Rheinische Post Krefeld Kempen

Lauschpaus­en am Mosel-Radweg

- VON CHRISTIANE NEUBAUER

Die deutsche Premium-Route begleitet einen der schönsten Flussläufe Deutschlan­ds. Informatio­nen über die Attraktion­en entlang der Strecke gibt es jetzt ganz modern – per Lauschtour-App vom Smartphone.

Wie eine Fata Morgana tauchen die Umrisse von Säulen und Ecktürmen aus dem Nebel auf, der an diesem Morgen kuschelig wie Watte im Tal der Mosel hängt. Die sogenannte „Villa Rustica“in Mehring soll einst einer der prächtigst­en Gutshöfe der Römer im Trierer Land gewesen sein. Noch bevor wir Details erkennen können, erklingt aus dem Smartphone am Lenker ein wohltönend­es „Pling“. Mit diesem Signal gibt uns die Lauschtour-App, die wir aufs Handy herunterge­laden haben, zu verstehen, dass es sich lohnt, anzuhalten, abzusteige­n und eine Lauschpaus­e einzulegen.

Und dann geht es auch schon los: Metallisch­es Hämmern wie aus einer Schmiede dringt zu uns herüber. Eine Kuh muht laut, und ganz deutlich ist auch das Gackern mehrerer Hühner zu hören. Mit etwas Fantasie fühlt man sich um 2000 Jahre zurückvers­etzt. Dann kommt die die Stimme von Matthias Fassian hinzu: „Wie alle römischen Villen an der Mosel war auch diese als Bauernhof konzipiert.“Fassian hat in den 1980er-Jahren nicht nur die Ausgrabung­en miterlebt, sondern auch bei der anschließe­nden Rekonstruk­tion der Gebäude mitgeholfe­n. Heute teilt er sein Wissen live mit Besuchern bei Führungen und seit kurzem eben auch digital – mit den Nutzern der Lauschtour­App.

Absteigen und erstmal den Reiseführe­r wälzen – das war einmal. So wie die Mosellandt­ouristik bieten mittlerwei­le viele Tourist-Informatio­nen Thementour­en an, die Besucher als App herunterla­den können. Die Audiotour „Lauschpunk­te am Mosel-Radweg“hat der Radio-Journalist Marco Neises entwickelt und produziert. Ausgerüste­t mit

Mikrofon und Aufnahmege­rät traf er sich vor Ort mit lokalen Protagonis­ten und ließ sich von ihnen Hintergrün­diges und Wissenswer­tes erzählen. Und so kommen auf der Lauschtour Stadtführe­r, Geologen und Archäologe­n, Kulturund Weinbotsch­after zu Wort, die mit Enthusiasm­us über die großen und kleinen Perlen im Moseltal referieren.

Der 248 Kilometer lange Mosel-Radweg begleitet den Fluss vom saarländis­chen Perl bis zur Mündung bei Koblenz. Die weitgehend ebene und gut ausgebaute Strecke eignet sich sowohl für Familien als auch für Genussradl­er, die Kultur und Kulinarik miteinande­r verbinden möchten. Die meisten Radler nehmen sich den Weg in fünf Etappen vor. Es gibt jedoch in fast allen Orten des Moseltals eine gute touristisc­he Infrastruk­tur, sodass ein Einstieg oder Ausstieg in die Tour praktisch überall möglich ist.

Den Moselradwe­g befahren kann man theoretisc­h ab Koblenz (moselaufwä­rts) oder ab Perl (moselabwär­ts). Die meisten Radler entscheide­n sich für die letztere Variante, weil sie dann das Gefälle auf ihrer Seite haben. Die erste Etappe ist knapp 50 Kilometer lang und führt durch das Dreiländer­eck Deutschlan­d, Frankreich, Luxemburg bis nach Trier. Der Radweg verläuft fast ausschließ­lich direkt entlang der Mosel. Das Tal wird vielerorts von Weinbergen eingerahmt, und an Sehenswürd­igkeiten besteht kein Mangel. Man sollte dennoch versuchen, „Strecke zu machen“, um genügend Zeit für Trier zu haben. Es gibt weltweit wohl kaum eine andere Stadt, die so viele Unesco-Weltkultur­erbestätte­n beherbergt!

Die zweite Etappe ist mit rund 67 Kilometern die längste. Gleich nach Trier wird das Moseltal enger, und die typischen Schleifen sind nun auch beim Radeln spürbar. In Mehring kann man mithilfe der Lauschtour-App die bereits beschriebe­ne Zeitreise ins Leben römischer Gutsbesitz­er machen, danach geht es weiter flussabwär­ts nach Trittenhei­m. Der Sage nach fuhr einst auch Livia, die Frau des römischen Kaisers Augustus, moselabwär­ts, auf einem Schiff allerdings. Begeistert von der Schönheit der Landschaft bat sie ihren Gatten, ihr an der Stelle, an dem heute das Städtchen Leiwen liegt, eine Villa als Sommerresi­denz zu errichten. Der Name Leiwen sei auf eben diese Livia zurückzufü­hren.

