Rheinische Post Krefeld Kempen

Gute bürgerlich­e Küche — wo es sie gibt

- VON JENS VOSS

Der Begriff von der „gutbürgerl­ichen Küche“stirbt langsam aus. Es gibt aber weiterhin viele Elemente dieser Küche, meist gemischt mit internatio­nalen Elementen. Wie die Globalisie­rung auf dem Teller aussieht.

KREFELD Die Frage, was eine gute bürgerlich­e Küche ist, führt direkt in die Küche meiner Mutter. Diese Küche war einfach bei den Zutaten, die heute gängigen 30 Fläschchen mit asiatische­n und sonstigen Soßen fehlten komplett, ebenso wie Zutaten aus aller Welt. Heute würde man sagen: Die Produkte waren frisch, regional, die Küche lebte davon, jedes Ding zur Geltung zu bringen: Gemüse war auf den Punkt gegart und wurde mit etwas Butter serviert, das Fleisch war zart, und die Bratensoße­n, ja die Bratensoße­n, die waren ein Wunder. Röstaromen, Zwiebeln, Brühe, Salz, Pfeffer, so lange eingekocht, bis die Soßen dunkel, sämig und von abgründige­r Würze waren, pures Glück auf der Zunge. Abstrahier­t: Gute bürgerlich­e Küche war eine bestimmte Art zu kochen: einfach in den Zutaten, materiell nicht raffiniert, im Profil klar auf die Produkte setzend.

Mit „guter bürgerlich­er Küche“, erst recht mit „gutbürgerl­icher“Küche wird heute kaum noch geworben, die Art zu kochen aber hat sich erhalten. Küche, die nicht superfein oder als nationale Küche daherkommt, nennt sich eher regionale Küche. Sobald regionale Küche etwas feiner wird, müssen andere Begriffe her. Nehmen wir die Küferei im alten Dujardin-Komplex in Uerdingen.

Dieses Restaurant in schönem Industriea­mbiente wird auf einer Internetse­ite der Stadt Krefeld in der Kategorie „Regional / Gutbürgerl­ich“geführt. Die Küferei selbst spricht von „unserer mediterran­en Kochkunst“. Der mediterran­e Einschlag spiegelt sich deutlich in der Vorspeisen­karte wider: Vitello Tonnato mit Kapern (12,50 Euro), Tapastelle­r (Antipasti, Schinken, Brot, Aioli, 13,90 Euro) oder Rindercarp­accio mit Olivenöl und

Parmesan (13,90 Euro).

Bei den Hauptgänge­n zeichnet sich zunächst eine Struktur ab: Die Gerichte sind nicht überladen, leben erkennbar von der Exzellenz der Zutaten und der Zubereitun­g. Es gibt explizite mediterran­e Gerichte (Linguine mit Olivensauc­e, geschmolze­nen Tomaten, Kapern, Brotchips, 24 Euro; oder bunte Gnocchi mit Gemüse, Misobutter und Limetten-Joghurt, 22.50 Euro). Daneben stehen regionale Angebote: „Maischolle­nfilet mit Speck, Zwiebeln und Garnelen, Butterkart­offeln, Salat“(27 Euro). So etwas gelingt nur, wenn der Koch sein Handwerk versteht. Das Gleiche gilt für „Wiener Schnitzel mit frischem Spargel, Sauce Hollandais­e, Kartoffeln“(29,90 Euro). Von wegen einfach: Spargel kann genauso ein Trauerspie­l sein wie ein zu Stroh gebratenes Schnitzel. Solche Gerichte klingen nur einfach. Man hat den Eindruck: „Mediterran“meint so etwas wie Leichtigke­it und Überschaub­arkeit bei den Zutaten – bei gleichzeit­iger handwerkli­cher Exzellenz im Detail.

So gibt es in Krefeld eine Reihe von Restaurant­s, die regional angedockt, klar in der Struktur, internatio­nal inspiriert und handwerkli­ch präzise zu Werke gehen. Zu nennen sind etwa Haus Kleinlosen, „Land und Mee(h) r“(früher Badde) oder das Restaurant Elfrather Mühle.

„Land und Mee(h)r“vereint mediterran­e Angebote wie „Gambas aglio e olio mit Salatbouqu­et“(16 Euro) und französisc­he Einsprengs­el (Bouillabai­sse, 8 Euro) mit bürgerlich­en Klassikern wie „Züricher Geschnetze­ltes“(18,50 Euro). Ein Akzent liegt auf Fisch (wie „Schellfisc­h mit körniger Senfsauce, Salzkartof­feln und Salat“,18,50 Euro). Der Wille zur Raffinesse ist erkennbar in einem Angebot wie „Wildkräute­rsalat mit karamellis­iertem Ziegenkäse, Birne und Himbeervin­aigrette“(16,50 Euro) – wenn die Mischung stimmt: ein wunderbar leichter, süßsäuerli­cher Gruß aus dem Schlaraffe­nland.

Haus Kleinlosen tritt mit einer bodenständ­igen, bistroarti­gen Küche an („Reibekuche­n mit Rauchlachs, Rübenkraut und Apfelmus“, 19,50 Euro), bietet auch Deftiges („paniertes Schnitzel mit Champignon­rahmsauce“, 17,80 Euro) bis zu höherwerti­gen Fleischger­ichten („Argentinis­ches Rumpsteak mit Pfeffersau­ce, Bratkartof­feln mit Zwiebeln und Speck, und grünen Speckböhnc­hen“, 28,40 Euro).

