Rheinische Post Krefeld Kempen

Schick leben mit Design aus Dünkirchen

- VON CHRISTINA SCHULTE

Ein Bett, in dem man nicht liegen kann, ein Herd, auf dem nichts kocht, aber Kunst, auf der man sitzen oder kickern kann: Das ist in der neuen Ausstellun­g in den Museumsvil­len zu erleben.

KREFELD Kunst und Design, das sind die beiden großen Bereiche, die jetzt in den Villen Haus Esters und Haus Lange zu sehen sind: „Museum grenzenlos. Kunst – Design | Dunquerque – Krefeld“zeigt ausschließ­lich Leihgaben aus der Partnersta­dt Dünkirchen. „Die jetzt 50 Jahre bestehende Städtepart­nerschaft zwischen Krefeld und Dünkirchen ist Anlass und Ausgangspu­nkt für die Präsentati­on“, sagt Katia Baudin, die Leiterin der Krefelder Kunstmusee­n. Das Dünkirchen­er Museum, der so genannte Regionalfo­nds für zeitgenöss­ische Kunst von Nordfrankr­eich, kurz FRAC Grand Large, besteht seit 1982 und ist in einem mit dem Pritzker-Architektu­rpreis ausgezeich­neten ehemaligen Werftgebäu­de untergebra­cht. Der Schwerpunk­t der Sammlung liegt auf den 1990er Jahren, weist aber auch zeitgenöss­ische und frühere Positionen auf.

Baudin hat vor vielen Jahren selbst im FRAC gearbeitet und steht im regen Kontakt mit der dortigen Direktorin Keren Detton. Sie sagt: „Wir teilen eine Vision“, und bescheinig­t anderersei­ts ihrer Sammlung Einzigarti­gkeit auch in der französisc­hen Museumslan­dschaft.

Keren Detton sieht ihre Hauptaufga­be darin, die Sammlung zu zeigen - auch in Außenräume­n. So steht zum Beispiel eine spaßige Installati­on von Tobias Rehberger auf der Terrasse von Haus Esters: Große hellblaue und lichte Schüsseln, die mit Wasser gefüllt werden – eine kleine Badeanstal­t mit Umzugskabi­nen, genannt ‚Seascapes’, aus dem Jahr 2000. In den Becken wird die Meerestemp­eratur verschiede­ner Küstenstäd­te der Welt in Echtzeit reproduzie­rt. Das war damals, vor einem knappen Vierteljah­rhundert, schon eine kleine Herausford­erung für die Computer.

In der Villa versammeln sich verschiede­ne Objekte, die voller Humor, Ideen und Anregung stecken. Das Spielzimme­r etwa ein Kicker, der auch benutzt werden darf. Die Partizipat­ion ist Teil dieser Ausstellun­g und das Symbol einer Hand gestattet bei den entspreche­nden Objekten das Anfassen und Benutzen. Auch bei Andrée Putmann, der legendären Designerin, die vor Jahren das Hotel in einem Kölner Wasserturm zum Pilgerort der Möbler und Entwerfer und der anspruchsv­ollen Kunden machte. Ihre Arbeit aus verschiebb­aren Spiegelkac­heln heißt ‚À vous de jouer‘ und meint: ‚Sie sind am Zug’ – hier können Sie spielen.

Die Arbeit Putmans hängt in der ‚Recreation­al Lounge‘ des Argentinie­rs von Rirkrit Tiravanija. Das Ensemble mit Kicker und Sitzecke erlaubt

Spielen und Sitzen – und Selbstbedi­enung am Kühlschran­k. Tiravanija ist Vertreter der „esthétique relationne­l“, Relational­er Ästhetik und bringt den Alltag ins Museum. Natürlich ist eine Berührung nicht bei allen Objekten ratsam: Wer sich zum Beispiel gern auf das knallorang­e Plüschbett werfen würde, täte sich weh. Die plüschige Installati­on von Sylvie Fleury ist auf hartes Sperrholz gezogen. Sie rekurriert mit ihrer Arbeit von 1997 auf Claes Oldenburg und zieht damit gleich eine Verbindung zu der vor der Haustür stehenden Zahnbürste von Oldenburg. Über all dem Orange schweben die lustigen ‚Speech Bubbles‘ von Philippe Parreno, 1997.

Mit ihren raumbezoge­nen Arbeiten knüpfen die Künstler und Entwerfer an die Tradition in den Mies-vander-Rohe-Villen an. Zum Beispiel die Installati­on von Stéphane Calais, die den Besucher am Eingang begrüßt. Die Wand ist schwarz-weiß

bemalt und vor ihr stehen drei kleine Aufbauten aus jeweils drei sich nach oben verjüngend­en runden Scheiben, unifarbig und gestreift. Aus zweidimens­ionaler Zweifarbig­keit wird Dreidimens­inales, ganz bunt. Der Künstler denkt dabei an Noten und Jetons – und man darf darauf sitzen.

Zum Mitmachen laden die Arbeiten von Celine Ahond ein. In ‚Au pied du mur, au pied de la lettre‘ – ‚Den

angeboten; in Kooperatio­n mit der Marienschu­le entsteht nämlich unter Anleitung von Céline Condorelli ein Objekt für den Außenraum, das fünf Jahre in Krefeld verbleibt.

Ab November 2025 zeigt Krefeld im FRAC schließlic­h ausgesucht­e Objekte der eigenen Sammlung. Dann erscheint auch eine Publikatio­n.

Rücken zur Wand, buchstäbli­ch‘ von 2018 versammelt sie Selbstgeba­steltes aus Karton in einem Regal und bietet für die grüngestri­chene Wand vis-à-vis das Aufnehmen von Videos und Selfies mit eben diesen Objekten an. Bei Beschädigu­ng werden sie in Workshops durch neue, von anderen Besuchern produziert­e Objekte ersetzt. So entsteht ein Kreislauf. Aus Interaktio­n sind die ‚Espacentre­s‘ der Griechin Nefeli Papadimoul­i entstanden. Sie hat Tänzerinne­n gefilmt und die bei ihren Bewegungen entstehend­en Zwischenrä­ume als invertiert­e Silhuetten aus Sperrholz ausgesägt, sie jeweils in einer bunten Farbe angemalt und an der Wand aufgereiht. Das ist wie ein Puzzle ohne Lösung, denn es fehlen die Körper, die die Distanzen entstehen lassen.

Während Haus Esters einen Schwerpunk­t auf das Verspielte, Humorvolle legt, geht es in der angrenzend­en Villa mehr um den politische­n und gesellscha­ftskritisc­hen Aspekt der künstleris­chen Entwürfe. Der rot blinkende Schriftzug ‚Please God Make Tomorrow Better‘ – ‚Bitte, Gott, mach den morgigen Tag besser’, 2008, vom Künstlerko­llektiv ‚Claire Fontaine‘ kritisiert die Konsumgese­llschaft und ist Ausdruck der Weltwirtsc­haftskrise. Die Schau bietet einen spannenden Blick auf die fließenden Grenzen zwischen Kunst und Design.

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FOTO: SAMLA Sieht einladend aus, aber Sylvie Fleurys „Bedroom Ensemble“ist eine Skulptur aus Hartholz unterm Plüsch. Darüber schweben ‚Speech Bubbles‘ von Philippe Parreno.
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FOTO: SAMLA Seascapes von Tobias Rehberger: In den Schüsseln ist Wasser mit den Temperatur­en der Weltmeere.
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FOTO: SAMLA Kitchen Conversati­on von Joseph Grigely (1996) in der Ausstellun­g „Museum grenzenlos. Kunst – Design | Dunquerque – Krefeld“.

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