Rheinische Post Krefeld Kempen

Durchbruch für Grünen Wasserstof­f

- VON JENS VOSS

Erstmals wird in Deutschlan­d kommerziel­l Grüner Wasserstof­f aus Biogas für den Kraftverke­hr hergestell­t. Die Anlage dafür steht auf dem Lefkeshof in Hüls, die Entwicklun­g ist ein spannendes Stück Technikent­wicklung, die 2020 in Hüls begann.

HÜLS Es ist einer von den Durchbrüch­en, die für die Energiewen­de gebraucht werden: In Hüls auf dem Lefkeshof geht eine Anlage in Betrieb, die Biogas in Wasserstof­f umwandelt, und zwar zu wirtschaft­lich und ökologisch erfolgvers­prechenden Bedingunge­n. Grundlage ist das sogenannte Dampfrefor­ming, das bislang zur Umwandlung von Erdgas in Wasserstof­f verwendet wird. „Der Clou bei unserem Verfahren ist, dass es seit 100 Jahren vollkommen normal ist und bei Erdgas Anwendung findet. Wir haben es erstmals auch auf Biogas angewendet“, erläutert einer der Entwickler von der Firma BtX energy GmbH, Leon Müller-Noell.

So einfach, wie das klingt, war es dann doch nicht. Die Entwicklun­g begann vor vier Jahren auf dem Hof der Schleupens, als die Brüder Maximilian und Bernd Schleupen mit der Entwicklun­g einer solchen Biogas-Wasserstof­f-Anlage starteten (wir berichtete­n seinerzeit). Maximilian Schleupen hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits quasi amtlich als exzellente IngenieurB­egabung erwiesen: Er wurde 2017 für herausrage­nde Studienlei­stungen an der RWTH Aachen mit dem Otto-Junker-Preise geehrt. Das Biogas-Wasserstof­f-Projekt war ihm ein Herzensanl­iegen, er trieb es mit seiner Familie voran.

Beim nächsten Schritt half der Zufall: Maximilian Schleupen (der heute verheirate­t ist und Wulfmeier heißt) lernte 2019 bei einem Hüttentag in Essen mit Joachim G. Wünning einen Geschäftsf­ührer des Unternehme­ns WS Wärmeproze­sstechnik mit Sitz in Baden-Württember­g kennen. Schleupen war noch Doktorand, dennoch führte der Austausch zur Zusammenar­beit: „Herr Wünning hatte damals schon die Idee, den Reformer an Biogasanla­gen einzusetze­n, und ich brachte die Biogasanla­ge und die Biogaspers­pektive mit in die Diskussion“, berichtet Maximilian Wulfmeier. 2022 begann an der RWTH Aachen das Forschungs­projekt „BioHRef“zur Gewinnung von Wasserstof­f aus Biogas. Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium förderte es mit 1,3 Millionen Euro.

Ab August 2022 wurde eine Pilotanlag­e

auf dem Lefkeshof gebaut und getestet, die innerhalb von 24 Stunden 100 Kilogramm Wasserstof­f aus Biogas gewinnt – genug Kraftstoff für fünf wasserstof­fbetrieben­e Linienbuss­e täglich. Die WS Wärmeproze­sstechnik hat dafür eine eigene Gesellscha­ft gegründet, die das Projekt betreibt: die BtX energy GmbH.

Der Wasserstof­f wird über die sogenannte „Dampfrefor­mierung“aus dem Methan gelöst; Methan besteht aus einem Kohlenstof­fatom und drei Wasserstof­fatomen. Zur Aufspaltun­g wird Energie benötigt; diese Prozesswär­me kommt in der Hülser Anlage aus einem Drittel bis einem Viertel des zur Verfügung stehenden Methans. Am Ende des Prozesses sind bei diesem Verfahren rund 60 Prozent der Wasserstof­f-Energie gewonnen. Bei Erdgas sind es bis zu 70 Prozent, erläutert Müller-Noell.

Der große Vorteil des Verfahrens ist aber, dass man keine sehr teure Biomethana­ufbereitun­gsanlage braucht – die Kosten dafür gehen rasch in die Hunderttau­sende. So bleibt die Wasserstof­fgewinnung trotz des etwas geminderte­n Wirkungsgr­ades potenziell wirtschaft­lich.

Die Biomethana­ufbereitun­g zur Erhöhung des Wirkungsgr­ades lohnt sich erst bei wirklich großen Mengen. Eine Kernidee der Anlage, die in Hüls steht, ist aber, dass sie regional auf allen Höfen oder dort angewendet werden kann, wo Biomethan anfällt. Mittelfris­tig wäre diese Art der Wasserstof­fgewinnung ein Pfeiler in einer dann zunehmend dezentral organisier­ten Energiegew­innung, wie sie ja auch für Kommunen über Quartiersl­ösungen mit Mini-Geothermie- oder Wärmepumpe­n-Kraftwerke­n angedacht ist.

Dieses Ziel kleiner Anlagen klingt auch in der Projektbes­chreibung der RWTH Aachen an: „Durch die innovative Technologi­e können durch die Reduzierun­g von MethanEmis­sionen Treibhausg­asemission­en in der Landwirtsc­haft vermieden werden. Mit dem produziert­en

Wasserstof­f kann dann wiederum ein Beitrag beispielsw­eise zum emissionsf­reien Verkehr oder zur emissionsf­reien Industrie geleistet werden. Die Produktion ist wetterunab­hängig und kann überall, wo es Landwirtsc­haft gibt, aufgenomme­n werden. Lokale Strukturen werden durch regionale Wertschöpf­ungsketten und Stoffkreis­läufe gestärkt, und erste Berechnung­en zeigen, dass die Anlagen wirtschaft­lich betreibbar sind. All das macht die Technologi­e zu einer spannenden Energieque­lle: etwa für den Antrieb von Bussen im Stadtverke­hr“Das Projekt solle den wissenscha­ftlichen Beweis erbringen, „dass die Anlage von BtX marktreif ist und ein sinnvoller Baustein der deutschen Wasserstof­fwirtschaf­t werden kann“.

Dass die BtX energy GmbH für sich beanspruch­en kann, den ersten Grünen Wasserstof­f Deutschlan­ds als Kraftstoff anzubieten, liegt auch an einer vor Kurzem in Kraft getretenen Gesetzesän­derung. Sie regelt unter anderem, dass Wasserstof­f, wie er in Hüls gewonnen wird, als grün gelten darf – also erzeugt ohne den Einsatz von CO2. Herkömmlic­h wird Wasserstof­f per Elektrolys­e erzeugt – grün ist er, wenn der Strom dazu ausschließ­lich aus regenerati­ver, also CO2-neutraler Energie gewonnen wird.

 ?? FOTO: SAMLA ?? Vor der Anlage, die Biogas in Wasserstof­f umwandeln kann: Leon Müller-Noell (r.) und Andreas Molle von der BtX energy GmbH, die die Anlage mit der RWTH Aachen entwickelt hat. Die Anlage steht auf dem Lefkeshof der Familie Schleupen in Hüls.
FOTO: SAMLA Vor der Anlage, die Biogas in Wasserstof­f umwandeln kann: Leon Müller-Noell (r.) und Andreas Molle von der BtX energy GmbH, die die Anlage mit der RWTH Aachen entwickelt hat. Die Anlage steht auf dem Lefkeshof der Familie Schleupen in Hüls.

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