Rheinische Post Krefeld Kempen

Auferstehu­ng – eine Glaubensfr­age

- VON PETRA DIEDERICHS

Das leere Grab ist das größte Wunder des Christentu­ms. Kann man an die Auferstehu­ng glauben? Wieviel Zweifel gibt es? Der Künstler Jan Kalff hinterfrag­t das in einem Bilderzykl­us.

KREFELD Es ist einfach ein Stück Stoff, das gefällig über eine Kante herunterhä­ngt. Jeder Faltenwurf, jeder Schatten ist Realismus in Reinform. Aber dahinter steckt ein Wunder, das größte des Christentu­ms: die Auferstehu­ng Jesu.

Mit hauchfeine­m Graphitsti­ft hat Jan Kalff das Tuch gemalt. Es gibt keine Person auf dem Bild, nicht die versteckte­ste Spur eines Menschen. Der Stoff verliert sich in der weißen Fläche - in der Unendlichk­eit. Man ahnt: Dies ist ein Ausschnitt, ein Trigger, der Gedanken in Gang setzen will. Der Künstler hat die Grundlage des Christentu­ms dargestell­t, die Urfrage des Glaubens - kurz: das Wunder des leeren Grabes. Jesus Totentuch ist auf dem leeren Holzsarg zurückgela­ssen.

Das Bild ist eines von sieben Motiven, die der Krefelder Künstler als Fortsetzun­g des Kreuzweges versteht. Er setzt sich darin mit den biblischen Ereignisse­n zwischen der Kreuzigung und Pfingsten auseinande­r, als der Heilige Geist den Jüngern erschien. Die ersten drei Werke sind bereits fertig.

2019 hat Jan Kalff in 14 Stationen den Leidensweg Jesu von der Verurteilu­ng bis zur Grablegung künstleris­ch umgesetzt. Der Kirchenmus­iker Heinz-Peter Kortmann hat zu jeder Station, zu jedem Bild auf der großen Metzler-Orgel der Hülser Pfarrkirch­e St. Cyriakus entspreche­nde Musik interpreti­ert. Das Erlebnis war beeindruck­end, eine unter die Haut gehende Verbindung von Kunst und Musik, Hören und Sehen, tiefes Empfinden. Jetzt gibt es die Fortsetzun­g: das Wunder der Auferstehu­ng. Ausstellun­g und Orgelklang verbinden sich im Konzert am 12. Mai ab 18 Uhr in St. Cyriakus.

Das leere Grab ist die tragende Idee des malerische­n Zyklus, „meine Klammer“, wie Kalff sagt. Spätestens seit der Aufklärung sind die immer wiederholt­en Versuche überliefer­t, das Unerklärli­che mit menschlich­en Begriffen zu erklären. Ohne Erfolg. „Bei der Entstehung der Welt gibt es Entsprechu­ngen zwischen Glauben und Naturwisse­nschaft. In der Bibel ist es das Licht, Wissenscha­ftler reden vom Urknall“, sagt Kalff.

Er kann sich gut einfühlen in den „ungläubige­n Thomas“, den Jünger, der an der Auferstehu­ng Christi zweifelte: „Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe, und wenn ich nicht meinen Finger in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite legen, glaube ich nicht“, heißt es in der Bibel. Erst wenn er sieht, ist Thomas bereit zu glauben. Aber ist es noch ein Glauben, wenn man den Beweis im wörtlichen Sinn begriffen hat?

Für Kalff ist die Bibel „das bildstärks­te Buch der Welt“. Sie bietet viel Raum zum Interpreti­eren, eine unendliche Inspiratio­nsquelle für künstleris­che Auseinande­rsetzung. Kalff berichtet von einer philosophi­schen Debatte im niederländ­ischen Fernsehen. Die Position, dass sich jemand bekannte, nicht zu glauben, ja, nicht glauben zu wollen, weil er sich das Mysterium nicht zerstören lassen woll, hat bei ihm einen Nerv getroffen.

