Rheinische Post Krefeld Kempen
Nächste City-Pleite – Gerry Weber schließt
Die Welle der Schließungen von Filialen namhafter Marken und Firmen in der Innenstadt setzt sich fort: Im September gibt Gerry Weber trotz seiner besonderen Verbindung zur Seidenstadt seinen Store an der Hochstraße auf.
Die Tiefschläge für die Krefelder Innenstadt nehmen kein Ende: Mit der Schließung der Filiale des Modeunternehmens Gerry Weber an der Hochstraße verschwindet ein weiterer bekannter Name aus Krefeld. Die Liste der Firmen ist lang und wird von den großen Warenhausketten Galeria Karstadt Kaufhof und Primark angeführt.
Gerry Weber hatte eine besondere Beziehung zu Krefeld. Die Stadt zeichnete den erfolgreichen Unternehmer vor zwölf Jahren mit der „Goldenen Seidenschleife“aus. Mit dem Preis würdigt die Stadt Krefeld Persönlichkeiten, die ein profiliertes Mode-Design mit besonderen unternehmerischen Leistungen verbinden. Zu den bisherigen Preisträgern zählen unter anderem Pierre Cardin, Nino Cerruti, Adidas, Sônia und Willy Bogner, Gerry Weber, Escada und Kookai, Max Mara, Betty Barclay, Etienne Aigne und Marc O’Polo.
Doch die ganz großen Zeiten sind für die börsennotierte Gesellschaft mit Sitz in Halle in Westfalen vorbei. Nachdem das Textil- und Modeunternehmen vor rund drei Jahren die erste ernste finanzielle Talsohle durchschritten hatte, meldete es für den deutschen Teil nun erneut Insolvenz in Eigenverwaltung an. Der angeschlagen Bekleidungshersteller Gerry Weber will einen Großteil seiner Geschäfte in Deutschland in den nächsten Monaten schließen. Insgesamt 122 der derzeit noch 171 eigenen Stores und Outlets sollen bis Ende September dieses Jahres im Zuge der Sanierungsbemühungen aufgegeben werden, wie das Unternehmen vor wenigen Tagen mitteilte. Damit fallen auch rund 350 Vollzeitarbeitsplätze weg. Weitere 75 Stellen sollen am Zentralsitz gestrichen werden.
Bereits vor einigen Wochen habe die Gerry Weber International AG wesentliche Schritte für eine Neuaufstellung sowohl auf finanzieller als auch operativer Ebene geplant, um das Unternehmen langfristig und zukunftsfähig aufzustellen. Das Sanierungsvorhaben sei eine Folge komplexer Herausforderungen, bedingt durch mehrfache coronabedingte Schließungen des Einzelhandels in Deutschland und Veränderungen im Kundenverhalten – unter anderem ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, hohe Inflation und geringere verfügbare Realeinkommen, berichtete ein Unternehmenssprecher.
Auf der Grundlage des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (kurz StaRUG), werde die Gerry Weber International AG den finanziellen Sanierungsprozess des Unternehmens beschleunigen. Dazu sei die Einleitung eines Verfahrens beim zuständigen Amtsgericht in Essen beantragt worden. Teil des Vorhabens solle ein vollständiger Kapitalschnitt sein, wodurch auch die Börsennotierung der Aktien der Gerry Weber International AG erlöschen würde.
„Parallel dazu werden wir unser deutsches Retail-Geschäft (Geschäft mit Privatkunden, die Redaktion) im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens operativ restrukturieren und das Unternehmen damit zukunftsfähig und resilienter aufstellen. Das Wholesale-Geschäft ( Verkauf der Marke über andere Vertriebswege, die Redaktion), der ECommerce und auch das Auslandsgeschäft sind von den Maßnahmen nicht betroffen“, sagte Finanzchef Florian Frank von der Gerry Weber International AG.
Zu den weiteren Maßnahmen des Vorhabens zähle die Beantragung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung der Gerry Weber Retail GmbH beim zuständigen Amtsgericht in Bielefeld mit dem Ziel, das deutsche Filialnetz zu optimieren. Durch dieses Verfahren blieben Verfügungsgewalt
und Finanzhoheit über das Unternehmen gewahrt. Das vorläufige Verfahren sei auf drei Monate begrenzt und betreffe ausschließlich die Gerry Weber Retail GmbH mit Sitz in Halle, betonte das Unternehmen. Die Lieferfähigkeit der Gerry-Weber-Gruppe sei und bleibe vollständig gewährleistet. Der Geschäftsbetrieb laufe in vollem Umfang weiter.
„Mit diesen Maßnahmen wollen wir uns auf den gesunden Kern von Gerry Weber fokussieren und den erfolgreichen Wholesale, den E-Commerce und das Auslandsgeschäft weiter stärken“, sagte Angelika Schindler-Obenhaus, CEO (Chief
Executive Officer) der Gerry Weber International AG. Sie fügt hinzu: „Das Sanierungsvorhaben ist eine notwendige Reaktion auf die äußeren Umstände. Der Retail muss insgesamt neu ausgerichtet werden. Hierfür wollen wir das Filialnetz der Zukunft bauen. Denn wir glauben fest an die Filiale. Gleichzeitig müssen wir heute jeden Quadratmeter Fläche auf den Prüfstand stellen.“
Die geschätzt rund 400 Quadratmeter Verkaufsfläche an der Hochstraße in Krefeld haben allerdings keine Zukunft – die Schließung der Filiale ist für Mitte bis Ende September dieses Jahres beschlossen.