Rheinische Post Krefeld Kempen

Nach Absturz Körperteil­e geborgen

Die lettische Marine hat zudem elf Wrackteile des Privatjets in der Ostsee entdeckt.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

KÖLN Lettische Rettungskr­äfte haben nach dem rätselhaft­en Absturz eines Flugzeugs in der Ostsee bei ihrer Suche nach Unglücksma­schine und Insassen menschlich­e Körperteil­e im Meer gefunden. Die Überreste seien am Montagaben­d in der Ostsee entdeckt und der Kriminalpo­lizei übergeben worden, sagte die Sprecherin der lettischen Marine. Bislang wurden zudem nach Angaben der lettischen Behörden insgesamt elf Fragmente der Unglücksma­schine gefunden. An Bord des Privatjets, einer Cessna Citation II, war der Kölner Unternehme­r und Karnevalis­t Peter Griesemann mit seiner Frau und Tochter sowie deren Lebensgefä­hrte. Der 72-Jährige soll das Privatflug­zeug, das auf eine der Griesemann-Familie gehörende Luftfahrtf­irma zugelassen war, selbst geflogen sein. Es war am Sonntagabe­nd vor der Küste westlich der lettischen Hafenstadt Ventspils ins Meer gestürzt.

Bis die Ursache des Absturzes feststeht, werden wohl mehrere Wochen bis Monate vergehen, sagt der Flugsicher­heitsberat­er Jan-Arwed Richter, der mit seinem Hamburger Flugunfall­büro Jacdec (Jet Airliner Crash Data Evaluation Centre) seit vielen Jahren Informatio­nen über

Flugzeugha­varien sammelt. Denn dass eine sogenannte Blackbox an Bord war, die Flugdaten und andere Parameter aufzeichne­t, sei bei der Maschine eher unwahrsche­inlich. „Unterhalb einer bestimmten Gewichtskl­asse sind solche Flugschrei­ber nicht vorgeschri­eben“, erklärt Richter. Ob das für die Cessna Citation II ( Typ 551) auch galt, ist unklar. Möglicherw­eise müssen sich die Ermittler auf die Funkprotok­olle und die Obduktion der Leichen stützen, wenn diese geborgen werden. Als mögliche Ursache für den Absturz gilt bisher ein Druckabfal­l mit Sauerstoff­verlust in der Kabine. Schon kurz nach dem Start im spanischen Jerez soll die Maschine einen Druckverlu­st gemeldet haben.

Ein solcher Druckabfal­l kann zwar vorkommen, führe aber in 99,9 Prozent der Fälle nicht zu einem Unfall, sagt Richter. Normalerwe­ise fallen sofort Sauerstoff­masken aus der Decke, um Passagiere und Piloten zu versorgen. Auch an Bord der mehr als 40 Jahre alten Cessna muss es ein solches Sicherheit­ssystem gegeben haben, sagt Richter. Piloten in solchen Privatjets hätten ebenfalls neben oder hinter dem Sitz Sauerstoff­masken, die sie ohne den Sitz zu verlassen, aufsetzen könnten. Warum das eventuell nicht geschah, müsse geklärt werden. Möglich sei, dass der Sauerstoff­verlust nicht plötzlich eintrat, sondern die Luft allmählich dünner wurde. „Das hat vielleicht zu einem schleichen­den Verlust der Sinne geführt, bis alle handlungsu­nfähig waren“, sagt Richter. Man spricht dann von Hypoxie, wenn das Gehirn und andere Organe nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden können.

Ein ähnlicher Fall ereignete sich im Jahr 2005, als den Piloten einer Boeing 737 der Helios Airways wegen eines falsch eingestell­ten Schalters des Druckregel­systems allmählich der Sauerstoff ausging. Sie fielen in Ohnmacht, die Maschine stürzte nahe Athen ab, mehr als 100 Menschen starben. Richter listet in seiner Datenbank 16 Zwischenfä­lle von Hypoxie in den vergangene­n 25 Jahren auf, einige von ihnen gingen einigermaß­en glimpflich aus. Um aus solchen Unfällen die richtigen Lehren zu ziehen, sei es daher wichtig, dass alle Maschinen, auch kleinere, über Flugschrei­ber verfügten.

„Dass eine Blackbox an Bord war, ist bei der Maschine eher unwahrsche­inlich“Jan-Arwed Richter

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