven der Jugendlichen mit niedrigem Abschluss ab.
Dabei ist das Interesse groß: Drei Viertel der Jugendlichen, die maximal einen Ersten Abschluss gemacht hatten, wollen eine Ausbildung oder Lehre absolvieren. Auch die Experten betonen die Bedeutung einer
In Deutschland gibt es derzeit
junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren
Das entspricht einem Anteil von aller jungen Menschen dieser Altersgruppe. dualen Berufsausbildung, die den Jugendlichen sowohl Theorie aus auch Praxis vermittelt. Mehr als ein Drittel – 35,8 Prozent der Schüler mit Erstem Schulabschluss – fanden jedoch keinen Platz – trotz vieler unbesetzter Ausbildungsstellen.
Für die nächsten Jahre prognostizieren die Experten keine Besserung – im Gegenteil. Die Hälfte der Fachleute geht von einem Anstieg der Zahl an Ungelehrten bis 2030 aus. Gleichzeitig werden die Erwartungen immer höher: Die Anforderungen in den Ausbildungsberufen werden zunehmend größer. Zumindest gehen 53 Prozent der Befragten davon aus. Die Folge ist eine ungleiche Verteilung auf dem Ausbildungsmarkt: Auf der einen Seite die zahlreichen Betriebe, die nach Fachkräften suchen, auf der anderen Seite die vielen Schulabsolventen ohne berufliche Aussichten. 85 Prozent der befragten Experten rechnen damit, dass auch 2030 Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben, während viele Bewerber mit einem niedrigen Abschluss unversorgt sind.
erhöht. Das heißt: Die Berufsorientierung muss individueller, verbindlicher und praxisnäher gestaltet werden. Dazu sollte zum Beispiel Berufsorientierung ein größerer Teil in der Ausbildung von Lehrkräften werden. Gleichzeitig plädieren die Befragten für mehr Praxiserfahrungen und Einblicke in den Arbeitsalltag von Betrieben.
Doch auch der Übergang von der Schule in die Berufswelt spielt eine entscheidende Rolle. An dieser Phase sind verschiedene Einrichtungen, wie Jugendhilfen, Schulen und Betriebe,
Agenturen für Arbeit oder Jobcenter, beteiligt – doch nur unzureichend vernetzt. 28 Prozent der befragten Fachleute sehen in der mangelnden Abstimmung dieser Akteure den Grund dafür, dass der Übergang in die Ausbildung nicht gelingt. Um einen besseren Übergang zu ermöglichen, plädieren 83 Prozent der Experten für eine dauerhafte und individuelle Begleitung der Jugendlichen.
„Es braucht endlich entschlossenes Anpacken, um wirklich allen Jugendlichen die Chance auf eine Ausbildung und damit individuelle Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen“, fordert Andreas Knoke, Abteilungsleiter Programme bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Denn neben dem Fachkräftemangel stehe auch die Zukunft der Jugendlichen auf dem Spiel. „Wir müssen uns als Gesellschaft fragen, ob wir es uns weiter leisten können und wollen, dass jedes Jahr viele Jugendliche keinen Anschluss finden und gleichzeitig die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze steigt“, so Knoke.