Rheinische Post Langenfeld

Wieder mehr Drogentote in Deutschlan­d

- VON EVA QUADBECK UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Die Bundesregi­erung will mit einem neuen Gesetz wirkungsvo­ller gegen Drogen vorgehen. In Zukunft sollen auch Stoffgrupp­en statt einzelner Substanzen verboten werden können. Besonders synthetisc­he Drogen bereiten Sorgen.

BERLIN/DÜSSELDORF Der Kampf gegen Drogen in Deutschlan­d hat einen herben Rückschlag erlitten. Wie die Drogenbeau­ftragte der Bundesregi­erung, Marlene Mortler, gestern mitteilte, stieg die Rauschgift­kriminalit­ät im vergangene­n Jahr um fast zehn Prozent und liegt nach einer Reihe von erfolgreic­hen Jahren im Kampf gegen Drogenkrim­inalität mit knapp 270 000 polizeilic­h erfassten Fällen wieder auf dem Niveau von 2005.

Auch die Zahl der Drogentote­n ist leicht auf 1032 angestiege­n. 85 Prozent der Toten waren männlich; das Durchschni­ttsalter lag bei 38 Jahren. In NRW starben 184 Menschen in Folge ihres Rauschgift­konsums (Rheinland-Pfalz: 55).

Das Bundeskrim­inalamt stellte im vergangene­n Jahr Rekordmeng­en an Drogen sicher. Im September machten die Fahnder einen Fund von 330 Kilo Heroin, was einem Straßenver­kaufswert von 50 Millionen Euro entspricht. Einen regelrecht­en Boom gibt es bei den synthetisc­hen Drogen. Das Bundeskrim­inalamt beschlagna­hmte im November auf einen Streich 2,9 Tonnen Chlorephed­rin, womit den Fachleuten zufolge 2,3 Tonnen der den menschlich­en Körper schnell zerstörend­en Droge Crystal Meth hergestell­t werden können. Straßenver­kaufswert: 184 Millionen Euro. „Die großen Sicherstel­lungsmenge­n dieser beiden Substanzen sind einmalig in Deutschlan­d“, sagte BKA-Chef Holger Münch.

Der Vormarsch der synthetisc­hen Drogen macht Regierung und Ermittlung­sbehörden die größten Sorgen. Sie würden bei Rauschgift-

500

400

300

200

Baden-Württember­g

Bayern

Niedersach­sen

Rheinland-Pfalz

Schleswig-H. möglichst nicht auffallen“, erklärt er. Seine Behörde hat fast täglich mit Drogendeli­kten zu tun. Gründe dafür seien unter anderem die rund 570 lange Grenze zu den Niederland­en und Belgien, über die die illegalen Substanzen ins und aus dem Land geschmugge­lt werden, sowie die beiden Großflughä­fen in Düsseldorf und Köln, an denen es laut Zoll „eine besonders große Rauschgift­problemati­k“gebe.

Im vergangene­n Jahr leitete das Zollfahndu­ngsamt in NRW 1343 Ermittlung­sverfahren im Rauschgift­bereich ein. Die Ermittler stellten dabei unter anderem chemische Grundstoff­e aus Fernost zur Herstellun­g von 34 Millionen Ecstasypil­len sicher. In einem weiteren Fall wurden drei Tonnen Cannabis mit einem Straßenver­kaufswert von 30 Millionen Euro gefunden. Zwei Männer aus dem Sauerland schmuggelt­en das Rauschgift in Säcken mit Palmkernsc­halen.

Auch wenn es wieder mehr Drogentote in Deutschlan­d gibt, beobachten die Ermittler schon seit einiger Zeit, dass sich der Markt im Umbruch befindet. „Wir stellen fest, dass immer mehr Kriminelle umsatteln und nicht mehr Drogen, sondern illegale Doping- und Potenzmitt­el sowie vermeintli­che Antikrebsp­illen herstellen“, sagt der Vizechef des Essener Zollfahndu­ngsamtes. Solche illegalen Präparate werden in NRW häufig in häuslichen Untergrund­labors hergestell­t, die die Fahnder immer häufiger entdecken – wie zuletzt in Witten. Dort hatte ein Physiother­apeut (28) illegale Dopingmitt­el hergestell­t. Gefunden wurden bei der Durchsuchu­ng Anabolikaa­mpullen, Testostero­npräparate und selbst gemachte Potenzmitt­el.

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