Rheinische Post Krefeld Kempen
Ohne Ballast unterwegs auf dem Jakobsweg
Der Jakobsweg ist ein uralter Pilgerpfad, der Europa durchzieht und nach Santiago de Compostela führt. Doch nicht alle Wanderer sind nur religiös motiviert. Für ein Anrather Ehepaar stehen eher andere Dinge im Vordergrund.
ANRATH Wenn das Anrather Ehepaar Christine und Holger Jentgen auf den Jakobsweg angesprochen wird, sind die beiden kaum zu bremsen. „Es gibt viele Freunde, die schon bereut haben, uns darauf angesprochen zu haben. Es sind so tolle Eindrücke, dass wir schier endlos davon erzählen können“, sagt Holger Jentgen lachend.
Der 73-Jährige und seine 65-jährige Frau haben das Wandern vor Jahren für sich entdeckt und entschieden, den Jakobsweg zu gehen. „Seit unserem ersten Camino sind wir begeistert“, erzählt er. Dabei gehe es den Pensionären weniger um einen religiösen Hintergrund. Während viele Pilger eine Verbindung zu Gott, eine Erleuchtung oder das Vergeben von Sünden erhoffen, ist den Anrathern eher die Natur, die Historie der Wege und die Wandererfahrung an sich wichtig.
„Was vor allem fasziniert, ist diese Losgelöstheit. Man reduziert das, was man mitnimmt, auf ein Minimum, denn man muss ja alles tragen. Und man stellt fest: Es geht. Das ist eine sehr prägende, positive Erfahrung“, erzählt er. Diese sei so tiefgehend, dass sie mittlerweile zu echten „Jakobsweg-Junkies“geworden seien. „Wenn wir Freunden davon erzählen, werden wir geradezu missionarisch, denn es ist eine besondere Erfahrung. Wir haben so unglaublich viele Erlebnisse gehabt, die fast durchgehend positiv sind“, berichtet Jentgen.
Das Hape-Kerkeling-Buch „Ich bin dann mal weg“stelle das gut dar und sei auch der Auslöser für die erste Wanderung auf dem Jakobsweg gewesen. Die Verfilmung bewerten beide unterschiedlich, sie positiv, er eher kritisch „Wir sind nach der Lektüre des Buchs den Camino Francés von Saint-Jean-Pied-de-Port am Fuß der Pyrenäen nach Santiago de Compostela gewandert“, erzählt er von den Anfängen. Die Erfahrung sei so beeindruckend gewesen, dass sie sich auch von Rückschlägen nicht davon abbringen ließen. „2018 sind wir den Caminho Portugués von Porto nach Santiago gegangen und 2019 sind wir im TramuntanaGebirge unseres ,17. Bundeslandes Mallorca‘ von Süd nach Nord den GR221 (die Ruta de Pedra en Sec) gelaufen. Das ist zwar kein Jakobsweg, aber auch sehr schön. Wenig später wurde bei mir eine Krebserkrankung diagnostiziert. Operation, gibt es 30 verzeichnete JakobswegStrecken von mehreren tausend Kilometern Länge. Sie durchziehen das gesamte Land.
International Auch aus dem Ausland führen Jakobsweg-Pilgerpfade durch Deutschland. So aus Dänemark, dem Baltikum, Polen oder Tschechien und Österreich.
Bedeutung und mehr als alles andere das Zusammentreffen mit Menschen aus zahllosen Nationen ein Erlebnis. Man kann es nicht wirklich begründen, vielleicht nicht einmal treffend beschreiben, aber die Menschen, die einander fremd sind, begegnen sich wie Vertraute, zumindest aber offen“, schwärmt der Senior.
Und wo übernachten die beiden Wanderer? „Meine Frau und ich haben die Erfahrung gemacht, dass wir auf den Jakobswegen besser unterwegs sind, wenn wir ausgeschlafener sind. In den Schlafsälen der Pilgerherbergen ist das nicht immer gewährleistet. Auf der anderen Seite ist die Atmosphäre in diesen Unterkünften einzigartig. Wir versuchen, beides zu kombinieren. Viele Pilgerherbergen bieten heute Doppelzimmer an. Dort hat man dann in der Tat beides, Nachtruhe und vorher geselliges Beisammensein mit gleichgesinnten Mitmenschen aus aller Welt“, sagt der Anrather. So soll die Erfahrung trotz aller Anstrengung auch Entspannung bieten.
Es sei übrigens anzunehmen, dass das Kerkeling-Buch auch in Spanien bekannt ist. „Vermutlich ist es eine humorvoll erfundene Anekdote, aber es geht das Gerücht, dass die enorm zunehmende Zahl Deutscher, die seit dessen Veröffentlichung den Jakobsweg gehen, von den Einheimischen als ‚Kerkeliños‘ bezeichnet werden“, erzählt er lachend.
Freunde und Familie jedenfalls wollen sie regelmäßig in einem Whatsapp-Tagebuch berichten – und nach ihrer Rückkehr im Juli auch unserer Redaktion von ihrem nächsten Abenteuer erzählen.