Rheinische Post Krefeld Kempen

Die „Schwanenmu­tter“vom Elfrather See

- VON BÄRBEL KLEINELSEN

Sie ist fast täglich im Naturschut­zgebiet unterwegs und kümmert sich um Flora und Fauna. Besonders die Schwäne haben es Brigitte Magerstedt angetan. Zu Schwanenma­nn Alfi hat sie eine besonders intensive Beziehung.

KREFELD Mit einer langen Greifzange sucht die zierliche Frau das Ufer des Elfrather Sees ab. Vom Wasser aus nähert sich ein prächtiger Schwan. Ohne Scheu kommt der weiße Vogel ans Ufer und zupft mit seinem Schnabel energisch an der Jacke von Naturschüt­zerin Brigitte Magerstedt. Die Uerdingeri­n hat den Schwanenma­nn „Alf“getauft, ruft ihn liebevoll auch „Alfi“. Seit über acht Jahren kümmert sich die 67-Jährige intensiv um die Wasservöge­l. Der „Schwanenmu­tter“vom Elfrather See sind ihre Schützling­e längst ans Herz gewachsen.

Gut in Erinnerung ist ihr auch nach zwei Jahren noch der Tod von „Mutti“, einer Schwänin, die sie und ihr Mann Werner mit einem rostigen Angelhaken im Hals gefunden hatten (wir berichtete­n). Verzweifel­t versuchte das Ehepaar die Mutter von vier erst kurz zuvor geschlüpft­en Küken zu retten. Doch: „Mutti ist im Tierheim, in das man sie gebracht hatte, gestorben, wahrschein­lich an einer Blutvergif­tung“, erinnert sich Brigitte Magerstedt und klingt traurig.

Langjährig­er Partner an „Muttis“Seite und Vater der Küken war „Alf“. Mit Hilfe der Tierschütz­er schaffte es der Schwanenva­ter, seine Kleinen auch ohne weibliche Unterstütz­ung groß zu ziehen. „Aber er hat unheimlich lange getrauert. Es tat richtig weh zu sehen, wie sehr ihm die Partnerin fehlte“, sagt Brigitte Magerstedt.

Auch aktuell macht sie sich Sorgen um „ihren“Schwan, der nicht so häufig wie üblich zu sehen ist. Mit geschätzte­n 16 Jahren hat er allerdings schon ein reifes Alter erreicht. Trotzdem war er bis vor kurzem noch topfit. „Vielleicht liegt es auch am Hochwasser. Da kommt er nicht so gut an die Schlingpfl­anzen“, überlegt Brigitte Magerstedt.

“Alfi“ist jetzt mit Schwänin „Ute“zusammen, mit der er vergangene­s Jahr Schwanen-Sohn „Tim“aufzog. Das junge, vielleicht fünf Jahre alte Weibchen hatte sich nach dem tragischen Tod von „Mutti“um „Alf“bemüht und im Jahr darauf mit ihm gebrütet. „Davor war sie gut zwei Jahre lang mit Floh zusammen, einem ebenfalls jungen Schwan, zu dem ich eine ganz besondere Beziehung habe“, erzählt die Uerdingeri­n, die auch im Naturschut­zbund aktiv ist.

2019 hatten sie und ihr Mann das verletzte Tier entdeckt. Ein Angelhaken steckte im Körper des Vogels, die Schnur war deutlich zu sehen. „Es sind so viele Spaziergän­ger vorbei gegangen, die das gesehen und kommentier­t haben, trotzdem hat keiner geholfen“, regt sich Brigitte Magerstedt noch heute auf. Das Ehepaar brachte den Schwan, den sie „Floh“nannten, in eine Tierklinik und päppelte ihn anschließe­nd am See wieder auf. Dabei wurden sie aufmerksam von „Alf“und „Mutti“beobachtet. „Die beiden haben genau gewusst, was wir machen, und uns den jungen Schwan immer wieder gebracht“, erinnert sich die 67-Jährige. „Floh“überlebte und schloss sich eng an Brigitte Magerstedt an, die ihn als ihr

„Krafttier“bezeichnet, denn „wenn es mir mal nicht so gut ging, dann hat mir Flöhchen Zuversicht und Kraft gegeben.“

Seit der Jagd auf die Wildgänse jedoch ist „Floh“verschwund­en. Die Tierfreund­in macht sich große Sorgen, will aber auch nicht das Schlimmste annehmen. „Vielleicht hat er ein Weibchen gefunden und kommt deswegen nicht“, sagt sie und hofft das Beste. Möglicherw­eise hat sich der Schwan auch vor den Schüssen erschreckt und deswegen zurückgezo­gen. „Floh“ist sensibel, das weiß die 67-Jährige, und erinnert sich daran, dass er tagelang nichts fressen wollte, als sein erstes Weibchen verschimme­ltes Brot fraß, das Menschen auf der Wiese als Futter verstreut hatten, und daran elend zugrunde ging. „Ich habe damals so getan, als wollte ich Floh das Futter wegfressen. Darüber habe ich ihn gekriegt“, sagt Brigitte Magerstedt.

Nicht nur die Schwäne liegen der Naturschüt­zerin am Herzen, auch

die Störche beobachten sie und ihr Mann genau. Sehr zur Freude des Ehepaars brüten auch in diesem Jahr wieder Paare in Traar und an der Nieper Straße. 2023 konnte der erste Bruterfolg in Krefeld seit 100 Jahren gemeldet werden.

Fast täglich macht die Uerdingeri­n ihren gut vier Kilometer langen Rundgang, auf dem sie seit Jahren gut drei bis vier Tüten Müll aufsammelt. Aus dem Wasser fischt sie Bierversch­lüsse, Feuerzeuge oder auch Plastikfla­schen, am Ufer findet sie häufig Zigaretten­kippen und Glasscherb­en. „Das ist nicht nur für die Umwelt schlecht, sondern auch für die Tiere, die sich an den scharfen Kanten der Bierversch­lüsse oder an den Scherben verletzen“, sagt die Tierschütz­erin verärgert.

„Katastroph­al“sei auch die Situation mit den frei laufenden Hunden, sagt sie. Auch wenn die Besitzer versichert­en, ihr Tier würde nichts tun, jage der Hund im Endeffekt doch die Wasservöge­l oder störe sie beim Brüten. „Viele Hunde hören einfach nicht. Und die Halter werden häufig sogar noch unverschäm­t, wenn man sie bittet, den Hund an die Leine zu nehmen“, ist ihre Erfahrung.

Doch Brigitte Magerstedt wird nicht aufgeben und auch weiterhin ehrenamtli­ch viel Kraft und Zeit investiere­n, um Flora und Fauna am Elfrather See zu schützen. Damit „Alfi“, „Ute“und hoffentlic­h auch „Floh“weiterhin ein artgerecht­es Schwanen-Leben führen können.

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FOTOS (2): GITTE ZIKOLL Brigitte Magerstedt kümmert sich seit über acht Jahren um Schwan „Alf“.
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Die Tierschütz­erin ist fast täglich am Elfrather See und sammelt auf den Wiesen und im Wasser tütenweise Müll ein.
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ARCHIVFOTO: FORSTREUTE­R Schwänin „Mutti“hatte 2022 einen rostigen Angelhaken im Hals. Sie kam schwer verletzt ins Tierheim, wo sie kurze Zeit später verendete.

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