Rheinische Post Langenfeld

Türkische Regierung droht dem Vatikan

- VON THOMAS SEIBERT

Franziskus hatte von einem Völkermord 1915 in Armenien gesprochen. Er säe Hass, hieß es in Ankara.

ISTANBUL Die Wogen der Empörung schlagen hoch bei der türkischen Regierung, nachdem Papst Franziskus am Wochenende in Rom die Massaker an den Armeniern im Osmanische­n Reich ab 1915 als Völkermord gebrandmar­kt hat. „Ein Schock“, meldete die Online-Ausgabe der Zeitung „Hürriyet“.

Die Bemühungen der Türkei, kurz vor dem 100. Jahrestag des Beginns der Massaker am 24. April eine neue Diskussion über die Genozid-Frage zu verhindern, sind durch die Aussagen von Franziskus mit einem Schlag Makulatur geworden. Entspreche­nd wütend fielen die Reaktionen aus. Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu machte seinem Ärger im Internet Luft: Der Papst habe „Feindschaf­t und Hass“geschürt und sich „weit entfernt von Geschichte und Recht“geäußert. Der Apostolisc­he Nuntius in Ankara, Antonio Lucibello, bekam die Beschwerde zu hören, der Papst habe nur die damals getöteten Armenier erwähnt, nicht aber die muslimisch­en Opfer des Krieges. Diese Episode werde Folgen für das Verhältnis zwischen der Türkei und dem Vatikan haben. Der türkische Botschafte­r im Vatikan, Mehmet Pacaci, wurde zu Konsultati­onen nach Ankara zurückgeru­fen.

Noch vor wenigen Wochen hatte die türkische Presse erleichter­t ge- meldet, türkische Diplomaten hätten den Vatikan davon abgebracht, das Thema Völkermord öffentlich zu diskutiere­n. Demnach hatte Franziskus eine Einladung nach Armenien zur Teilnahme an einem Gottesdien­st am 24. April abgelehnt; Pacaci hatte sich zuversicht­lich gezeigt, dass der Papst den Begriff Völkermord nicht in den Mund nehmen würde. Er täuschte sich.

Bis zu 1,5 Millionen Armenier fielen in den letzten Jahren des Osmanische­n Reiches Morden, Hinrichtun­gen und Todesmärsc­hen zum Opfer. Die osmanische Reichsregi­erung betrachtet­e die christlich­en Armenier als Fremdkörpe­r und wollte sie aus Anatolien vertreiben; das Eigentum der Vertrieben­en kam in den Besitz muslimisch­er Bürger. Nach Ansicht der meisten Forscher nahmen die Behörden bei der Vertreibun­g den Tod von Hunderttau­senden Menschen zumindest billigend in Kauf. Die Türkei spricht dagegen von einer Tragödie und einer Umsiedlung­saktion unter Kriegsbedi­ngungen.

Der Papst lehnte diese Sicht ab und wandte sich gegen die Tendenz der Türkei, die Gräuel der Vergangenh­eit kleinzured­en. Das Böse abzustreit­en sei wie eine Wunde bluten zu lassen, sagte er. Franziskus hatte schon vor seiner Wahl zum Papst öffentlich von einem Genozid an den Armeniern gesprochen.

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FOTO: REUTERS Die Nigerianer­in Rachel Daniel (35) hält in ihrem Haus in Maiduguri ein Foto ihrer entführten Tochter Rose Daniel (17) in die Kamera.

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