Rheinische Post Krefeld Kempen
Seidenweberhaus – Rätselraten um die KHSA
Der Seidenweberhaus-Krimi bleibt spannend: Nachdem eine Autorin der Kulturhistorischen Städtebaulichen Analyse für den Erhalt des Gebäudes ist, fragt sich, wie klar die Analyse eigentlich ist. Sie äußert auch massive Kritik an dem Bau.
KREFELD Sein oder nicht sein – so heißt es immer noch für das Seidenweberhaus in der Krefelder Innenstadt: Der CDU-Antrag für den Planungsausschuss, das Wettbewerbsverfahren für eine Neugestaltung des Theaterplatzes zu erweitern, ist in den Rat vertagt worden. Die CDU möchte erreichen, dass in dem Wettbewerb offenbleibt, ob der Theaterplatz mit oder ohne Seidenweberhaus überplant wird. CDU-Ratsherr Peter Vermeulen stellte klar, dass die CDU sich damit nicht pauschal für den Erhalt des Seidenweberhauses einsetze, sondern eben klären will, ob es auch vernünftige Perspektiven des Erhalts gibt. Sollten überzeugende Perspektiven ausbleiben, würden die Christdemokraten den Abriss mittragen.
Für Irritationen sorgte ein Thesenpapier, das am Mittwoch im Vorfeld des Ausschusses von einer Architektengruppe veröffentlicht wurde, die sich einmal mehr für den Erhalt des Seidenweberhauses ausspricht (wir berichteten). SPDRatsherr Jürgen Hengst zeigte sich irritiert bis verwundert, dass auch die Architektin Claudia Schmidt zu den Unterzeichnern gehört, die Mitautorin der Kulturhistorischen Städtebaulichen Analyse (KHSA) der Stadt Krefeld ist. Alle Gespräche und Passagen in der KHSA zum Seidenweberhaus hätten ihm, Hengst, bisher signalisiert, dass das Seidenweberhaus die historischen Strukturen der Innenstadt massiv störe. Das Beispiel zeige, dass man in allen Dingen zu unterschiedlichen Auffassungen kommen könne, „aber irgendwann muss man, wenn man diese Stadt nicht zugrunderichten will, auch zum Schwur kommen“. Er plädierte eindringlich dafür, den bislang gültigen Abrissbeschluss nicht zu kippen. „Wenn wir jetzt neu anfangen zu planen, dann dauert es mindestens zehn Jahre, bis wir eine neue Planung hinbekommen“, sagte er.
Ein Thema war auch die Frage, wie viele Arbeitsplätze das neu zu errichtende Technische Rathaus auf dem Theaterplatz vorhalten soll. Die Stadt hat dazu in ihrem Entwurf der Wettbewerbsausschreibung zur Überplanung des
Theaterplatzes nichts festgelegt. Man habe nicht zu viele Vorgaben machen wollen, lautete die Antwort von Planungsdezernent Beyer. Im Rathaus von Venlo liege die Quote bei 70 Prozent, so Beyer. Heißt: Das Rathaus hält für 70 Prozent der Mitarbeiter einen Arbeitsplatz vor; man geht demnach davon aus, dass 30 Prozent der Mitarbeiter wegen Urlaub, Krankheit, Fortbildung oder anderer Gründen nicht an ihrem Arbeitsplatz sind.
Die Dimension für Krefeld lässt sich erahnen. Rachid Jaghou, Leiter Zentrales Gebäudemanagement, erläuterte, dass die Stadt an 18 angemieteten Standorten städtische Mitarbeiter unterbringe; dafür fielen zwölf Millionen Euro Mieten pro Jahr an. Eine Nachfrage bei der Stadt ergab, dass insgesamt 1900 städtische Mitarbeiter auf diese Weise extern untergebracht sind. Jaghou betonte, dass etwa ab 2030 Mietvertragsverlängerungen anstehen, sodass es gut wäre, perspektivisch in ein neues Rathaus einziehen zu können, um die Mieten einzusparen.
Die Sitzung des Planungsausschusses wirft ein Schlaglicht auf die KHSA. Wie berichtet, lässt sich in der Kulturhistorischen Analyse zum einen direkte Kritik am Seidenweberhaus finden. Architektin Claudia Schmidt macht aber auch geltend, dass in der KHSA das Seidenweberhaus nicht als Hauptgrund für die städtebaulichen Probleme des Theaterplatzes genannt werde. Wenn der Theaterplatz also als „negativ-dissonant“bewertet wird, dann im Sinne von Schmidt nicht ursächlich wegen des Seidenweberhauses – eher schon deshalb, weil die ursprüngliche Planung zum Seidenweberhaus, die noch ein Gebäude zum Ostwall hin vorsah, nicht umgesetzt wurde. Die Passage dazu lautet:
„Weder das Ensemble der Wiederaufbauplanung mit dem Theater als Fokuspunkt eines klar definierten öffentlichen Raumes, noch das 70er-Jahr-Ensemble des Seidenweberhauses mit der Blockrandbebauung am Ostwall wurden vollständig realisiert. Mit der Mediothek wurde der Bebauung wiederum eine neue Entwurfshaltung hinzugefügt, die in der Summe mit der restlichen Bebauung kein zusammenhängendes Ensemble darstellt.“
Unterm Strich ist die KHSA also, was den Abriss des Seidenweberhauses angeht, nicht eindeutig und sogar widersprüchlich. Das Seidenweberhaus
wird einerseits direkt scharf kritisiert. So wird es in einer Karte als „strukturfremde Bebauung“markiert und folgendermaßen beschrieben: als Gebäude, das derart von den Grundprinzipien der konstituierenden Zeitschichten abweicht, dass es zu einer schweren Beeinträchtigung des räumlichen Zusammenhangs kommt.
Andererseits wird das Gebäude nicht direkt als Hauptursache für die städtebaulichen Probleme des Theaterplatzes benannt. Was gilt denn nun, was ist wichtiger und ausschlaggebend für die Entscheidung „Abriss ja oder nein“?
Es stellt sich heraus, dass die KHSA darauf keine eindeutige Antwort gibt. Gewichten, welche Passage über das Seidenweberhaus maßgeblich sind, muss am Ende doch die Politik.