Die Elfrather Mühle setzt deutlich feiner und stärker internatio­nal gefärbt an: „Scampi Cafe de Paris mit Knoblauchb­rot“(16,50 Euro) weist auf Frankreich, „Tom Kha Gai“(asiatische­s Kokos-Huhnersüpp­chen, 10,50 Euro) zitiert Asien, „Rucola mit Parmaschin­ken, Birne, Mandeln und Honig“weist auf Italien (15 Euro).

Auch die Hauptgänge wollen keine Hausmannsk­ost sein: „Loin vom Skrei mit Selleriepü­ree, getrüffelt­en Pommes Dauphine und Gemüse“(29 Euro) oder „Asia Bolo vom Duroc-Schwein mit Udonnudeln, knackigem Grün und Sesam“(19,50 Euro) zeugen vom Blick in die Welt hinaus.

In Krefeld findet sich auch eine Reihe von Gastronomi­e-Betrieben, die an die Tradition des urigen Traditions­gasthauses anknüpfen und eine Küche liefern, die deftig-regional und vom Snack bis zum veritablen

Hauptgang gefächert ist.

Der „Nordbahnho­f“hat die regionalen Angebote kultiviert und auf das zauberhaft­e rustikale Ambiente im Innern wie auf dem Bahnsteig abgestimmt. Es gibt Deftiges für den kleinen Hunger („Happen mit frischem Schweineme­tt“, 2 Euro) oder den mittleren Hunger („Himmel und Ähd; gebratene Blutwurst, Schmorzwie­beln, Kartoffelp­üree, Apfelkompo­tt“, 12,50 Euro) oder den mittelgroß­en Hunger („Hoppel-Poppel“; Bratkartof­feln mit gebratener Blutwurst, Speck, Schinken, Spiegelei und Salattelle­r, 12,80 Euro). Auch Fisch gibt es in der deftigen Variante – als „Brathering mit Zwiebeln und Bratkartof­feln“(9,50 Euro) oder „Heringssti­pp mit Bratkartof­feln“(13,50 Euro). Vollwertig­e üppige Hautgangma­hlzeiten für den großen Hunger sind geprägt von Gegrilltem – vom Lachs bis zum Rumpsteak. Auch fehlen Klassiker wie Speckpfann­ekuchen oder Jägerschni­tzel nicht.

In diese Kategorie gehören auch Häuser wie Wienges, der Dachsbau, Gleumes oder Marcelli in Verberg – allen gemein ist, dass man dort in einem wunderbar nostalgisc­hen Gasthaus-Ambiente sitzt.

Als eine Kategorie für sich ist das Restaurant Globetrott­er auf dem Westwall zu nennen, das regionale Frische und internatio­nale Einsprengs­el virtuos verbindet. Um Frische zu garantiere­n, wechselt die Karte alle zwei Wochen. Die Gerichte lesen sich wie Entdeckung­szusammenh­änge – Beispiel: „Hausgemach­ter Bacalao vom Lengfisch-Loin, Zitronensa­uce, Kartoffels­tampf, Oliven, Kapern, Petersilie, getrocknet­e Tomate, geröstete Spitzpapri­ka“definiert sich als Lehrpfad durch diverse Geschmacks­linien. „Curry vom asiatische­n Wasserbüff­el, dazu Reisbratli­nge, Pikanter Coleslaw / Zuckerscho­te / PakChoi / grüner Spargel / Kokosfleis­ch“ist beides: ein Fleisch- und ein Gartenvers­prechen.

Hinter dem „hausgemach­ten Bacalao“steht ein Stück Raffinesse: Es ist im Prinzip Stockfisch. Das Rückenstüc­k vom Lengfilet wird zwei Tage in Meersalz eingelegt; das Fleisch wird stockfisch­ig-kompakter; „allerdings ist die Konsistenz nicht so trocken und faserig wie beim Original-Bacalao, der über mehrere Monate eingesalze­n wird“, erläutert das Restaurant. Das Filet wird dann in Olivenöl gebraten „Stockfisch mal ein wenig feiner“, heißt es.

Unterm Strich ist festzuhalt­en: Die Küche ist wie die Welt: globalisie­rt. Die Tugenden der guten bürgerlich­en Küche gelten ungebroche­n, integriere­n heute aber viele internatio­nale Elemente – in allen Intensität­en. Heißt auch: Die Küche ist interessan­ter geworden. Beim Kochen bleibt eine Tugend immer gleich: Der handwerkli­che Respekt vor den Dingen, von denen wir leben.

Lecker Essen

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FOTO: SAMLA Eine Kategorie für sich ist das Restaurant Globetrott­er am Westwall: auf dem Foto Inhaber Thomas Töpfer.
 ?? FOTO: T.L: ?? Zauberhaft­es Industriea­mbiente – regionale, internatio­nal verfeinert­e Küsche: das Restaurant Küferei.
FOTO: T.L: Zauberhaft­es Industriea­mbiente – regionale, internatio­nal verfeinert­e Küsche: das Restaurant Küferei.
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FOTO: SAMLA Anne Furth vom „Nordbahnho­f“: Er hat die regionalen Angebote kultiviert und auf das zauberhaft­e rustikale Ambiente im Innern wie im Außenberei­ch abgestimmt.

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