Rheinische Post Krefeld Kempen
Mit dem Fahrdienst hin und zurück
Die Senioren-Initiative Altenhilfe hat einen Fahrdienst eingerichtet. Davon profitieren insbesondere ältere Menschen.
KEMPEN „Guten Morgen! Haben Sie alles dabei? Schlüssel, Maske? Dann geht es los!“Werner Holtermann nimmt Irmgard Scheiblers Arm und geleitet sie zu dem Kleinbus, den er vor ihrem Haus geparkt hat. Die 91-Jährige wohnt in Kempen und möchte gerne zum Begegnungszentrum in St. Hubert gefahren werden. Bereitwillig lässt sie sich beim Einsteigen helfen. „Man wird weniger, ob man will oder nicht“, erklärt sie lapidar.
Werner Holtermann hat heute früh bestens gelaunt die Schicht des Fahrdienstes der Senioren-Initiative Altenhilfe Kempen übernommen. Der Fahrdienst bietet den Mitgliedern des Vereins Fahrten zu Ärzten, zu Treffen aller Art oder zum Einkaufen an. Der Tür-zu-Tür-Service kostet für die Mitglieder je Fahrt im Stadtgebiet Kempen fünf Euro, in St. Hubert 5,50 Euro und in Tönisberg sechs Euro. Die beiden kleinen Busse, die dem Fahrdienst zu Verfügungen stehen, fahren montags bis donnerstags von 8 bis 15 Uhr und freitags von 8 bis 13 Uhr. Acht ehrenamtliche Fahrer übernehmen die Schichten, sieben Männer und eine Frau. Bei jedem Wetter.
Der seit zwei Jahren pensionierte Lehrer für Mathe und Biologie an der Liebfrauenschule in Mühlhausen, Werner Holtermann, ist seit zwei Jahren dabei. Mittlerweile ist er auch Vorstandsvorsitzender der Senioren-Initiative. Der Fahrdienst macht ihm sichtlich Spaß. Jede Menge Leute lerne er kennen, es sei sehr abwechslungsreich. „Das ist Abenteuer pur, der Job“, lacht er, als er sich durch die engen Straßen der Thomasstadt vorarbeitet, an Querparkern und Baustellenfahrzeugen entlang. Die Route hat er im Kopf, er kennt sich bestens aus in Kempen, schließlich lebt er hier. „Wir lassen uns auf keinen Fall aus der Ruhe bringen“, auch wenn mal kurz nach der richtigen Adresse gesucht werden muss.
Ein weiterer Fahrgast ist Margot Pilch. Die 85-Jährige hat einen Arzttermin, muss nüchtern erscheinen – ansonsten wäre sie gelaufen. Den Rückweg wird sie auf jeden Fall zu Fuß erledigen. Ihren Rollator hat
Werner Holtermann schon verstaut. Auf Holtermanns Hilfeangebot beim Einsteigen antwortet sie freundlich: „Danke, aber was ich allein machen kann, das mach ich auch allein.“Seit 2009 ist sie Mitglied in der SeniorenInitiative. „Ich bin sehr zufrieden mit dem Angebot“, lobt Pilch. „und sehr froh, dass ich den Bus habe.“Zwei- bis dreimal monatlich nutzt sie das Angebot des Fahrdienstes. Auch den öffentlichen Nahverkehr nutzt sie hin und wieder, zuletzt vor gut zwei Monaten.
Aber vieles, was der Fahrdienst der Senioren-Initiative bietet, kann der ÖPNV nicht bieten. Wer hat schon das Glück, dass der Bus genau vor der Haustür hält. Dass er genau zu dem Zeitpunkt ankommt, wann man ihn braucht. Dass Rollatoren sorgfältig verstaut werden. Und dass – falls gewünscht – auch die Rücktour von Tür zu Tür übernommen wird. Dass gut gefüllte Einkaufstaschen
vom Fahrer bis vor die Tür getragen werden. Und welcher Linienbus informiert schon nebenbei über Konzert- und Theaterangebote der Altenhilfe – so wie Holtermann es gerade tut. Er reicht Margot Pilch den letzten „SeniorenSpiegel“, das Informationsheft der Initiative. „Brauch ich nicht“, erwidert Pilch, „das habe ich mir schon aus dem Internet rausgeholt.“
Bei einer seiner Fahrten, erinnert sich Holtermann, musste es dann doch schneller gehen als sonst. Die Dame stieg ein, wurde an ihr Ziel gebracht, stieg aus – und da stellten sie und Holtermann fest: Der Rollator steht noch vor ihrer Haustüre. „Ich habe noch Zeit, ich hol‘ ihn ab“, bot Holtermann an. „Wir tun unser Bestes, um die Fahrgäste zufriedenzustellen“, sagt Holtermann.
Während er und seine Kollegen die Senioren durch Kempen fahren, hält eine weitere ehrenamtliche Mitarbeiterin
der Senioreninitiative, Ingeborg Müller, im Büro im Untergeschoss von Haus Wiesengrund die Stellung. „Zehn bis zwölf Fahrten haben wir täglich im Schnitt“, weiß Müller zu berichten. „Manche bestellen den Fahrdienst ein bis zwei Tage vorher, aber es gibt auch Fahrten, die wir kurzfristig einschieben. Manch ein Arztbesuch kommt bei den Senioren eben spontan.“Sie kennt die meisten Männer und Frauen, die eine Fahrt buchen. Oft geht es nicht nur um Tag und Uhrzeit der gewünschten Tour. „Viele erzählen uns ihr Leid“, sagt Müller. „Wir haben ein offenes Ohr dafür.“Und dann erzählt sie noch von einer alten Dame, einem Leichtgewicht, die vom Fahrer immer in den Transporter hinein gehoben wird und dabei „Hups“sagt – und beide, Fahrer und Fahrgast, haben einen Riesenspaß dabei. Das kann der ÖPNV eher nicht leisten.