Rheinische Post Krefeld Kempen
Das sind die verschiedenen Szenarien
Der KFC Uerdingen kämpft sportlich um den Aufstieg in die Regionalliga und wirtschaftlich um die Vermeidung der Insolvenz. Aber wann hilft ein Aufstieg dem Verein überhaupt? Und wann ist es sinnvoll, ein Insolvenzverfahren zu beantragen?
Jede Krise birgt Chancen. Das ist die gute Nachricht für den KFC Uerdingen. Allerdings bedarf es dazu der richtigen Einschätzung der Situation und der daraus zu ziehenden Konsequenzen. Die Chance gab es in den vergangenen Jahrzehnten immer mal: vor sechs Jahren, doch ohne Stadion wurde sie leichtfertig vergeben. Zuletzt gab es sie dann vor zwei Jahren nach dem Abstieg aus der Dritten Liga und abgeschlossenem Insolvenzverfahren, doch sie wurde kläglich vertan, weil der damalige Verwaltungsrat zu viele naive Fehlentscheidungen traf: Er setzte auf den guten Willen langjähriger Vereinsmitglieder anstatt auf Kompetenz, was ein verheerendes Resultat zur Folge hat. Der Status quo.
Die sportliche Situation Die Meisterschaft ist in weite Ferne gerückt, die Vizemeisterschaft durchaus noch möglich. In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, welche Vereine eine Zulassung für die Regionalliga erhalten – wahrscheinlich Ratingen 04/19 und der KFC Uerdingen, eventuell Schwarz-Weiß Essen. Nach dem VfB Hilden und der Spvg Schonnebeck hat auch Spitzenreiter Sportfreunde Baumberg hat am Ostermontag mitgeteilt, dass er sich nicht um eine Regionalliga-Lizenz bewirbt. Der von den zugelassenen Vereinen am Saisonende bestplatzierte unter den ersten vier Teams steigt in die Regionalliga auf. Der KFC hat somit durchaus noch die Chance, aufzusteigen. Allerdings bedarf es dazu in den restlichen neun Saisonspielen – darunter gegen Baumberg, Schwarz-Weiß Essen, Ratingen und Schonnebeck – stabilerer, konstanterer Leistungen. Dass die Uerdinger sich gegen Spitzenmannschaften leichter getan haben als gegen Abstiegskandidaten, nährt die Hoffnung.
Die wirtschaftliche Situation Sie ist deutlich schwieriger als die sportliche. Bis zum Saisonende fehlen dem Verein rund 1,1 Millionen Euro. Verbindlichkeiten in Höhe von 600.000 Euro wurden seit dem abgeschlossenen Insolvenzverfahren im Frühjahr 2022 angehäuft, 500.000 Euro fehlen in dieser Saison durch den Ausfall des Hauptsponsors dasbob. Laut Finanzvorstand Bernd Limberg beträgt der monatliche Bedarf 90.000 Euro im Monat für die Mannschaft (mehr als zwei Drittel) und sechs Angestellte, drei im Bereich Geschäftsstelle, drei in der Jugend. Aber: Wenn die Gläubiger ihr Geld fordern, muss der Verein zahlen oder Insolvenz anmelden.
Im Fall des Aufstiegs Die Etatplanung für die kommende Saison erfolgt Ligen-unabhängig, sie ist also für die Ober- und Regionalliga identisch. Der KFC veranschlagt einen Etat von 1,1 Millionen Euro und kalkuliert diesen ohne Hauptsponsor. Mit diesem Etat würde sich der Verein noch immer im oberen Drittel der Regionalligisten bewegen. Allerdings müsste auch in diesem Fall das Gesicht der Mannschaft
verändert werden. Selbst die SSVg Velbert, die in der vergangenen Saison sportlich überzeugt hat und aufgestiegen ist, kann in dieser Saion die höhere Klasse nicht halten. Das sollte eine Warnung, aber auch nicht furchterregend sein. Eine Tilgung der Verbindlichkeiten scheint in diesem Fall wenigstens in kleineren Schritten möglich.
Im Fall des Oberliga-Verbleibs Mit dem veranschlagten Etat wäre der KFC erneut der Krösus der Liga. Ob das sinnvoll ist, muss stark bezweifelt werden. Ebenso die vom Vorstand Sebastian Thißen ausgegebene Marschroute im Finanzbereich. Für ihn sei ein Insolvenzantrag aus moralischen Gründen nicht vertretbar. Sollte der KFC absehbar nicht aufsteigen, so wäre dieser Antrag vor dem Saisonende jedoch aus wirtschaftlicher Sicht geradezu zwingend geboten. Der Verein bekäme, sofern er den Insolvenzantrag rechtzeitig stellt, in dieser Saison neun Punkte abgezogen und wäre zum Beispiel anstatt Vierter am Saisonende Zehnter. Aber es bestünde die Chance auf einen Neuanfang im finanziellen und sportlichen Bereich.
Alles hängt am neuen Vorstandsvorsitzenden Der Neuanfang ist zwingend. „Der Verein muss sich völlig neu aufstellen“, hat Nils Gehlings,
Vorsitzender des Verwaltungsrates, gesagt. Derzeit wird ein neuer Vorstandsvorsitzender gesucht, der sein Vorstands-Team zusammenstellt. Bis zum 28. Juni muss er gefunden sein. Dieser Vorstandsvorsitzende sollte in der Wirtschaft, aber auch in der Stadt bestens vernetzt sein. Letzteres fehlt seit vielen Jahrzehnten und ist das größte Manko. Die Bereiche Finanzen und Sport muss er mit zwei kompetenten Vorstandskollegen besetzen. Ob ein weiteres Vorstandsmitglied zwingend erforderlich ist, sei dahin gestellt.
Was er ändern muss Was in den vergangenen Jahren, beinahe Jahrzehnten, vermisst wurde: Transparenz und Teilhabe. Mitglieder und Fans müssen viel besser informiert und einbezogen werden, was im positiven Fall zu größerem ehrenamtlichem Engagement statt bezahlter Inkompetenz führt. Der Supporters
Club und die Grotenburg Supporter haben gezeigt, welch ein Ideenreichtum, welch eine Tatkraft und Leidenschaft in und um den Verein schlummert. Aber das ist es natürlich nicht allein. Der Verein muss sich völlig neu aufstellen. Diese Forderung von Nils Gehlings muss in allen Bereichen der Maßstab sein. Es darf keine Denkverbote geben. Und so müssen Fragen erlaubt sein, zum Beispiel: Muss ein Oberligist einen Etat von 1,1 Millionen Euro haben, wenn der Rest der Liga mit einem Drittel davon auskommt? Muss der Verein sich sechs Angestellte leisten oder würden je kompetenter Mitarbeiter in den Bereichen Geschäftsstelle und Jugend ausreichen? Soll die Ausbildung der Jugend allerhöchsten Ansprüchen genügen oder reicht es ein, zwei Ligen tiefer aus, da bereits im Umkreis auf Top-Niveau ausgebildet wird und eine Konkurrenz wenig sinnvoll erscheint?