Rheinische Post Krefeld Kempen
Auferstehung – eine Glaubensfrage
Das leere Grab ist das größte Wunder des Christentums. Kann man an die Auferstehung glauben? Wieviel Zweifel gibt es? Der Künstler Jan Kalff hinterfragt das in einem Bilderzyklus.
KREFELD Es ist einfach ein Stück Stoff, das gefällig über eine Kante herunterhängt. Jeder Faltenwurf, jeder Schatten ist Realismus in Reinform. Aber dahinter steckt ein Wunder, das größte des Christentums: die Auferstehung Jesu.
Mit hauchfeinem Graphitstift hat Jan Kalff das Tuch gemalt. Es gibt keine Person auf dem Bild, nicht die versteckteste Spur eines Menschen. Der Stoff verliert sich in der weißen Fläche - in der Unendlichkeit. Man ahnt: Dies ist ein Ausschnitt, ein Trigger, der Gedanken in Gang setzen will. Der Künstler hat die Grundlage des Christentums dargestellt, die Urfrage des Glaubens - kurz: das Wunder des leeren Grabes. Jesus Totentuch ist auf dem leeren Holzsarg zurückgelassen.
Das Bild ist eines von sieben Motiven, die der Krefelder Künstler als Fortsetzung des Kreuzweges versteht. Er setzt sich darin mit den biblischen Ereignissen zwischen der Kreuzigung und Pfingsten auseinander, als der Heilige Geist den Jüngern erschien. Die ersten drei Werke sind bereits fertig.
2019 hat Jan Kalff in 14 Stationen den Leidensweg Jesu von der Verurteilung bis zur Grablegung künstlerisch umgesetzt. Der Kirchenmusiker Heinz-Peter Kortmann hat zu jeder Station, zu jedem Bild auf der großen Metzler-Orgel der Hülser Pfarrkirche St. Cyriakus entsprechende Musik interpretiert. Das Erlebnis war beeindruckend, eine unter die Haut gehende Verbindung von Kunst und Musik, Hören und Sehen, tiefes Empfinden. Jetzt gibt es die Fortsetzung: das Wunder der Auferstehung. Ausstellung und Orgelklang verbinden sich im Konzert am 12. Mai ab 18 Uhr in St. Cyriakus.
Das leere Grab ist die tragende Idee des malerischen Zyklus, „meine Klammer“, wie Kalff sagt. Spätestens seit der Aufklärung sind die immer wiederholten Versuche überliefert, das Unerklärliche mit menschlichen Begriffen zu erklären. Ohne Erfolg. „Bei der Entstehung der Welt gibt es Entsprechungen zwischen Glauben und Naturwissenschaft. In der Bibel ist es das Licht, Wissenschaftler reden vom Urknall“, sagt Kalff.
Er kann sich gut einfühlen in den „ungläubigen Thomas“, den Jünger, der an der Auferstehung Christi zweifelte: „Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe, und wenn ich nicht meinen Finger in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite legen, glaube ich nicht“, heißt es in der Bibel. Erst wenn er sieht, ist Thomas bereit zu glauben. Aber ist es noch ein Glauben, wenn man den Beweis im wörtlichen Sinn begriffen hat?
Für Kalff ist die Bibel „das bildstärkste Buch der Welt“. Sie bietet viel Raum zum Interpretieren, eine unendliche Inspirationsquelle für künstlerische Auseinandersetzung. Kalff berichtet von einer philosophischen Debatte im niederländischen Fernsehen. Die Position, dass sich jemand bekannte, nicht zu glauben, ja, nicht glauben zu wollen, weil er sich das Mysterium nicht zerstören lassen woll, hat bei ihm einen Nerv getroffen.
Das Nicht-Glauben-Können, der Zweifel, kann sich im Bild des Leintuchs einschleichen. Deutlicher wird es bei der Szene der Frauen am leeren Grab. Nach dem Matthäus-Evangelium kamen Maria Magdalena und weitere Frauen, um den Leichnam Jesu einzubalsamieren. Pontius Pilatus hatte den toten Jesus vom Kreuz genommen, in ein Leinentuch gewickelt und in ein Felsengrab gelegt, das mit einem schweren Stein verschlossen wurde. Die Frauen fanden das Grab offen, den Stein zur Seite gewälzt. Der Engel, der verkündete, dass Jesus auferstanden sei, ist auf Kalffs Bild nicht zu sehen. Man blickt ins gähnende Schwarz, eine unergründliche Tiefe. Die Menschen davor fast demütig klein.
Kalff ist kein Illustrator von Bibelpassagen. „Es sind manchmal nur ein, zwei oder drei Sätze, in denen alles komprimiert ist“, sagt er. Dann entsteht in seinem Kopf die Idee des Bildes. „Es geht mir auch um Schönheit“, erklärt er. Ästhetisch schön sind seine Bilder - und auch ihre Aussagen. Das Emmaus-Motiv ist dem Künstler wichtig: Zwei Jünger, unterwegs nach Emmaus, stehen noch tief unter dem Eindruck der Kreuzigung Jesu. Ihre Trauer ist unermesslich. Da begegnet ihnen ein Fremder. Er spricht sie an, betet mit ihnen, teilt mit ihnen sein Brot. An der Geste des Brotbrechens erkennen die Emmaus-Jünger Jesus. Ihre Verzweiflung weicht Hoffnung und Zuversicht.
Jan Kalff hat die Hände, die das Brot brechen, in einem schwarzen, undefinierten Raum gemalt. Der Blick konzentriert sich auf Finger, die halten, auf Hände, die gelebtes Leben spiegeln und in ihrer Haltung Güte ausstrahlen. Es ist bildgewordene Zuwendung. Auch Hoffnung.
Mit dem Musiker Heinz-Peter Kortmann steht der Maler in engem Austausch. Noch hat der Organist
nicht endgültig entschieden, welche Musik er auswählen wird. Johann Sebastian Bach ist gesetzt. Sein Oeuvre ist umfassend. Choräle wie „Komm, Schöpfer, Gott, Heiliger Geist“kann Kortmann sich gut für das Kunst-Konzert vorstellen. „Ich möchte Bach kombinieren mit französischer Sinfonik“, berichtet er. „L’Ascension“von Olivier Messien ist nicht nur wegen des Titels passend zu Christi Himmelfahrt, Maurice Duruflés „Veni creator“ein geborenes Pfingststück.
Ein bisschen wird Kolrtmanns Auswahl auch davon abhängen, welche Darstellungen Jan Kalff vorlegt, ob der Heilige Geist etwa in Gestalt einer Taube über die Jünger kommt oder „wie mit Feuers Zungen“.