Rheinische Post Krefeld Kempen
Schick leben mit Design aus Dünkirchen
Ein Bett, in dem man nicht liegen kann, ein Herd, auf dem nichts kocht, aber Kunst, auf der man sitzen oder kickern kann: Das ist in der neuen Ausstellung in den Museumsvillen zu erleben.
KREFELD Kunst und Design, das sind die beiden großen Bereiche, die jetzt in den Villen Haus Esters und Haus Lange zu sehen sind: „Museum grenzenlos. Kunst – Design | Dunquerque – Krefeld“zeigt ausschließlich Leihgaben aus der Partnerstadt Dünkirchen. „Die jetzt 50 Jahre bestehende Städtepartnerschaft zwischen Krefeld und Dünkirchen ist Anlass und Ausgangspunkt für die Präsentation“, sagt Katia Baudin, die Leiterin der Krefelder Kunstmuseen. Das Dünkirchener Museum, der so genannte Regionalfonds für zeitgenössische Kunst von Nordfrankreich, kurz FRAC Grand Large, besteht seit 1982 und ist in einem mit dem Pritzker-Architekturpreis ausgezeichneten ehemaligen Werftgebäude untergebracht. Der Schwerpunkt der Sammlung liegt auf den 1990er Jahren, weist aber auch zeitgenössische und frühere Positionen auf.
Baudin hat vor vielen Jahren selbst im FRAC gearbeitet und steht im regen Kontakt mit der dortigen Direktorin Keren Detton. Sie sagt: „Wir teilen eine Vision“, und bescheinigt andererseits ihrer Sammlung Einzigartigkeit auch in der französischen Museumslandschaft.
Keren Detton sieht ihre Hauptaufgabe darin, die Sammlung zu zeigen - auch in Außenräumen. So steht zum Beispiel eine spaßige Installation von Tobias Rehberger auf der Terrasse von Haus Esters: Große hellblaue und lichte Schüsseln, die mit Wasser gefüllt werden – eine kleine Badeanstalt mit Umzugskabinen, genannt ‚Seascapes’, aus dem Jahr 2000. In den Becken wird die Meerestemperatur verschiedener Küstenstädte der Welt in Echtzeit reproduziert. Das war damals, vor einem knappen Vierteljahrhundert, schon eine kleine Herausforderung für die Computer.
In der Villa versammeln sich verschiedene Objekte, die voller Humor, Ideen und Anregung stecken. Das Spielzimmer etwa ein Kicker, der auch benutzt werden darf. Die Partizipation ist Teil dieser Ausstellung und das Symbol einer Hand gestattet bei den entsprechenden Objekten das Anfassen und Benutzen. Auch bei Andrée Putmann, der legendären Designerin, die vor Jahren das Hotel in einem Kölner Wasserturm zum Pilgerort der Möbler und Entwerfer und der anspruchsvollen Kunden machte. Ihre Arbeit aus verschiebbaren Spiegelkacheln heißt ‚À vous de jouer‘ und meint: ‚Sie sind am Zug’ – hier können Sie spielen.
Die Arbeit Putmans hängt in der ‚Recreational Lounge‘ des Argentiniers von Rirkrit Tiravanija. Das Ensemble mit Kicker und Sitzecke erlaubt
Spielen und Sitzen – und Selbstbedienung am Kühlschrank. Tiravanija ist Vertreter der „esthétique relationnel“, Relationaler Ästhetik und bringt den Alltag ins Museum. Natürlich ist eine Berührung nicht bei allen Objekten ratsam: Wer sich zum Beispiel gern auf das knallorange Plüschbett werfen würde, täte sich weh. Die plüschige Installation von Sylvie Fleury ist auf hartes Sperrholz gezogen. Sie rekurriert mit ihrer Arbeit von 1997 auf Claes Oldenburg und zieht damit gleich eine Verbindung zu der vor der Haustür stehenden Zahnbürste von Oldenburg. Über all dem Orange schweben die lustigen ‚Speech Bubbles‘ von Philippe Parreno, 1997.
Mit ihren raumbezogenen Arbeiten knüpfen die Künstler und Entwerfer an die Tradition in den Mies-vander-Rohe-Villen an. Zum Beispiel die Installation von Stéphane Calais, die den Besucher am Eingang begrüßt. Die Wand ist schwarz-weiß
bemalt und vor ihr stehen drei kleine Aufbauten aus jeweils drei sich nach oben verjüngenden runden Scheiben, unifarbig und gestreift. Aus zweidimensionaler Zweifarbigkeit wird Dreidimensinales, ganz bunt. Der Künstler denkt dabei an Noten und Jetons – und man darf darauf sitzen.
Zum Mitmachen laden die Arbeiten von Celine Ahond ein. In ‚Au pied du mur, au pied de la lettre‘ – ‚Den
angeboten; in Kooperation mit der Marienschule entsteht nämlich unter Anleitung von Céline Condorelli ein Objekt für den Außenraum, das fünf Jahre in Krefeld verbleibt.
Ab November 2025 zeigt Krefeld im FRAC schließlich ausgesuchte Objekte der eigenen Sammlung. Dann erscheint auch eine Publikation.
Rücken zur Wand, buchstäblich‘ von 2018 versammelt sie Selbstgebasteltes aus Karton in einem Regal und bietet für die grüngestrichene Wand vis-à-vis das Aufnehmen von Videos und Selfies mit eben diesen Objekten an. Bei Beschädigung werden sie in Workshops durch neue, von anderen Besuchern produzierte Objekte ersetzt. So entsteht ein Kreislauf. Aus Interaktion sind die ‚Espacentres‘ der Griechin Nefeli Papadimouli entstanden. Sie hat Tänzerinnen gefilmt und die bei ihren Bewegungen entstehenden Zwischenräume als invertierte Silhuetten aus Sperrholz ausgesägt, sie jeweils in einer bunten Farbe angemalt und an der Wand aufgereiht. Das ist wie ein Puzzle ohne Lösung, denn es fehlen die Körper, die die Distanzen entstehen lassen.
Während Haus Esters einen Schwerpunkt auf das Verspielte, Humorvolle legt, geht es in der angrenzenden Villa mehr um den politischen und gesellschaftskritischen Aspekt der künstlerischen Entwürfe. Der rot blinkende Schriftzug ‚Please God Make Tomorrow Better‘ – ‚Bitte, Gott, mach den morgigen Tag besser’, 2008, vom Künstlerkollektiv ‚Claire Fontaine‘ kritisiert die Konsumgesellschaft und ist Ausdruck der Weltwirtschaftskrise. Die Schau bietet einen spannenden Blick auf die fließenden Grenzen zwischen Kunst und Design.