Rheinische Post Krefeld Kempen
Bestsellerautor der alten Bundesrepublik
Zum 100. Geburtstag von Johannes Mario Simmel würdigt eine Biografie den erfolgreichen Schriftsteller.
Gebrauchsschriftsteller, Trivialautor oder doch Chronist seiner Zeit? Der österreichische Schriftsteller Johannes Mario Simmel (1924–2009) war ein Bestsellerautor der Bundesrepublik der Nachkriegszeit. Zu seinem 100. Geburtstag am 7. April hat Claudia Graf-Grossmann nun die erste Biografie des Autors verfasst. Titel: „Mich wundert, dass ich so fröhlich bin“. Eigentlich hatte der Erfolgsautor jeden Grund, fröhlich zu sein. Nach dem Krieg arbeitete er erst in Österreich, dann in Deutschland als Journalist und Schriftsteller. 1960 kam der Durchbruch mit „Es muss nicht immer Kaviar sein“. Es folgten bis 1999 weitere Romane mit ähnlich schmissigen Titeln wie „Gott schützt die Liebenden“, „Liebe ist nur ein Wort“, „Und Jimmy ging zum Regenbogen“oder „Der Stoff, aus dem die Träume sind“.
Der Linkshänder Simmel tippte sie alle auf einer mechanischen Schreibmaschine, einer Gabriele der Marke Triumph. Pro Buch verschliss er eines der Geräte. Als das Modell eingestellt wurde, kaufte er den restlichen Bestand vorsichtshalber auf. Er soll noch 20 Schreibmaschinen besessen haben, als er nicht mehr in der Lage war zu schreiben.
Jedes Buch hat eine eigene Liebesgeschichte, die die Handlung auflockern sollte und für die nötige Prise Menschlichkeit sorgte, wenn das Thema apokalyptisch wurde, erklärt Graf-Grossmann. Für den Autor habe die Liebe „stets Zukunft und Glauben an eine bessere Welt“bedeutet, so die Biografin. Simmels Romane haben sich mehr als 70 Millionen Mal verkauft, sie erschienen in mehr als 30 Ländern und wurden meist auch verfilmt. Von der Literaturkritik wurde er erst Ende der 1980er-Jahre ernst genommen, als sein Roman „Doch mit den Clowns kamen die Tränen“erschien. Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki spendete ihm ein vielleicht vergiftetes Lob: „Simmel hat wie kaum ein anderer zeitgenössischer Autor einen fabelhaften Blick für Themen, Probleme, Motive.“Mit dem Erfolg kam der Wohlstand, den Simmel in vollen Zügen genoss. Eine Wohnung in Monte Carlo, später ein Zuhause in der Schweiz. Besonders gerne verschenkte der Autor üppige Rosensträuße, wie auch seine späte Lebensfreundin, die Schauspielerin Iris Berben, im Vorwort der Biografie erwähnt.
Was Simmel und Berben verband: der Kampf gegen die Nazis. „Ich will nicht in einem Land leben, in dem die Scheiß-Nazis durchs Brandenburger
Tor marschieren“, sagte er im Gespräch mit dem Autor Volker Weidemann kurz vor seinem Tod. Simmels Vater Walter stammte aus einer jüdischen Familie und konnte nach dem sogenannten Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 nach England fliehen.
In seinem Testament hatte Simmel verfügt, dass seine Tagebücher, Korrespondenzen und Manuskripte bis 2079 gesperrt bleiben. Sie liegen in der Johannes Mario Simmel Collection der Universität Boston. Erst eine spätere Generation kann dann eventuelle Geheimnisse jenes Autors lüften, der wie kein zweiter den Sound der alten Bundesrepublik geprägt hat. (kna)
Info Claudia Graf-Grossmann: „Mich wundert, dass ich so fröhlich bin“, Droemer Verlag, München 2024, 335 Seiten, 28 Euro