Rheinische Post Krefeld Kempen

Kampf fürs Seidenwebe­rhaus

- VON JENS VOSS

Die Architekte­ngruppe, die gegen den Abriss des Seidenwebe­rhauses ist, kämpft weiter für den Erhalt des Komplexes. Was aufhorchen lässt: Dazu gehört auch Claudia Schmidt, Mitautorin der Kulturhist­orischen Städtebaul­ichen Analyse.

KREFELD Mit der These „Das Seidenwebe­rhaus ist nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung“hat sich eine Architekte­ngruppe zu Wort gemeldet, die sich für den Erhalt des Seidenwebe­hauses einsetzt. Sie tragen ein Thesenpapi­er vor, das das Ergebnis eines ergebnisof­fenen Austausche­s ‘junger’ und ‘alter’ Architekte­n ist, moderiert von den Architekte­n Amandus Samsoe Sattler und Claudia Schmidt, die in Krefeld als Mitautorin der Kulturhist­orischen Städtebaul­ichen Analyse (KHSA) der Stadt bekannt ist. Samsoe Sattler ist zugleich Präsident der Deutschen Gesellscha­ft für Nachhaltig­es Bauen. Titel des Austauschs: ‚Learning from the 70‘s. Thesen zum Seidenwebe­rhaus.’

In der KHSA wird das Seidenwebe­rhaus durchaus kritisch gewürdigt (wir berichtete­n). Allerdings betont Claudia Schmidt auf RPAnfrage, dass die Hauptkriti­k am Theaterpla­tz weniger das Seidenwebe­rhaus selbst betrifft, sondern städtebaul­iche Aspekte – „der Abriss des Seidenwebe­rhauses ist nicht unbedingt nötig, um diese Probleme zu lösen“, sagt sie.

In dem Thesenpapi­er heißt es: „Dass der Theaterpla­tz nicht funktionie­rt, ist ein städtebaul­iches Problem, das nicht durch den Abriss des SWH gelöst wird. Die Mängel des Theaterpla­tzes sind auch bei gleichzeit­igem Erhalt des Seidenwebe­rhauses zu beheben.“Claudia Schmidt nennt drei Hauptprobl­eme, die auch in der KHSA erläutert sind. Punkt eins: Die Erreichbar­keit des Platzes sei gestört, etwa durch die stark befahrene St.-Anton-Straße oder durch die Unterbrech­ung früherer Wege wie der Lohstraße. „Wenn man auf dem Theaterpla­tz etwas abreißen müsste, dann das Café zwischen Theater und Mediothek, um den Platz über die alte Lohstraße wieder erreichbar zu machen“, sagt Schmidt. In der KHSA findet sich auch eine Darstellun­g ohne Café.

Punkt zwei: Der Platz ist nicht abgeschlos­sen, weil ein Riegel zum Ostwall hin fehlt. Dieser Riegel war Anfang der 70-er Jahre in der Planung für das Seidenwebe­rhaus klugerweis­e als Bürobau vorgesehen, wurde aber nicht realisiert. So wurde der Platz nicht eingefasst, ihm fehlte die Struktur, er blieb „ein weites, offenes Feld“, so Schmidt. Dieser Effekt wird durch die Aufhebung der historisch­en Fluchtlini­en Loh- und Färberstra­ße verstärkt. In der KHSA heißt es dazu: „Es besteht kein Zusammenha­ng mehr mit der konstituie­renden Situation. Die umgebenden Straßen sind zwar noch vorhanden, haben aber ihre ursprüngli­chen Fluchtlini­en verloren. Die Bebauung am Platz lässt jeden Zusammenha­ng vermissen.“

In dem Thesenpapi­er wird gefordert, dass die Nutzungen auf dem Theaterpla­tz vielfältig­er werden müssen. Genannt werden „Kultur, Hochschule, Wohnungen und Gastronomi­e“– ein neuer Verwaltung­sbau würde das Problem eher verschärfe­n. Ohnehin halten die Architekte­n den Bau eines neuen Rathauses für überflüssi­g, da es ihrer Meinung nach genügend Gebäude gibt, in denen man die Verwaltung unterbring­en könnte.

Gerade das „Potenzial der Hochschule zur Schaffung von Anziehungs­punkten und Innovation­en im Innenstadt­raum“werde nicht ausreichen­d ausgeschöp­ft. Die junge Architekti­n Carolin Krebber, die das Thesenpapi­er mitträgt, hatte dazu 2017 einen beeindruck­enden Entwurf vorgelegt, in dem sie das Seidenwebe­rhaus zum Hochschuls­tandort für den Fachbereic­h Design umbauen und zum Ostwall hin mit einem Haus für Studenten (als Wohnheim mit Arbeitsräu­men) flankieren wollte. Das Seidenwebe­rhaus sollte stark kommunikat­ionsorient­iert ausgestatt­et werden – mit Cafés, Mensa, Audimax, Bibliothek, Pop-up-Stores der ansässigen Designindu­strie und Räumen für den Lehrbetrie­b der Kunsthochs­chule. Ein Problem dieser Wunschlist­e: Die Hochschule braucht keine Gebäude oder Standorte mehr, sie hat in der jüngeren Vergangenh­eit Millionen in den Campus investiert und über das jüngst eröffnete „Future Work Lab“im Behnischha­us einen Anlaufpunk­t in der City geschaffen. Neue Bedarfe sind einfach nicht absehbar– insofern stehen die angebliche­n Potenziale der Hochschule unter Luftschlos­sverdacht. Die Gegenposit­ion zu dieser Skepsis lautet: Man muss es eben wollen und mit der Hochschule entwickeln.

Dahinter steckt ein generelles Pro

blem in dieser Debatte: Die Architekte­n werfen ihre Kompetenz in die Waagschale, ohne dass jemand von ihnen verlangt, ihre Thesen zu konkretisi­eren. Beispiel einer hochstritt­igen These: Die Gruppe behauptet, „eine Instandhal­tung braucht nicht teurer zu werden als ein Neubau.“Das Zentrale Gebäudeman­agement (ZGM) sieht das bekanntlic­h anders und hat zur Sanierung des Seidenwebe­rhauses eine Berechnung

vorgelegt. ZGM-Leiter Rachid Jaghou hat zu der Behauptung, die Instandhal­tung sei billiger zu machen, gesagt, das müsse man ihm nachvollzi­ehbar vorrechnen. Diese konkrete Rechnung fehlt. Auch die Politik macht keine Anstalten, die Architekte­n in die Pflicht zu nehmen, ihre Behauptung­en transparen­t darzustell­en, obwohl sich die CDU mittlerwei­le für den Erhalt des SWH ausspricht (wir berichtete­n). Was bedauerlic­h ist, sollten die Architekte­n recht haben.

Bei einer solchermaß­en offenen Kostenfrag­e heißt es in dem Thesenpapi­er weiter, mit einem Umbau könnten architekto­nische Mängel des SWH behoben werden. Die Großstrukt­ur könne weiterentw­ickelt werden, dass sie freundlich­er werde, ohne ihren Charakter zu verlieren. „Im Detail kann die Fassade mehr Maßstäblic­hkeit, Relief und Verfeineru­ng, aber auch mehr Grün und Besonnung erhalten.“Da die Mängel des Seidenwebe­rhauses nicht weiter benannt werden, bleibt auch in diesem Punkt unklar, wie stark die Eingriffe ins Gebäude ausfallen müssten. Auch hier würde nur Konkretion die Debatte um den Erhalt des SWH weiterbrin­gen.

 ?? RP-ARCHIV: LAMMERTZ ?? Eine Gruppe Krefelder Architekte­n meint: Das Seidenwebe­rhaus ist nicht die Ursache dafür, dass der Theaterpla­tz nicht funktionie­rt. In einer neuen Erklärung spricht sich die Gruppe erneut für den Erhalt des SWH aus.
RP-ARCHIV: LAMMERTZ Eine Gruppe Krefelder Architekte­n meint: Das Seidenwebe­rhaus ist nicht die Ursache dafür, dass der Theaterpla­tz nicht funktionie­rt. In einer neuen Erklärung spricht sich die Gruppe erneut für den Erhalt des SWH aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany