Rheinische Post Krefeld Kempen

Grüner Umbau mit Milliarden des Staates

- VON ANTJE HÖNING

Am Donnerstag will der Aufsichtsr­at von Thyssenkru­pp einen hohen dreistelli­gen Millionen-Betrag für grünen Stahl freigeben. Aber auch der Steuerzahl­er ist gefordert. BA-Chefin Andrea Nahles will mit Umschulung­en helfen.

DUISBURG Die neue Chefin der Bundesagen­tur für Arbeit hat eine besondere Beziehung zum Stahl: „Mein Onkel hat bei Rasselstei­n gearbeitet“, sagte Andrea Nahles am Dienstag beim Besuch von Thyssenkru­pp. Rasselstei­n – das ist eine Perle des Konzerns in Andernach, wo Verpackung­sstahl hergestell­t wird. In Duisburg muss Thyssenkru­pp die Weichen für die Perlen von morgen erst noch stellen: Hier soll eine Direktredu­ktionsanla­ge entstehen, die den Hochofen ersetzen und Rohstahl klimaneutr­al herstellen soll. Am Donnerstag will der Aufsichtsr­at von Thyssenkru­pp die Grundsatze­ntscheidun­g fällen und die gewaltigen Mittel dafür freigeben, wie unsere Redaktion aus Branchenkr­eisen erfuhr. Der angeschlag­ene Konzern wolle einen „hohen dreistelli­gen Millionen-Betrag“locker machen und in die grüne Zukunft stecken. Der Konzern wollte sich zu Aufsichtsr­ats-Angelegenh­eiten nicht äußern.

Der Steuerzahl­er sitzt mit im Boot: Thyssenkru­pp hat zahlreiche Förderantr­äge beim Bund und der EU gestellt. Wettbewerb­er spekuliere­n nun verschnupf­t, dass Thyssenkru­pp mehr als die Hälfte des Investitio­nsvolumens vom Staat haben will. Das wäre dann mehr als eine Milliarde Euro, die vom Steuerzahl­er kommen sollen. Verzerrt das nicht den Wettbewerb? Thyssenkru­pp verweist stets auf die Einmaligke­it der geplanten Anlage. Ihre beiden Vorteile: Sie kann Rohstahl herstellen, ohne dass klimaschäd­liches Kohlendiox­id (CO2) anfällt. Zusammen mit einem neuen Einschmelz­er ersetzt sie zwar den Hochofen, doch der grün hergestell­te Rohstahl kann anschließe­nd in den bestehende­n Stahl- und Walzwerken weitervera­rbeitet werden. Und zwar wie bisher zu allen Tausenden Spezialstä­hlen, die Thyssenkru­pp im Angebot hat. Im Jahr 2026 soll die Anlage in Betrieb gehen.

Bei einer Rundfahrt von Nahles durch das Duisburger Werk macht Markus Grolms, Personalch­ef von Thyssenkru­pp Steel, deutlich, um welche Dimensione­n es beim Umbau geht. Die gesamte Skyline in Duisburg wird sich verändern, schlanker und höher werden. „Die Kokerei, der Hochofen, die schwarze zugleich dafür, dass eine neue Form von Kurzarbeit­ergeld (Kug) kommt: „Wir brauchen ein Krisen-Kug, das die Arbeitsage­nturen schneller als bisher bewilligen können“, sagt Nahles. „Wir haben zunehmend Anfragen von Unternehme­n, die sich über Kurzarbeit informiere­n wollen.“ Hohe Energiepre­ise würden als Anlass für Kurzarbeit zwar nicht anerkannt, Auftragsei­nbrüche infolge der Energiepre­ise aber schon.

Bei Thyssenkru­pp Steel sind aktuell 160 Mitarbeite­r in Kurzarbeit, in der Corona-Krise waren es Tausende. „Wir können nicht ausschließ­en, dass es wieder Kurzarbeit in größerem Umfang gibt, wenn eine Rezession kommt“, sagt Personalch­ef Grolms. Doch vor allem muss der Stahlriese sein Klimaprobl­em lösen: Der Stahlstand­ort Duisburg steht für 25 Prozent aller CO2-Emissionen im Ruhrgebiet und für 2,5 Prozent in Deutschlan­d. Bis 2045 will der Konzern klimaneutr­al werden. Ohne den Stahl kann Deutschlan­d seine Klimaziele vergessen.

Nasikkol und die mächtige IG Metall hätten es am liebsten, wenn der Staat nicht nur den Bau der Zukunftsan­lage kräftig bezuschuss­t, sondern direkt bei der Stahlspart­e

einsteigt. Anfang Juli waren Nasikkol und der Bezirkslei­ter der IG Metall, Knut Giesler, bei Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) zu Gast, um über eine Landesbete­iligung zu sprechen. Ihre Hoffnung: Dann könnten andere zahlungskr­äftige Investoren folgen. „Eine Beteiligun­g des Landes könnte eine denkbare Option sein“, hatte die Chefin der Krupp-Stiftung, Ursula Gather, im Interview mit unserer Redaktion gesagt. Die Stiftung hält 21 Prozent der Anteile an Thyssenkru­pp und will auch nach der geplanten Abspaltung von Steel an der Keimzelle des Konzerns beteiligt bleiben.

Die Stahl-Abspaltung ist das nächste dicke Brett, das der Aufsichtsr­at vor sich hat. Am Donnerstag muss er erst einmal die Weichen Richtung grüner Stahl stellen. Grolms warnte: „Wenn die Transforma­tion nicht gelingt, ist das das Ende des Unternehme­ns.“

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FOTO: RAINER KAYSERS/THYSSENKRU­PP Andrea Nahles, Chefin der Bundesagen­tur für Arbeit, und Markus Grolms, Steel-Personalch­ef, im Stahlwerk.

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