Rheinische Post Krefeld Kempen
Leser vergeben die RP-Theater-Oscars
In Hollywood bestimmt eine Jury, wer einen Oscar bekommt. Bei der Wahl zu den RP-Theater-Oscars entscheidet das Publikum, wer und was am besten gefallen hat. Was Sie dazu wissen müssen.
KREFELD Es ist der Moment, auf den viele hinfiebern: „And the Oscar goes to...“Was Hollywood kann, das feiert auch das Publikum hier. Bewegende Momente, berührende Geschichten, Leistungen, bei denen sich vor Begeisterung die Härchen senkrecht stellen - das hat es in der zu Ende gehenden Spielzeit im Theater Krefeld und Mönchengladbach gegeben. Und dafür sollen die Menschen am Theater ausgezeichnet werden. Zum 22. Mal vergibt die Rheinische Post die Theater-Oscars. Die feierliche Verleihung findet am Montag, 24. Juni, ab 19.30 Uhr auf der Bühne des Theaters Krefeld statt. Wer eine Trophäe bekommt, entscheidet das Publikum - und zwar hemmungslos subjektiv. Es gibt keine Vorauswahl, keine Nominierungen: alle Produktionen und alle Akteurinnen und Akteure der Spielzeit 2023/24 stehen zur Wahl in zehn Kategorien: Beste/r Schauspieler/ in, Beste Sänger/in, Beste/r Tänzer/in, bestes Musiktheater, Bestes Schauspiel, Beste Tanzproduktion und Beste Ausstattung (Bühne und Kostüme). Ab sofort stehen Abstimmkarten und Boxen in den Foyers der beiden Theaterhäuser bereit.
Weil das Gedächtnis seinen Kurzzeitspeicher hin und wieder aufräumt, scrollen wir - ebenfalls ganz subjektiv - noch einmal durch ein paar Posten der Spielzeit.
Ein roter Faden war: alte Geschichten neu zu lesen. Ein antiker griechischer Stoff, 2400 Jahre alt, von einem englischen Dramatiker in die Gegenwart geholt und von Christoph Roos mit doppelten Ebenen inszeniert ist „Alles Weitere kennen Sie aus dem Kino“. Es zeigt, wie aus einer privaten Familientragödie eine politische Krise entsteht, die Eskalation von Machtgier, die keine Opfer scheut, und die Fragen, ob und wie Gewalt vermeidbar oder gerechtfertigt ist.
Nicht ganz so alt, aber ebenfalls eine Legende ist die Geschichte vom einsamen Kapitän, der verflucht ist, ewig über die Weltmeere zu segeln. Nur die Liebe einer Frau kann ihn retten. Richard Wagners Oper „Der fliegende Holländer“ist mit opulentem Aufgebot im Orchestergraben, bei den Chören und bei den Solisten über die Bühnen gerauscht. Groß, gewaltig und gewagt. Denn hier zitierten die Kostüme nicht nur den „Fluch der Karibik“, hier stand statt des Seebären die weibliche Hauptfigur im Mittelpunkt.
Einen feministischen Blick hatten auch die Schwestern Beverly und Rebecca Blankenship. Ihre „Madama Butterfly“trieb nicht nur wegen der himmlischen Musik von Puccini Tränen in die Augen, sondern auch wegen des Leids der Cho Cho San, die nicht als aparte Geisha stilisiert war, sondern als junges, zartes Mädchen, das an Männer verkauft wird. Ungemein bewegend.
Um die Perspektive der Frau ging es ebefalls in Gounods Oper „Margarethe“, die den Faust-Stoff mit Gretchen-Schwerpunkt behandelt. Große Oper auf engstem Raum: „Aida - der 5. Akt“. Stefan Heuckes Auftragsarbeit war ungewöhnlich. Er erzählt weiter, was nach dem Ende der Verdi-Oper passiert, als Aida ihrem Geliebten ins Verlies folgt. Ungewöhnlich auch, weil die Uraufführung in Gladbach in einem Bunker lief. In Krefeld in der Fabrik
Heeder brachten Eva Maria Günschmann und Rafael Bruck die Enge und den Geruch des Todes nicht weniger intensiv herüber.
Noch eine große Frau: Mata Hari. Die Amüsiersüchtigen zwischen den Weltkriegen lagen der geheimnisvollen Schönen zu Füßen. Das Funkeln der Salons, aber auch das Elend einer Heimatlosen und ihre Verurteilung zum Tode wegen Doppelspionage hat Robert North in einen Ballettabend verwandelt - mit einer bezaubernden Primaballerina Teresa Levrini.
Nicht erst seit Borussia-Revue und dem Fußballwunder von Bayer Uerdingen ist die Verwurzelung des
Zwei-Städte-Theaters am Niederrhein manifest. Beispiele bietet auch diese Saison. Im flirrend-unterhaltsamen Musikspiel „Die Reise nach Reims“wird das Autobahnkreuz Neersen zum Bermudadreieck. Und mit dem Tanzabend „Seide Band - Bandoneon“hat das Theater nicht nur den 650. Geburtstag der Stadt Krefeld gefeiert, sondern auch einem berühmten Sohn der Stadt, dem Musikalienhändler Heinrich Band, dem Erfinder des Bandoneons, und der Textilwirtschaft gehuldigt.
Jetzt kann das Publikum entscheiden, wer und was am besten war in diesem Theaterjahr.