Rheinische Post Krefeld Kempen
Lufthansa kann weiteren Streik abwenden
Unter hohem Zeitdruck einigten sich Piloten und Konzern auf den neuen Tarif. Die Airline will wachsen – auch mit Eurowings in NRW.
FRANKFURT/KÖLN Während es der Lufthansa am Dienstag gelungen ist, den Tarifstreit mit den Piloten zu lösen und einen weiteren Streik an diesem Mittwoch abzuwenden, setzt Vorstandschef Carsten Spohr auf eine weitere Erholung des Luftverkehrs nach zweieinhalb Jahren Pandemie. Der Konzern werde bis Ende 2023 rund 20.000 neue Beschäftigte einstellen, verkündete er vor Journalisten in der Konzernzentrale nahe dem Flughafen Frankfurt schon am Montagabend.
Der Einigung mit den Piloten gingen nervenzehrende Verhandlungen voraus. Der zweitägige Streik war am Montag von der Vereinigung Cockpit angekündigt worden, dann legte Lufthansa am Dienstag früh ein neues Angebot auf den Tisch. Bis 13 Uhr sei eine Lösung zwingend nötig, wurde erklärt, sonst müssten wie schon beim Streik am Freitag Hunderte Flüge abgesagt werden. Doch am Ende reichte ein Kompromiss zu einer etwas späteren Zeit, Details dazu waren zunächst nicht bekannt. „Das war dringend notwendig“, sagt der Hamburger Unternehmensberater Gerald Wissel, „einen längeren Arbeitskampf konnte sich Lufthansa nicht leisten.“Spohr hatte am Montag Kompromissbereitschaft signalisiert: „Das Wort Partnerschaft muss wieder gelebt und gefühlt werden.“
Bei seiner Wachstumsstrategie macht der Lufthansa-Primus Unterschiede zwischen den Regionen. Vor allem in Nordamerika und perspektivisch auch wieder in Asien verkaufe Deutschlands größte Airline deutlich mehr Tickets. „Wir sind sehr froh, dass wir stabil umgesteuert haben auf den Verkaufsursprung USA“, sagte Spohr. „Wir gewinnen dort Marktanteile und verkaufen zu Preisen, die wir sonst nicht kennen.“Auch die Geschäftsfelder Wartung und Logistik sollen weiter hohe Erträge bringen.
In Deutschland erwartet der Konzern wegen der hohen Inflation zeitweise eine gedämpfte Nachfrage. Er halte eine Rezession im Heimatmarkt für „wahrscheinlich unausweichlich“. Spohr sagte: „Deutschland wird härter getroffen werden als andere Märkte in Europa. Da tröstet es schon fast, dass wir inzwischen nur noch ein Drittel unseres Umsatzes in Deutschland erzielen.“
Dabei wächst der auf Kurz- und Mittelstrecken spezialisierte Ableger
Eurowings besonders schnell. Das Kölner Unternehmen will im laufenden Jahr 750 neue Leute einstellen, nachdem die Belegschaft um einen vergleichbaren Wert bereits im Vorjahr aufgestockt wurde, erklärt ein Sprecher auf Anfrage. Davon profitiert logischerweise Köln, aber auch Düsseldorf als international wichtigster Flughafen von Eurowings. „Seit der Pandemie hat Eurowings bereits wieder mehr als 1000 Beschäftigte dazugewonnen – darunter auch für unsere großen Standorte in NRW“, sagt der Sprecher. Eurowings beschäftigt aktuell mehr als 4000 Leute, „mehr als jemals zuvor“.
Obwohl Spohr für Lufthansa-Flüge ab Deutschland anscheinend eine kleine Delle bei der Nachfrage fürchtet, setzt der Konzern insgesamt auf Expansion und auf höhere Preise. Lufthansa erlebe einen Ansturm auf die Tickets, sagte Spohr: „Der Wunsch, unser Produkt zu erwerben, ist so stark, dass wir mit der Produktion nicht hinterherkommen.“Die Durchschnittserträge stiegen, weil die Menschen auch bereit seien, teurere Buchungsklassen zu nehmen. Dazu sei man froh, dass die Maskenpflicht in Flugzeugen künftig wegfallen wird.
Spohr unterstrich das Ziel, im kommenden Jahr zwischen 85 und 90 Prozent des Vorkrisenniveaus anzubieten. Dabei führt das schnelle Wachstum aktuell immer wieder zu Verspätungen und zum Verlust von Gepäck bei Reisenden – viele beschweren sich über schlechten Service. Außerdem sind Milliardeninvestitionen in neue Flugzeuge geplant.