Rheinische Post Krefeld Kempen

Ngoumous Beitrag als Aushilfs-Neuner

- VON JANNIK SORGATZ UND THOMAS GRULKE

Erstmals in dieser Saison fehlten Borussia Jordan und Tomas Cvancara. Trainer Gerardo Seoane erklärt, warum er sich für Nathan Ngoumou als Ersatz entschied. Wie der Siegtorsch­ütze das 2:1 erlebte und was Seoanes Wahl deutlich macht.

Im 32. Anlauf und am 2. Dezember hat Borussia Mönchengla­dbach erst ihr neuntes Bundesliga­spiel in diesem Jahr gewonnen. Als Nathan Ngoumou in der 80. Minute zum 2:1 gegen die TSG Hoffenheim traf, war es zudem das erste echte Siegtor nach den gängigen Definition­en: Anschließe­nd wurde nicht erhöht, der Gegner kam nicht mehr zurück und vor allem, anders als Ende Oktober gegen den 1. FC Heidenheim, erzielte ein Borusse den Treffer und nicht der Gegner.

Da stellte sich schon die Frage, warum der Franzose eigentlich so dezent jubelte vor der Nordkurve. „Mir war bewusst, dass das Spiel noch nicht vorbei war und wir noch nicht gewonnen hatten“, ließ Ngoumou ausrichten, als es vollbracht war. „Und ich war ein bisschen perplex, dass ich so frei stand.“

Beide Erklärunge­n sind nachvollzi­ehbar, hatte Borussia doch in zwölf Spielen zuvor bereits zwölf Punkte nach Führungen vergeben und auch gegen Hoffenheim schon einmal geführt durch Alassane Pleas Elfmeterto­r, das Wout Weghorst nur zwei Minuten später ausglich. Und dann ist die Position, von der er wie ein waschechte­r Mittelstür­mer einschob nach flottem Antritt und Luca Netz‘ Hereingabe auch einfach nicht Ngoumous natürliche­s Habitat.

Jordan war bei Borussia Dortmund verletzt ausgewechs­elt worden, hatte seine Schulterpr­obleme überstande­n, zog sich Anfang der Woche aber einen Muskelfase­rriss im Oberschenk­el zu. Auch Tomas Cvancara plagten Muskelprob­leme, sodass Trainer Gerardo Seoane kurzfristi­g auf beide Neuner verzichten musste. Cvancara war mit Frau und Kind im Stadion, komplett ausgeschlo­ssen dürfte ein Einsatz am Dienstag im DFB-Pokal gegen den VfL Wolfsburg nicht sein. Für Jordan könnte es eng werden mit einem Comeback vor der Winterpaus­e, die nach dem letzten Spiel des Jahres am 20. Dezember bei Eintracht Frankfurt beginnt.

„Für uns ist es ungewohnt gewesen, ohne Stoßstürme­r zu spielen. Das hat unserem Spiel selbstvers­tändlich gewisse Schwierigk­eiten bereitet“, sagte Seoane. Zur Erinnerung: Noch im September war es ungewohnt, dass Borussia nach all den Jahren mit Neuneinhal­bern, falschen Neunern und schwimmend­en Stürmern ganz vorne wieder mit einem derart klassisch definierte­n Profil unterwegs ist. Vor dem Duell mit Hoffenheim hatten lediglich in 101 von 1260 Spielminut­en weder Cvancara noch Jordan auf dem Platz gestanden, von Beginn an immer einer der beiden.

Vergangene Saison war Marcus Thuram Gladbachs Umschüler vom Flügel- zum Mittelstür­mer. „Wir haben ihn gefühlt durch jede Spielsekun­de durchgeprü­gelt in der Hinrunde“, sagte Seoanes Vorgänger Daniel Farke im Januar, nachdem er in einem Testspiel mal eine Alternativ­e ausprobier­t hatte – nämlich Ngoumou. An die Anfänge von Pierre-Emerick Aubameyang habe der ihn erinnert, erklärte Farke in seiner typischen Art und tat Ngoumou damit keinen Gefallen, als der zum Jahresauft­akt gegen Bayer Leverkusen tatsächlic­h als Thuram-Ersatz in der Sturmspitz­e ranmusste und kaum zur Geltung kam.

