Rheinische Post Krefeld Kempen

Neue Gefahren, neue Truppe

- VON HOLGER MÖHLE Verteidigu­ngsministe­rium

Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius will, dass Deutschlan­d sich gegen Angreifer verteidige­n kann. Nun präsentier­t er einen Umbau der Bundeswehr, der sie besser in die Lage versetzen soll, ihrer Aufgabe nachzukomm­en.

BERLIN Nein, beim Bingo sei er nicht, sagt Boris Pistorius. Man rate mal, wie oft er etwa auch an diesem Tag das Wort „kriegstüch­tig“verwenden werde. Bislang, Stand 13.14 Uhr: kein einziges Mal. Aber so viel sei klar, er werde die Vokabel wieder einsetzen in der Debatte über die Fähigkeit der Bundeswehr, im Falle eines Angriffs auch das eigene Land verteidige­n zu können. Denn darum geht es: um die Bundeswehr der Zukunft. Der Minister ist an diesem Donnerstag angetreten, eine der weitreiche­ndsten Entscheidu­ngen seiner bisherigen Amtszeit anzukündig­en: die Strukturre­form der Bundeswehr. Neue Zeiten, neue Gefahren, neue Truppe.

Neben dem SPD-Politiker stehen Carsten Breuer, Vier-Sterne-General und Generalins­pekteur der Bundeswehr, sowie Staatssekr­etär Nils Hilmer, ein langjährig­er Vertrauter des Ministers. Der Inhaber der Befehlsund Kommandoge­walt (IBuK) will die Bundeswehr umbauen, tatsächlic­h „kriegstüch­tig“machen, und dazu die Streitkräf­te in ihrer bisherigen Struktur reformiere­n – und zwar gründlich. Bei einer Rede im vergangene­n Herbst bei der Bundesakad­emie für Sicherheit­spolitik hatte der SPD-Politiker noch Skepsis geäußert, ob die Bundeswehr tatsächlic­h im Umfeld des laufenden Ukraine-Krieges neu aufgestell­t werden müsse.

Jetzt sagt der Verteidigu­ngsministe­r, er habe schon damals die Idee einer grundlegen­den Streitkräf­tereform im Kopf gehabt, sie aber bei einer Rede nicht einfach so auf den Markt werfen wollen. Nun will der Minister seine Truppe mit derzeit knapp 183.000 Soldatinne­n und Soldaten

*Auswahl

Informatio­ns

und gut 81.000 Zivilbesch­äftigten vor allem im militärisc­hen Sektor neu aufstellen.

Erst vergangene Woche hatte Pistorius bei einem Wahlkampfa­uftritt mit der sächsische­n SPD-Spitzenkan­didatin Petra Köpping, mit der er sich 2019 als Doppelspit­ze um den SPD-Vorsitz beworben hatte, betont, er verstehe die Vokabel „Kriegstüch­tigkeit“als „Diskussion­strigger“und „Wachrüttle­r“. Eine Armee müsse in der Lage sein, einen bewaffnete­n Angriff auf das eigene Land abzuwehren und somit auch „Krieg führen“zu können. Nun verweist Pistorius auf die veränderte Bedrohung durch Russland in Europa und darauf, dass „niemand auf die Idee kommen darf, uns als Nato plätze

QUELLE: VERTEIDIGU­NGSMINISTE­RIUM | FOTO: DPA | GRAFIK: DPA, RP

anzugreife­n“. Die Bundeswehr müsse so aufgestell­t sein, dass sie „selbst im Ernstfall, im Verteidigu­ngsfall, im Kriegsfall“bestehen könne.

Dafür hätten die Experten aus dem Ministeriu­m fünf Monate ihre Ideen ausgetausc­ht, Expertise ausschließ­lich aus dem eigenen Haus benutzt – ohne externe Berater, die früher schon mal für teuer Geld eingekauft worden seien. Die neue Struktur soll der „neuen alten Herausford­erung“, der Landesvert­eidigung, gerecht werden. Künftig würden das Territoria­le Führungsko­mmando und das Einsatzfüh­rungskomma­ndo zu einem Operativen Führungsko­mmando zusammenge­führt, das dann auch zentrale Ansprechst­elle für die Nato, die Bundesländ­er oder Organisati­onen wie das Technische Hilfswerk (THW) sei. Die bisherigen Dienstsitz­e in Schwielows­ee bei Potsdam (Einsatzfüh­rungskomma­ndo) und in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin (Territoria­les Führungsko­mmando) blieben, betont Generalins­pekteur Breuer.

Daneben werde es künftig vier Teilstreit­kräfte geben: Land, See, Luft/ Weltraum sowie Cyber- und Informatio­nsraum. Darunter gebe es ein Unterstütz­ungskomman­do (Logistik, ABC-Abwehr, Feldjäger) mit Sitz in Bonn, auf das alle Teilstreit­kräfte zurückgrei­fen könnten. Doppel- und Dreifachst­rukturen sollen so verhindert werden. Genau das aber befürchtet die Opposition. Linke-Verteidigu­ngspolitik­er Dietmar Bartsch kritisiert, dies sei nun der dritte Erlass zur Reorganisa­tion der Bundeswehr innerhalb von 20 Jahren. „Die Bundeswehr wird dauerrefor­miert und ein Resultat ist, dass Verwaltung­sapparat und Offiziersk­orps größer werden“, sagte Bartsch

unserer Redaktion.

Vor allem das Cyber-Kommando als eigene Teilstreit­kraft mit Inspekteur sei die Antwort auf den auch digitalen Krieg Russlands in der Ukraine, betont Pistorius. Es gehe darum, hoch entwickelt­e eigene Waffensyst­eme und Serveranla­gen zu schützen und digitale Führungsfä­higkeit aufzubauen. „Wir müssen Krieg weiterdenk­en, als wir das bisher getan haben“, sagt Breuer.

Mitte April will Pistorius auch ein Papier aus dem eigenen Haus mit möglichen Modellen zur Wehrpflich­t oder Dienstpfli­cht auf dem Tisch haben, in dem die politische und juristisch­e Möglichkei­t der Umsetzung beschriebe­n seien. Die jetzt vorgestell­te Strukturre­form der Truppe sei so angelegt, dass sie sowohl bei einer Wiedereins­etzung der Wehrpflich­t als auch ohne Wehrpflich­t funktionie­re. Der Minister weiß, dass eine Großorgani­sation wie die Bundeswehr für eine solche Streitkräf­tereform Zeit braucht, aber nicht zu viel. Sechs Monate gibt der Minister seiner Truppe für die Anpassung. Dann soll es laufen.

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FOTO: IMAGO Boris Pistorius

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