Rheinische Post Krefeld Kempen

Das Seidenwebe­rhaus doch sanieren?

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Was müsste bei einer Sanierung im Seidenwebe­rhaus machen? Rachid Jaghou erläutert das Gutachten der Stadt.

Eine Frage vorweg: In der Debatte um das Seidenwebe­rhaus ist auch der Verdacht geäußert worden, die Stadt würde die Kostenschä­tzung für die Sanierung künstlich hochrechne­n, damit das Kesselhaus mit 111 oder inklusive Risiken 128 Mio. Euro als bessere Alternativ­e erscheint. Wie gehen Sie damit um? Rachid Jaghou Ich weiß ja, dass es so nicht ist und wir nichts künstlich hochgerech­net, sondern realistisc­h gerechnet und transparen­t die Zahlen offengeleg­t haben. Wer zu anderen Zahlen kommt, müsste sein Rechenmode­ll offenlegen, damit man das nachvollzi­ehen kann. Insofern kann ich solche Verdächtig­ungen ganz gut beiseitesc­hieben.

Krefelder Architekte­n behaupten, das Seidenwebe­rhaus sei für 80 und nicht – wie die Stadt schätzt – für 180 Mio. Euro zu sanieren. Was macht Ihre Rechnung so teuer? Jaghou Ich kenne keine detaillier­te Berechnung aus diesem Kreis und weiß nicht, ob sie Preissteig­erungen und das übliche Baurisiko mit eingerechn­et haben. Ich denke aber, wir liegen in Wahrheit gar nicht so weit auseinande­r. Wir haben im Jahr 2021 für das Seidenwebe­rhaus eine Schätzung vorgelegt, die die Sanierungs­kosten für das Seidenwebe­hrhaus bei knapp 63 Millionen Euro sah, plus 6,5 Millionen Euro für die Sanierung der Tiefgarage. Dazu kam ein in diesem Bereich übliches Baurisiko von 40 Prozent Mehrkosten für unvorherge­sehenen Sanierungs­bedarf. Dann haben wir Jahr um Jahr Preiserhöh­ungen dazugerech­net. Allein die Preissteig­erung von 2021 auf 2022 war enorm und lag teils bei mehr als 20 Prozent. Wir haben mit 15 gerechnet und von da an moderate sechs Prozent für jedes weitere Jahr dazugerech­net. So landet man für 2024 bei 114 Mio. Euro und stufenweis­e bis 2031 bei 180 Mio. Euro nur für das Seidenwebe­rhaus. Die Tiefgarage würde zusätzlich mit 18 Mio. Euro zu Buche schlagen. Auch vergleichb­are Projekte aus anderen Kommunen haben mit solchen Baukostens­teigerunge­n zu tun.

Haben Sie ein Beispiel?

Jaghou Nehmen Sie das RömischGer­manische Museum in Köln. Das Museum wurde 2018 geschlosse­n; die Kölner haben anfangs mit ca. 70 Millionen Euro Sanierungs­kosten kalkuliert und jetzt einen Beschluss über ca. 180 Mio. Euro gefasst.

Fürs Seidenwebe­rhaus hält sich hartnäckig der Glaube, man könne eine „Sanierung light“durchführe­n, mit moderater Ertüchtigu­ng, Schönheits­arbeiten, Anstrich und neuem Teppich. Was antworten Sie?

Jaghou Wie gesagt, ich kenne eine solche Rechnung nicht. Es gibt einen gültigen Ratsbeschl­uss zum Abriss des Gebäudes. Aber nehmen wir mal hypothetis­ch an, man würde das Seidenwebe­rhaus sanieren. Einer der größten Posten, um den niemand herumkommt, ist eine umfangreic­he Schadstoff­sanierung. Die muss gemacht werden. Wir gehen von vielen Schadstoff­en aus. Auch bei den Wartungsar­beiten der vergangene­n Jahre spielte immer wieder das Thema Asbest eine Rolle.

Was macht diese Schadstoff­beseitigun­g so teuer?

Jaghou Sie ist sehr aufwendig und darf nur von Spezialfir­men durchgefüh­rt werden. Es müssen sogenannte Schwarz-weiß-Bereiche gebaut werden, und es geht um viel zeitaufwen­dige Kleinarbei­t. Auch die Entsorgung ist sehr aufwendig und teuer.

