Rheinische Post Krefeld Kempen
Dionysiuskirche mit Instagram auf Rekordkurs
Der Instagram-Account der Dionysiuskirche wächst und wächst – mehr als 20.000 Menschen folgen ihm mittlerweile. Warum?
KREFELD Ein Beispiel ist das Thema „nervigste Frage“. Dionysius-Pfarrer David Grüntjens und Gemeindereferentin Michelle Engel geben in einem Reel (einem kurzen Video) Antwort darauf, was „die nervigste Frage“ist, „die ihr gestellt bekommt“. Grüntjens sagt nur „Beziehungsstatus“. Sie gibt zu bedenken „wir haben ja gar keine Beziehung“, er sagt: „Die fragen ja immer, ob wir was haben“; sie antwortet, „ja, ich glaube, das ist die am meisten gestellteste Frage“; er frozzelt und wiederholt: „Gestellteste“, sie verbessert sich: „gestellte Frage, sorry“; er räuspert sich etwas später selbstvergessen, sie bemerkt mit leicht verzogener Miene: „Was ist das denn für ein Altherrenräuspern?“– er bricht in Gelächter aus.
Beide bleiben tiefenentspannt, authentisch, spontan, das an sich heikle Thema ist in diesen Sekunden einfach nicht heikel, sondern nur eine für viele offenbar naheliegende Frage, die nebenbei beantwortet wird. Mit Nein.
Der Pfarrer und seine Gemeindereferentin, die wunderbarerweise Engel heißt, haben einen besonderen Stil geprägt, auf den die Menschen draußen unfassbar positiv reagieren. Der Account „diokirche_krefeld“hat mittlerweile mehr als 20.000 Follower und ist damit der zweitgrößte Account im deutsch-katholischen Raum. Nur noch „katholisch.de“ist größer mit rund 41.000 Followern. Der Stil ist authentisch, spontan, aus der Situation heraus, nichts wird gestellt
oder geprobt. „Ich filme aus dem Alltag heraus“, sagt Gemeindereferentin Engel, „ich werde immer spontaner, das schätzen die Menschen, bei uns ist nichts gespielt.“Etwas später ergänzt sie: „Wir brauchen für die Videos nicht viel Energie; weil das einfach wir sind.“
Nach dem Start des Accounts gab es erst einmal nur wenig Zuspruch, berichtet Engel. Das änderte sich, als Grüntjens und sie einen Adventskalender thematisierten, den beide sich traditionell schenken. Das brachte plötzlich einen Schub, und seitdem kennt die Kurve der Follower-Zahlen nur eine Richtung: nach oben.
„Ich bekomme täglich Mails, viele Privatnachrichten, in denen die Menschen auch von Sorgen und Nöten berichten.“Trauerfall, Totgeburt.
Einsamkeit, Beziehungskrise: Die Schreiber öffnen sich gegenüber der Frau, die hinter dem Account steht. Und von der die Schreiber wissen: Sie ist es, die dahintersteht.
Die, die da schreiben, sind oft kirchenferne Menschen oder Ausgetretene oder Menschen, die kurz davor sind, die Kirche zu verlassen – sie alle fühlen sich plötzlich wieder angesprochen; eine Frau, die schon entschlossen war auszutreten, schrieb an Engel: „Ich weiß nicht warum, ihr habt mir eine andere Seite der Kirche gezeigt, ich überlege gerade alles.“Sie war bereit, ihr Verhältnis zur Kirche neu, nämlich positiver zu justieren.
Mittlerweile firmieren Engel und Grüntjens auf dem Account als „Frengels & Chef“. Beide posieren auf einem Foto vor der grün leuchtenden Kontur der Dionysiuskirche; es gibt mittlerweile sogar einen Becher mit diesem Motiv. Wieso „Frengels & Chef“? Engel lacht. Sie hat Grüntjens oft mit Chef tituliert. Der wiederum kam irgendwann auf die flapsige Idee, die Anrede „Frau Engel“zu „Frengels“zusammenzuziehen. Die Idee zündete, „Frengels & Chef“ist ein Markenzeichen geworden.
Mittlerweile kommen sogar Besucher aus ganze Deutschland bei ihnen vorbei. Engel nennt unter anderem Berlin, Mainz und Bayern. Spontanität und Alltagssprache sind offenbar ein wichtiger Grund, warum der Account so viele Menschen anspricht. „Ihr seid ja ganz normal“, hört Michelle Engel oft. Grund zwei ist wohl die Möglichkeit,
erst mal zuzuhören, ohne die Schwelle einer Kirche zu übertreten oder einen Pfarrer anzusprechen. Denn das scheint für viele eine Hürde zu sein: „Die Hemmschwelle ist sehr, sehr groß“, sagt Engel, „solche Menschen haben teils sehr schlechte Erfahrungen mit Gottes Bodenpersonal gehabt. Natürlich spielen auch die vielen Negativschlagzeilen eine Rolle; das Image der Kirche ist leider nicht mehr so gut.“
Der Account bietet offenbar neue Anknüpfungspunkte, neue Fäden in die Seele der Zuhörer. Sehr gut werden zum Beispiel die Gebete angenommen, die Engel morgens und abends als Text veröffentlicht. Sie bereitet sich nicht groß vor, sie lässt sich aus dem Alltag heraus inspirieren und wählt alltagsnahe Themen. Die Reaktionen seien oft stark und berührend, und mittlerweile werde immer wieder gefragt, ob es die Gebete als Buch gebe, berichtet Engel.
Viele positive Reaktionen gebe es auch auf die Predigten von Grüntjens, berichtet sie weiter, denn es werden auch Reels mit Szenen aus den Gottesdiensten veröffentlicht, „der Chef predigt toll“, sagt Engel unumwunden, und wer ihn predigen hört, wird ihr zustimmen. Unterm Strich hört sie oft, dass die Menschen es „toll finden, wie wir Kirche leben und die Menschen mitnehmen“. Insgesamt gibt der Account auch ihr selbst Hoffnung für die Zukunft der Kirche: „Es ist möglich, in der digitalen Welt als katholische Kirche Gehör zu finden und die Werte zu vermitteln, für die wir stehen.“