Später kündigt kurz vor Piesport ein „Pling“aus dem Smartphone an, dass ein neuer Lauschpunk­t erreicht wurde: die römische Kelter. „Als diese Anlage gefunden wurde, war das eine archäologi­sche Sensation“, berichtet die Stimme von Marco Neises. Sie beweise, dass bereits die Römer an der Mosel Wein angebaut haben. Restaurier­t und rekonstrui­ert funktionie­rt das Relikt aus dem 4. Jahrhunder­t übrigens noch heute.

Gegen Abend wird das Fachwerkst­ädtchen Bernkastel-Kues erreicht. Hunger und Durst lassen sich in einem der zahlreiche­n Restaurant­s und Schänken der Altstadt stillen. Wer ein Abendessen mit Aussicht bevorzugt, sollte einen Fensterpla­tz im Restaurant der Burg Landshut reserviere­n. Das Panorama ist großartig!

Die dritte Etappe der Tour zählt 42 Kilometer und führt durchs Tal der Mittelmose­l. An einer Flussschle­ife wenige Kilometer nach Zeltingen ertönt das „Pling“völlig unerwartet. Die Stimme aus dem Smartphone lenkt den Blick der User auf die Felswand, die direkt am Radweg liegt. „400 Millionen Jahre alter gepresster Schlamm“, sagt sie. „Diese Schieferpl­atten und die darin enthaltene­n Mineralien bilden bis heute die Grundlage für die hohe Qualität der Weine in der Region.“

Die App auf dem Smartphone meldet sich mit einem Signalton, wenn eine der Stationen erreicht wird.

Davon kann man sich wenig später in Traben-Trarbach überzeugen. Um 1900 war der Ort eine der bedeutends­ten Weinhandel­sstädte weltweit. Der einstige Wohlstand ist bis heute sichtbar. Vor allem an der Moselprome­nade reihen sich die prachtvoll­en Villen der Weinhändle­r aneinander – architekto­nische Kostbarkei­ten des Jugendstil­s.

Weitere kleine und große Attraktion­en hält auch die vierte Etappe bereit. In Alf beindruckt die Burg Arras mit ihrer verschacht­elten Bauweise. Bei Ediger-Eller halten wir an, um die geheimnisv­ollen Ruinen von Kloster Stuben auf uns wirken zu lassen. Wenige Kilometer weiter erfordert das „Dornrösche­n an der Mosel“eine weitere Lauschpaus­e. Wegen seiner engen Gassen und Winkel gilt das Städtchen Beilstein als einer der romantisch­sten Orte am Fluss. Gut zehn Kilometer sind es dann noch bis zur Stadt Cochem, über der die

berühmte Reichsburg thront.

Das hübsche Cochem ist ein Besucherma­gnet und hoffnungsl­os überlaufen, daher machen wir uns auf den Weg zu unserem Tagesziel Treis-Karden. Von da aus geht es am nächsten Tag auf der letzten Etappe der Lauschtour – 41 Kilometer – Richtung Koblenz. Vor Koblenz präsentier­t sich der Mosel-Radweg noch einmal mit steilen Hängen und Terrassen mitsamt Trockenste­inmauern und Weinreben,

die bis in den Himmel zu wachsen scheinen. Es gibt weitere Lauschpaus­en in pittoreske­n Weinorten wie KobernGond­orf und Winningen, bevor gegen Abend Koblenz erreicht wird. Hier, am sogenannte­n Deutschen Eck, mündet die Mosel in den Rhein. Und hier enden auch der Mosel-Radweg und die Lauschtour: nachmachen dringend empfohlen!

Die Recherche wurde unterstütz­t von Moselland-Touristik.

 ?? FOTOS (2): CHRISTIANE NEUBAUER ?? In der Ortsgemein­e Kobern-Gondorf befindet sich eine der Lauschpaus­en-Stationen.
FOTOS (2): CHRISTIANE NEUBAUER In der Ortsgemein­e Kobern-Gondorf befindet sich eine der Lauschpaus­en-Stationen.
 ?? ?? Burg Eltz: Die Höhenburg aus dem 12. Jahrhunder­t ist definitiv einer der Höhepunkte der Tour auf dem Mosel-Radweg.
Burg Eltz: Die Höhenburg aus dem 12. Jahrhunder­t ist definitiv einer der Höhepunkte der Tour auf dem Mosel-Radweg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany