Rheinische Post Krefeld Kempen
Gute bürgerliche Küche — wo es sie gibt
Der Begriff von der „gutbürgerlichen Küche“stirbt langsam aus. Es gibt aber weiterhin viele Elemente dieser Küche, meist gemischt mit internationalen Elementen. Wie die Globalisierung auf dem Teller aussieht.
KREFELD Die Frage, was eine gute bürgerliche Küche ist, führt direkt in die Küche meiner Mutter. Diese Küche war einfach bei den Zutaten, die heute gängigen 30 Fläschchen mit asiatischen und sonstigen Soßen fehlten komplett, ebenso wie Zutaten aus aller Welt. Heute würde man sagen: Die Produkte waren frisch, regional, die Küche lebte davon, jedes Ding zur Geltung zu bringen: Gemüse war auf den Punkt gegart und wurde mit etwas Butter serviert, das Fleisch war zart, und die Bratensoßen, ja die Bratensoßen, die waren ein Wunder. Röstaromen, Zwiebeln, Brühe, Salz, Pfeffer, so lange eingekocht, bis die Soßen dunkel, sämig und von abgründiger Würze waren, pures Glück auf der Zunge. Abstrahiert: Gute bürgerliche Küche war eine bestimmte Art zu kochen: einfach in den Zutaten, materiell nicht raffiniert, im Profil klar auf die Produkte setzend.
Mit „guter bürgerlicher Küche“, erst recht mit „gutbürgerlicher“Küche wird heute kaum noch geworben, die Art zu kochen aber hat sich erhalten. Küche, die nicht superfein oder als nationale Küche daherkommt, nennt sich eher regionale Küche. Sobald regionale Küche etwas feiner wird, müssen andere Begriffe her. Nehmen wir die Küferei im alten Dujardin-Komplex in Uerdingen.
Dieses Restaurant in schönem Industrieambiente wird auf einer Internetseite der Stadt Krefeld in der Kategorie „Regional / Gutbürgerlich“geführt. Die Küferei selbst spricht von „unserer mediterranen Kochkunst“. Der mediterrane Einschlag spiegelt sich deutlich in der Vorspeisenkarte wider: Vitello Tonnato mit Kapern (12,50 Euro), Tapasteller (Antipasti, Schinken, Brot, Aioli, 13,90 Euro) oder Rindercarpaccio mit Olivenöl und
Parmesan (13,90 Euro).
Bei den Hauptgängen zeichnet sich zunächst eine Struktur ab: Die Gerichte sind nicht überladen, leben erkennbar von der Exzellenz der Zutaten und der Zubereitung. Es gibt explizite mediterrane Gerichte (Linguine mit Olivensauce, geschmolzenen Tomaten, Kapern, Brotchips, 24 Euro; oder bunte Gnocchi mit Gemüse, Misobutter und Limetten-Joghurt, 22.50 Euro). Daneben stehen regionale Angebote: „Maischollenfilet mit Speck, Zwiebeln und Garnelen, Butterkartoffeln, Salat“(27 Euro). So etwas gelingt nur, wenn der Koch sein Handwerk versteht. Das Gleiche gilt für „Wiener Schnitzel mit frischem Spargel, Sauce Hollandaise, Kartoffeln“(29,90 Euro). Von wegen einfach: Spargel kann genauso ein Trauerspiel sein wie ein zu Stroh gebratenes Schnitzel. Solche Gerichte klingen nur einfach. Man hat den Eindruck: „Mediterran“meint so etwas wie Leichtigkeit und Überschaubarkeit bei den Zutaten – bei gleichzeitiger handwerklicher Exzellenz im Detail.
So gibt es in Krefeld eine Reihe von Restaurants, die regional angedockt, klar in der Struktur, international inspiriert und handwerklich präzise zu Werke gehen. Zu nennen sind etwa Haus Kleinlosen, „Land und Mee(h) r“(früher Badde) oder das Restaurant Elfrather Mühle.
„Land und Mee(h)r“vereint mediterrane Angebote wie „Gambas aglio e olio mit Salatbouquet“(16 Euro) und französische Einsprengsel (Bouillabaisse, 8 Euro) mit bürgerlichen Klassikern wie „Züricher Geschnetzeltes“(18,50 Euro). Ein Akzent liegt auf Fisch (wie „Schellfisch mit körniger Senfsauce, Salzkartoffeln und Salat“,18,50 Euro). Der Wille zur Raffinesse ist erkennbar in einem Angebot wie „Wildkräutersalat mit karamellisiertem Ziegenkäse, Birne und Himbeervinaigrette“(16,50 Euro) – wenn die Mischung stimmt: ein wunderbar leichter, süßsäuerlicher Gruß aus dem Schlaraffenland.
