Rheinische Post Krefeld Kempen
Der Seidenweberhaus-Moment
Die Öffentlichkeit ist gerade Zeuge geworden, wie ein Buch erwachsen wird und sich von seinen Autoren löst. Claudia Schmidt, Mitautorin der Kulturhistorischen Städtebaulichen Analyse (KHSA), hat sich bekanntlich für den Erhalt des Seidenweberhauses (SWH) ausgesprochen und sich auch auf die KHSA berufen: Das Seidenweberhaus werde darin nicht als Hauptproblem des Theaterplatzes genannt. Zugleich finden sich in der KHSA harte Sätze über das Gebäude: „Strukturfremde Bebauung“lautet das Urteil.
Damit richtet sich das Buch in diesem Punkt gegen seine Autorin: Wer das SWH erhalten will, kann sich nicht ernsthaft auf diese KHSA berufen. Die spricht für einen Neuanfang auf dem Theaterplatz. Nun ist es ehrenwert, nachhaltiges Bauen zu fordern. Doch nachhaltig wäre nur ein Modell: Der Eiermannbau bleibt Rathaus und wird saniert, das SWH bleibt Veranstaltungshalle und wird saniert – koste es, was es wolle. Nur so könnte man den Neubau weiterer Gebäude und damit den Verbrauch neuer grauer Energie verhindern und die alte graue Energie im SWH und im Eiermann-Bau CO2-schonend weiternutzen.
Die anderen Modelle sind dramatisch inkonsequent: Wer das Seidenweberhaus erhalten plus ein neues Rathaus plus eine neue
Veranstaltungshalle bauen will, der wird am Ende sowohl neues CO2 als auch Geld in Hülle und Fülle zum Fenster rausjagen.
Die Beiträge der Architektengruppe, die das Seidenweberhaus erhalten will, sind von zu vielen Unbekannten geprägt, um eine Alternative zu sein. Mal soll der Eiermannbau saniert, mal das Kaufhofund das Primarkgebäude für die Verwaltung genutzt werden. Doch es steht in den Sternen, ob und zu welchen Konditionen die Eigentümer die beiden Gebäude verkaufen wollen. So plant man nicht – so träumt man.
Am ehesten realistisch erscheint die Sanierung des Eiermannbaus. Dort stehen immerhin Investoren bereit, die den Bau als Büroturm erhalten wollen. Bitte was? Die Stadt ist bei dem Versuch, den Bau zu sanieren, krachend gescheitert. Und Private schaffen das jetzt? Einmal mehr fragt sich, woran genau seinerzeit die Pläne zur Ertüchtigung des Eiermannbaus gescheitert sind. Die Geschichte bleibt nebulös. Doch diese Perspektive – den Eiermannbau doch als Rathaus zu bewahren – ist im Rat ohnehin mausetot.
Unterm Strich bleibt es bei zwei Alternativen: Abriss des Seidenweberhauses gemäß KHSA. Oder Sanierung von SWH und Eiermannbau bei Verzicht auf Kesselhaus und Rathaus-Neubau. Die KHSA wäre dann folgenlos: ein Fall für die Schublade.