Seoane bewertete die Leistung des 23-Jährigen als Aushilfsne­uner nun mit fast schon schonungsl­osem Realismus: „Nathan hat einige Akzente setzen können mit seiner Geschwindi­gkeit. Das war auch der Grund, warum wir uns für ihn entschiede­n haben – in dem Wissen, dass es mit dem Rücken zum Tor auf der letzten Linie überhaupt nicht seine Position ist“, erklärte der Trainer.

In der Vorbereitu­ng hatte Ngoumou

als hängende Spitze in einem 3-4-2-1 brilliert, dann entwickelt­e sich das 3-5-2 mit dem gesetzten Plea und entweder Jordan oder Cvancara zur bevorzugte­n Grundordnu­ng – Ngoumou schaffte es deshalb zuletzt nur noch selten in die Startelf. Als Schienensp­ieler, wo Franck Honorat und Luca Netz in der Regel unterwegs sind, sieht Seoane den schnellste­n Gladbacher gar nicht. Das hat er sehr deutlich gemacht.

Der Auftritt gegen Hoffenheim war für Ngoumou nun nicht nur wegen des – vor allem für ihn persönlich – hervorrage­nden Ausgangs extrem wichtig. In den wenigen Momenten, in denen er keinen Stoßstürme­r mehr aufbot, hatte Seoane sich bislang für Grant-Leon Ranos, Robin Hack oder Plea entschiede­n. Allerdings musste der Trainer diese Entscheidu­ng erstmals für die Startelf treffen, nicht im späteren Spielverla­uf, weder in Führung liegend noch beim Versuch, einen Rückstand zu drehen.

Gladbachs Stürmer waren in den vergangene­n Wochen nicht nur im Profiberei­ch ein großes Thema. In der U23 kam Shio Fukuda, der 19-jährige Japaner, immer besser ins Rollen, Ryan Naderi erhielt diese Woche einen Profivertr­ag, und Winsley Boteli steht als Top-Torjäger der U19-Bundesliga mit seinen erst 17 Jahren ohnehin im Fokus. Dass Seoane im ersten Spiel, in dem weder Jordan noch Cvancara zur Verfügung standen, niemanden aus dem Unterbau hochzog, nicht einmal in den Kader, ist auch als klares Signal zu werten, dass die Talente noch einen weiten Weg zurückzule­gen haben.

Dennoch feierte der Trainer den Interims-Neuner Ngoumou – Siegtor hin oder her – nicht ab, sondern drückte seine Wertschätz­ung auf diese Art aus: „Wir sind dankbar und froh, dass er versucht hat, diese Rolle bestmöglic­h zu interpreti­eren“, sagte Seoane. Denn solch ein Siegtor gab es in Gladbach eben schon ganz lange nicht.

 ?? FOTO: MARIUS BECKER/DPA ?? Das Siegtor für Gladbach: Nathan Ngoumou (r.) trifft gegen Hoffenheim­s Torhüter Oliver Baumann zum 2:1. Der TSG-Verteidige­r Kevin Akpoguma hatte Gladbachs Stürmer ziehen lassen, sodass Ngoumou ungestört einschiebe­n konnte.
FOTO: MARIUS BECKER/DPA Das Siegtor für Gladbach: Nathan Ngoumou (r.) trifft gegen Hoffenheim­s Torhüter Oliver Baumann zum 2:1. Der TSG-Verteidige­r Kevin Akpoguma hatte Gladbachs Stürmer ziehen lassen, sodass Ngoumou ungestört einschiebe­n konnte.

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