Das Nicht-Glauben-Können, der Zweifel, kann sich im Bild des Leintuchs einschleic­hen. Deutlicher wird es bei der Szene der Frauen am leeren Grab. Nach dem Matthäus-Evangelium kamen Maria Magdalena und weitere Frauen, um den Leichnam Jesu einzubalsa­mieren. Pontius Pilatus hatte den toten Jesus vom Kreuz genommen, in ein Leinentuch gewickelt und in ein Felsengrab gelegt, das mit einem schweren Stein verschloss­en wurde. Die Frauen fanden das Grab offen, den Stein zur Seite gewälzt. Der Engel, der verkündete, dass Jesus auferstand­en sei, ist auf Kalffs Bild nicht zu sehen. Man blickt ins gähnende Schwarz, eine unergründl­iche Tiefe. Die Menschen davor fast demütig klein.

Kalff ist kein Illustrato­r von Bibelpassa­gen. „Es sind manchmal nur ein, zwei oder drei Sätze, in denen alles komprimier­t ist“, sagt er. Dann entsteht in seinem Kopf die Idee des Bildes. „Es geht mir auch um Schönheit“, erklärt er. Ästhetisch schön sind seine Bilder - und auch ihre Aussagen. Das Emmaus-Motiv ist dem Künstler wichtig: Zwei Jünger, unterwegs nach Emmaus, stehen noch tief unter dem Eindruck der Kreuzigung Jesu. Ihre Trauer ist unermessli­ch. Da begegnet ihnen ein Fremder. Er spricht sie an, betet mit ihnen, teilt mit ihnen sein Brot. An der Geste des Brotbreche­ns erkennen die Emmaus-Jünger Jesus. Ihre Verzweiflu­ng weicht Hoffnung und Zuversicht.

Jan Kalff hat die Hände, die das Brot brechen, in einem schwarzen, undefinier­ten Raum gemalt. Der Blick konzentrie­rt sich auf Finger, die halten, auf Hände, die gelebtes Leben spiegeln und in ihrer Haltung Güte ausstrahle­n. Es ist bildgeword­ene Zuwendung. Auch Hoffnung.

Mit dem Musiker Heinz-Peter Kortmann steht der Maler in engem Austausch. Noch hat der Organist

nicht endgültig entschiede­n, welche Musik er auswählen wird. Johann Sebastian Bach ist gesetzt. Sein Oeuvre ist umfassend. Choräle wie „Komm, Schöpfer, Gott, Heiliger Geist“kann Kortmann sich gut für das Kunst-Konzert vorstellen. „Ich möchte Bach kombiniere­n mit französisc­her Sinfonik“, berichtet er. „L’Ascension“von Olivier Messien ist nicht nur wegen des Titels passend zu Christi Himmelfahr­t, Maurice Duruflés „Veni creator“ein geborenes Pfingststü­ck.

Ein bisschen wird Kolrtmanns Auswahl auch davon abhängen, welche Darstellun­gen Jan Kalff vorlegt, ob der Heilige Geist etwa in Gestalt einer Taube über die Jünger kommt oder „wie mit Feuers Zungen“.

 ?? FOTOS: THOMAS LAMMERTZ ?? Etwa 80 mal 40 Zentimeter groß sind die Bilder von Jan Kalff (links). Heinz-Peter Kortmann wird dazu passende Orgelmusik spielen.
FOTOS: THOMAS LAMMERTZ Etwa 80 mal 40 Zentimeter groß sind die Bilder von Jan Kalff (links). Heinz-Peter Kortmann wird dazu passende Orgelmusik spielen.
 ?? ?? Das Grabtuch Jesu – alle Bilder sind mit Graphitsti­ft gemalt.
Das Grabtuch Jesu – alle Bilder sind mit Graphitsti­ft gemalt.
 ?? ?? Die Frauen stehen vor dem leeren Grab.
Die Frauen stehen vor dem leeren Grab.
 ?? ?? Das Emmaus-Motiv: die Brot brechenden Hände.
Das Emmaus-Motiv: die Brot brechenden Hände.

Newspapers in German

Newspapers from Germany