Haus Kleinlosen tritt mit einer bodenständigen, bistroartigen Küche an („Reibekuchen mit Rauchlachs, Rübenkraut und Apfelmus“, 19,50 Euro), bietet auch Deftiges („paniertes Schnitzel mit Champignonrahmsauce“, 17,80 Euro) bis zu höherwertigen Fleischgerichten („Argentinisches Rumpsteak mit Pfeffersauce, Bratkartoffeln mit Zwiebeln und Speck, und grünen Speckböhnchen“, 28,40 Euro).
Die Elfrather Mühle setzt deutlich feiner und stärker international gefärbt an: „Scampi Cafe de Paris mit Knoblauchbrot“(16,50 Euro) weist auf Frankreich, „Tom Kha Gai“(asiatisches Kokos-Huhnersüppchen, 10,50 Euro) zitiert Asien, „Rucola mit Parmaschinken, Birne, Mandeln und Honig“weist auf Italien (15 Euro).
Auch die Hauptgänge wollen keine Hausmannskost sein: „Loin vom Skrei mit Selleriepüree, getrüffelten Pommes Dauphine und Gemüse“(29 Euro) oder „Asia Bolo vom Duroc-Schwein mit Udonnudeln, knackigem Grün und Sesam“(19,50 Euro) zeugen vom Blick in die Welt hinaus.
In Krefeld findet sich auch eine Reihe von Gastronomie-Betrieben, die an die Tradition des urigen Traditionsgasthauses anknüpfen und eine Küche liefern, die deftig-regional und vom Snack bis zum veritablen
Hauptgang gefächert ist.
Der „Nordbahnhof“hat die regionalen Angebote kultiviert und auf das zauberhafte rustikale Ambiente im Innern wie auf dem Bahnsteig abgestimmt. Es gibt Deftiges für den kleinen Hunger („Happen mit frischem Schweinemett“, 2 Euro) oder den mittleren Hunger („Himmel und Ähd; gebratene Blutwurst, Schmorzwiebeln, Kartoffelpüree, Apfelkompott“, 12,50 Euro) oder den mittelgroßen Hunger („Hoppel-Poppel“; Bratkartoffeln mit gebratener Blutwurst, Speck, Schinken, Spiegelei und Salatteller, 12,80 Euro). Auch Fisch gibt es in der deftigen Variante – als „Brathering mit Zwiebeln und Bratkartoffeln“(9,50 Euro) oder „Heringsstipp mit Bratkartoffeln“(13,50 Euro). Vollwertige üppige Hautgangmahlzeiten für den großen Hunger sind geprägt von Gegrilltem – vom Lachs bis zum Rumpsteak. Auch fehlen Klassiker wie Speckpfannekuchen oder Jägerschnitzel nicht.
In diese Kategorie gehören auch Häuser wie Wienges, der Dachsbau, Gleumes oder Marcelli in Verberg – allen gemein ist, dass man dort in einem wunderbar nostalgischen Gasthaus-Ambiente sitzt.
Als eine Kategorie für sich ist das Restaurant Globetrotter auf dem Westwall zu nennen, das regionale Frische und internationale Einsprengsel virtuos verbindet. Um Frische zu garantieren, wechselt die Karte alle zwei Wochen. Die Gerichte lesen sich wie Entdeckungszusammenhänge – Beispiel: „Hausgemachter Bacalao vom Lengfisch-Loin, Zitronensauce, Kartoffelstampf, Oliven, Kapern, Petersilie, getrocknete Tomate, geröstete Spitzpaprika“definiert sich als Lehrpfad durch diverse Geschmackslinien. „Curry vom asiatischen Wasserbüffel, dazu Reisbratlinge, Pikanter Coleslaw / Zuckerschote / PakChoi / grüner Spargel / Kokosfleisch“ist beides: ein Fleisch- und ein Gartenversprechen.
Hinter dem „hausgemachten Bacalao“steht ein Stück Raffinesse: Es ist im Prinzip Stockfisch. Das Rückenstück vom Lengfilet wird zwei Tage in Meersalz eingelegt; das Fleisch wird stockfischig-kompakter; „allerdings ist die Konsistenz nicht so trocken und faserig wie beim Original-Bacalao, der über mehrere Monate eingesalzen wird“, erläutert das Restaurant. Das Filet wird dann in Olivenöl gebraten „Stockfisch mal ein wenig feiner“, heißt es.
Unterm Strich ist festzuhalten: Die Küche ist wie die Welt: globalisiert. Die Tugenden der guten bürgerlichen Küche gelten ungebrochen, integrieren heute aber viele internationale Elemente – in allen Intensitäten. Heißt auch: Die Küche ist interessanter geworden. Beim Kochen bleibt eine Tugend immer gleich: Der handwerkliche Respekt vor den Dingen, von denen wir leben.
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