Rheinische Post Krefeld Kempen

Meisen-Nachwuchs wohnt im Briefkaste­n

- VON BIANCA TREFFER

Bei Familie Hendriks in Neersen piepst es im Briefkaste­n: Dort hat ein Meisenpaar ein Nest gebaut. Für den Postboten heißt das: umdisponie­ren, bis die Jungvögel ausgefloge­n sind.

NEERSEN „Da ist wieder eine von den beiden Meisen!“, sagt Birgit Hendriks und beobachtet den Vogel, der gerade auf einem Holzpfoste­n neben Hendriks‘ Briefkaste­n gelandet ist. Der Vogel hat den Schnabel voller Insekten. Das Köpfchen dreht sich nach rechts und nach links: Kein Fressfeind ist in Sicht, die Luft wird ist rein. Die Meise kann das Nest ansteuern.

Doch das Nest befindet sich nicht etwa in einem Strauch im Vorgarten – sondern im Briefkaste­n. Durch den langen schmalen Schlitz, der von einem kleinen Überbau geschützt ist, verschwind­et die Meise im Inneren. Kaum ist sie im Briefkaste­n verschwund­en, ist von innen ein lautes Tschilpen zu hören. „Die Jungvögel sind unüberhörb­ar. Es sind neun Stück, und die haben ordentlich Hunger. Das Meisenpaar ist superfleiß­ig, um den Nachwuchs satt zu bekommen“, bemerkt Birgit Hendriks lächelnd.

Mit dem hohen Briefkaste­n aus Beton haben sich die Meisen im Garten von Birgit und Stefan Hendriks einen ungewöhnli­chen Brutort ausgesucht. Für die Hendriks ist das allerdings nicht neu. „Wir hatten vor drei Jahren schon einmal ein Meisenpaar, das im Briefkaste­n gebrütet hat. Der Innenraum scheint ideal zu sein“, sagt die Neerseneri­n. Diesmal war es so, dass sie vor einigen Wochen, als sie die Post herausholt­e, auf etwas Moos im Inneren des Briefkaste­ns stieß. „Ich habe mir erst einmal gar nichts dabei gedacht und das Moos mit der Hand herausgefe­gt“, erzählt Birgit Hendriks.

Am nächsten Tag war das Briefkaste­ninnere erneut gefüllt – diesmal mit einem wirklich dicken Moosteppic­h. Da war Birgit Hendriks klar, was los war, und sie schritt zur Tat. In diesem Fall bedeutete dies der Griff zu Papier, Stift, einer durchsicht­igen Kunststoff­hülle und wetterbest­ändigen Klebeband. Es galt, ein Info-Schild für den Postboten zu fertigen. Denn Post einzuwerfe­n, war von diesem Augenblick an tabu.

So ziert seit Wochen auf dem Dach des Briefkaste­ns, gut festgekleb­t, ein wetterfest­er Hinweis: „Bitte keine Post einwerfen. Brutnest Meisen. Bitte vor die Türe in den Behälter legen. Danke“den Briefkaste­n der Familie Hendriks. Dazu wurde noch ein lächelnder Smiley aufgemalt. Der Postbote folgt dem Hinweis und muss nun einige Meter weiter gehen, denn die Familie hat einen Ersatzbrie­fkasten gebastelt, der wettergesc­hützt direkt neben der Haustür steht. Das ist ein mit Alufolie ausgekleid­eter Karton. „Die Alufolie scheinen die Schnecken nicht zu mögen, die den Pappkarton ansonsten schon ganz schön angefresse­n haben“, erklärt Birgit Hendriks und deutet auf die unübersehb­aren Fraßspuren der Schnecken. Die Post bleibt bis dato auf jeden Fall von den Weichtiere­n verschont.

Birgit Hendriks war aber schon neugierig. Sie hat ganz vorsichtig den Briefkaste­n geöffnet und nach den Meisen geschaut. Daher weiß sie auch, dass es neun Jungvögel

sind. „Sie sind wirklich allerliebs­t“, schwärmt die Neerseneri­n, die generell ein Faible für Wildtiere hat. Die Meisen sind nämlich nicht die einzigen Vögel, die das Ehepaar etwas ausbremsen und zu Schutzmaßn­ahmen führen. Im Garten ist es ein Rotkehlche­npaar, das die Gartenarbe­iten stoppte. Die Vögel haben sich eine Plane zum Brüten ausgesucht, dort ihr Nest gebaut und ihren Nachwuchs aufgezogen. „Wir haben eine zusammenge­knüllte größere Plane neben unserem alten Pferdestal­l liegen. Wir wollten eigentlich aufräumen, dabei haben wir das Nest entdeckt und natürlich sofort die Aufräumarb­eiten gestoppt. Die Rotkehlche­n sind mittlerwei­le ausgefloge­n, sodass wir jetzt weiter aufräumen können“, sagt Birgit Hendriks.

Generell fühlen sich Vögel und auch andere Wildtiere in dem rund 2000 Quadratmet­er großen, naturnah gehaltenem Garten wohl. Sie finden ausreichen­d Nist- und Unterschlu­pfmöglichk­eiten. So gehören unter anderem Eichhörnch­en, Spechte, Erdhummeln, Igel und Eichelhähe­r zu den Bewohnern. Birgit Hendriks sorgt mit entspreche­ndem Tierfutter für weiteres Wohlfühlam­biente. Der Postbote muss sich indes noch ein bisschen gedulden, bis er die Post wieder wie gewohnt in den Briefkaste­n vorne am Eingang des Vorgartens legen darf. Erst müssen die Meisenjung­en ausfliegen.

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FOTO: HENDRIKS Diese kleinen Meisen haben ihr Nest an einem ungewöhnli­chen Ort: Sie wachsen in einem Briefkaste­n auf.
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FOTO: HENDRIKS Der Postbote darf den Briefkaste­n erst dann wieder nutzen, wenn die Jungvögel ausgefloge­n sind.
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FOTO: TREFFER Birgit Hendriks hat ein Schild am Briefkaste­n angebracht, damit er nicht genutzt wird.

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