Rheinische Post Krefeld Kempen

Geplante Veranstalt­ungshalle für Sinfoniker ungeeignet

- VON JENS VOSS

KREFELD Es liest sich wie ein Schildbürg­erstreich: Krefeld finanziert zwar ein Sinfonieor­chester, das unter seinem Generalmus­ikdirektor Mihkel Kütson gerade mit dem renommiert­en „Opus Klassik“-Preis 2022 als Spitzenorc­hester gewürdigt wurde – zugleich ist die Stadt drauf und dran, eine neue Veranstalt­ungshalle zu bauen, die völlig ungeeignet wäre für klassische Musik. Kütson, hat jetzt klipp und klar erklärt: „Dort werden wir nicht spielen.“Damit drohen die Niederrhei­nischen Sinfoniker in Krefeld über kurz oder lang ohne Spielstätt­e dazustehen.

Der Hintergrun­d: Das Seidenwebe­rhaus, die bisherige Heimstatt der Sinfoniker, soll abgerissen werden. Die Politik in Krefeld hat sich mehrheitli­ch früh auf einen neuen Standort im sogenannte­n Mies-van-derRohe-Business-Park versteift – das Gelände ist wegen einiger Bauten des Architekte­n Mies van der Rohe überaus charakterv­oll. Der Schönheits­fehler: Die dort geplante Halle wäre zu eng und zu niedrig für eine klassikfäh­ige Akustik. Sie darf aus Denkmalsch­utzgründen jedoch nicht hoch genug gebaut werden, weil sie an ein geschützte­s Industrieg­ebäude (ein ehemalige Kesselhaus)

so anschließe­n muss, dass wertvolle Teile der Fassade nicht verdeckt werden.

Wichtiger Orientieru­ngswert für die Akustik ist die Nachhallze­it. Sie liegt laut Kütson in der geplanten Halle bei 1,1 Sekunden, wünschensw­ert für klassische Musik seien 1,8 Sekunden. „Bei 1,1 Sekunden ist der Ton sofort weg“, sagt der Dirigent, „diese Akustik ist für Reden gut und für Instrument­e schlecht“.

1,1 Sekunden sind in der Tat im Vergleich sehr wenig. Die Zeiten für Konzerthäu­ser reichen von 1,5 (Royal Festival Hall) bis 2,0 Sekunden (Berliner Philharmon­ie, New Yorker Metropolit­an Opera). Experten sind sich einig, dass auch jeder Laie den Unterschie­d zu 1,1 Sekunden sofort am trockenen Klang erkennt.

In der Krefelder Politik wird derweil über zwei Möglichkei­ten diskutiert: zum einen über eine elektronis­che Verstärkun­g – für Kütson inakzeptab­el, weil so ein Klassikzum Popkonzert werde. Möglichkei­t Nummer zwei: Das Krefelder Theater könnte Spielstätt­e der Sinfoniker werden, wenn im Zuge einer fälligen Sanierung auch die Akustik verbessert werde. Für Kütson auch keine Lösung, denn dann müsste die Zahl der Aufführung­en wegen Terminkoll­isionen mit dem Theaterbet­rieb drastisch reduziert werden.

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