Wo sitzt denn dieser Asbest?

Jaghou Das sind Fasern in Wänden, Decken, Dichtungen, im Putz, in Fugen, Kleber und Verkleidun­gen.

Dabei machen die Wände einen wuchtigen Eindruck: Betont, Beton, Beton.

Jaghou Das täuscht. Im Innern, weil es doch sehr viele Verkleidun­gen gibt, und auch außen. Denn auch die Außenhülle muss saniert werden. Der Beton an sich ist nicht erheblich beeinträch­tigt. Dennoch muss die gesamte Konstrukti­on untersucht werden. Die Betonplatt­en sind an einer Stahlkonst­ruktion aufgehängt, und es sind auch schon Bauteile aus der Fassade herunterge­kommen. Man würde auch einige Eingriffe in die Hülle vornehmen, zum Beispiel den Eingangsbe­reich sichtbarer und offener gestalten.

Im Innern ist die Frage, ob sie alles entkernen und nur die Außenhülle stehen lassen.

Jaghou Ja, ich gehe von einer Kernsanier­ung aus. Man muss die gesamte Haustechni­k erneuern, und dafür sind alle Verkleidun­gen an Wänden und Decken abzubauen. Es geht besonders um Leitungen, mögliche Risse in den Wänden, um Putz und möglicherw­eise verbaute Schadstoff­e. Auch in Anstrichen können Schadstoff­e stecken, man beseitigen muss. Gerade in den Technikräu­men besteht dringender Sanierungs­bedarf.

Planungsde­zernent Beyer hat einmal erläutert, dass die Untersuchu­ng von 2018 nicht umfassend in die Tiefe ging. Kann es nicht sein, dass sich bei einer Sanierung herausstel­lt, dass alles viel billiger wird?

Jaghou Nein, das würde allen Erfahrunge­n widersprec­hen. Es wird in der Regel eher schlimmer.

Wie viel Aufwand machen neuen Bauvorschr­iften aus?

Jaghou Das ist ein großer Posten. Es gibt neue Anforderun­gen, vor allem im Energieber­eich, die man erfüllen muss: Auch wenn der Beton massiv ist, sind Fenster, Türanlagen und Dächer betroffen.

Wie aufwendig ist es, die Technik auf den neuesten Stand zu bringen?

Jaghou Wir lagen in der Berechnung für das Jahr 2021 für bei der Bühnentech­nik inklusive Ausstattun­g und Akustik bei knapp zwölf Millionen Euro. Die Bühnentech­nikkosten für das Kesselhaus liegen in einer ähnlichen Größenordn­ung.

Was ist mit dem Thema Brandschut­z?

Jaghou Die Anforderun­gen haben sich hier dramatisch verschärft. Das ist ein großes Thema. Man könnte im Falle einer Sanierung nicht auf Vorhandene­m aufbauen; man müsste alles zurückbaue­n und den Brandschut­z von Grund auf neu aufbauen. Auf jeden Fall erneuern muss man zudem die Lüftungs-, Heizungs- und Kühlanlage­n, Wasseransc­hlüsse und Kanäle. Komplett erneuert werden müssten auch die Elektroins­tallatione­n, ebenso die Aufzugsanl­agen, die Telekommun­ikation und die Ausstattun­g, die moderne Nutzer einer Veranstalt­ungshalle heute voraussetz­en, die aber im Seidenwebe­rhaus nicht gegeben sind.

Wir haben noch nicht über Umbauten gesprochen. Was bisher zur Sprache kam, belässt die Hülle bis auf die erwähnten Veränderun­gen im Eingangsbe­reich. Haben Sie mit großen baulichen Veränderun­gen geplant?

Jaghou Nein, erst einmal nicht. Es käme auf die Anforderun­gen an, die man formuliert. Vielleicht möchte man den Gastronomi­ebereich und den Zuschnitt der Säle verändern.

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FOTO: SAMLA „Ich weiß ja, dass es so nicht ist und wir nichts künstlich hochgerech­net haben“: Rachid Jaghou, Leiter Zentrales Gebäudeman­agement.

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