Rheinische Post Krefeld Kempen
Krisenstimmung statt Aufbruch
Der große Vertrauensverlust im Kölner Erzbistum strahlt auch auf die katholische Kirche im restlichen Deutschland ab, sagt der Laienvertreter Tim Kurzbach. Nach seinen Worten ist Kardinal Rainer Maria Woelki das Ruder „komplett entglitten“.
DÜSSELDORF Eigentlich könnten in der katholischen Kirche derzeit viele Weichen auf Aufbruch stehen: Die großen Reformanstrengungen beim Synodalen Weg werden ab Donnerstag in Frankfurt mit ersten Beschlüssen ihrem Ziel ein gutes Stück näherkommen, und im kommenden Jahr wird sich sogar eine von Papst Franziskus ausgerufene Weltbischofssynode drängenden Reformen widmen.
Stattdessen herrscht Krisenstimmung – aus vielen Gründen. Zum einen ist es unsicherer denn je, ob deutsche Hinweise etwa auf eine neue Sexualmoral, auf Weiheämter für Frauen und eine stärkere Gewaltenteilung überhaupt in Rom Gehör finden. Zum anderen ist es alles andere als eindeutig, was Papst Franziskus selbst unter Synodalität versteht. Ist die katholische Kirche in Deutschland also der Vorreiter oder am Ende doch nur der Außenseiter? Vatikanbeobachter sind in Frankfurt wieder dabei und werden Bericht erstatten, was die 230 Delegierten – Bischöfe und Laien – auf ihrer vierten Synodalversammlung beraten, beschließen und Rom empfehlen.
Köln hat mit dem Synodalen Weg erst einmal nichts zu tun. Doch die Ereignisse und Debatten im Erzbistum rund um Kardinal Rainer Maria Woelki strahlen natürlich bis nach Frankfurt. Denn bei allem geht es um Verständigung. Und die ist Köln erst einmal nachhaltig gescheitert, nachdem zuletzt das höchste Beratergremium des Kardinals die Zusammenarbeit boykottierte. Nur 22 der 75 Mitglieder des Diözesanpastoralrats (DPR) hatten an der jüngsten Sitzung in Düsseldorf teilgenommen, da die sich weiter zuspitzende Krise im Erzbistum nicht auf der Tagesordnung stand. Damit hatte das Gremium seine Beschlussund Handlungsfähigkeit eingebüßt.
Seitdem herrscht große Ratlosigkeit, wie es überhaupt noch weitergehen kann und soll. „Wir sind gespannt, wie die Bistumsleitung diesen Faden wieder aufnimmt“, sagte unserer Zeitung Tim Kurzbach. Der Solinger Oberbürgermeister und Vorsitzende der Laienvertretung im Erzbistum bestätigte, dass „die Situation in Köln inzwischen die gesamte deutsche Kirche belastet“. Zudem schade Woelki „massiv dem Ansehen des Bischofsamtes“. Kurzbach glaubt, dass dem Erzbischof das Ruder „komplett entglitten“und die Personalfrage an der Spitze des größten deutschen Bistums
zu einem „Nervenkrieg zwischen Köln und Rom“gekommen sei. Offenbar lässt man es in Rom seiner Einschätzung nach darauf ankommen, wie weit der Spannungsbogen reiche. „Es ist ein sehr erschreckender und beklagenswerter Zustand, in dem wir uns alle befinden“, so Kurzbach. Offiziell hieß es nach der DPR-Sitzung in kleiner Runde, dass „sich ein sehr engagiertes Gespräch“zwischen Kardinal Woelki und den 22 Anwesenden entwickelt habe, „das von persönlicher Offenheit und großer Intensität geprägt war. Auch wenn viele Fragen offenblieben, zeigten sich die Teilnehmenden zufrieden über den Verlauf des Abends.“
Kardinal Woelki wird – wie er unserer Zeitung bestätigte – an diesem Donnerstag nach Frankfurt reisen, um an den Beratungen der Synodalversammlung teilzunehmen. „Der Weg ist erst einmal beschritten. Und wir sollten ihn jetzt auch zu Ende bringen“, so Woelki im Gespräch mit unserer Zeitung. Nach seinen Worten
gibt es „zu diesem Weg durchaus berechtigte Anliegen, weil die Kirche sich doch permanent reformieren muss. Gerade auf die Fragen der Macht- und Gewaltenteilung müssen wir neue Antworten finden“, so der Kölner Erzbischof. Allerdings gebe es auch Themen, die man „in das große Ganze der Kirche“hineinstellen solle. Auch darum sei er dem Papst dafür dankbar, dass er die Weltsynode einberufen habe.
Und gleich am ersten Tag der Synodalversammlung könnte es in
Frankfurt zu einer Art „Nagelprobe“darüber kommen, wie reformfähig und weltkirchlich anschlussfähig die Kirche in Deutschland tatsächlich ist. So wird unter anderem über einen Grundtext abgestimmt, in dem nicht nur das Diakonat der Frau gewünscht wird, sondern auch der Zugang für Frauen zu sämtlichen Weiheämtern der katholischen Kirche.
Das ist letztlich zwar konsequent, zumal ein Amt der Diakonin – sowohl von Befürwortern als auch von Gegnern – ohnehin als der erste Schritt zu weiteren Weihen angesehen wird. Doch für die katholische Kirche in Deutschland wäre es auch aufsehenerregend und für weite Teile der Weltkirche schlichtweg unvorstellbar.
Nun will es die Satzung des Synodalen Wegs, dass zur Verabschiedung aller Dokumente eine Zweidrittelmehrheit nur der anwesenden Bischöfe nötig ist. Eine vergleichsweise kleine Zahl der Synodalen könnte somit Beschlüsse der Versammlung kippen. Und möglicherweise könnte vielen der knapp 70 deutschen Bischöfe eine Ablehnung leichter fallen, würde eine geheime Abstimmung beantragt und beschlossen werden.