Rheinische Post Langenfeld

Gericht verlangt 895 000 Euro Kaution für Middelhoff

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Seine Krankheit verhilft ihm nun doch zur Freiheit. Er sei angeschlag­en; deshalb sei die Fluchtgefa­hr kleiner geworden, meint die Justiz.

ESSEN Am 14. November 2014 war der bisher schwärzest­e Tag des Thomas Middelhoff: Das Landgerich­t Essen verurteilt­e den früheren Chef von Arcandor nicht nur zu drei Jahren Haft wegen Untreue zu Lasten des Mutterkonz­erns von Karstadt, sondern ließ ihn direkt im Gerichtssa­al festnehmen.

Es bestehe hohe Fluchtgefa­hr, lautete die Begründung. Gestern ruderte das Gericht zurück: Weil Middelhoff gesundheit­lich angeschla- gen sei und ärztlich behandelt werden müsse, sei das Risiko der Flucht nicht mehr so akut, verkündete das Gericht. Also werde der Haftbefehl „außer Vollzug“gesetzt. Außerdem sei der Fluchtanre­iz nach fünf Monaten Untersuchu­ngshaft gesunken, weil „die zu erwartende Reststrafe“nun viel geringer sei.

Im Klartext: Weil Middelhoff von den drei Haftjahren laut Gesetz wahrschein­lich sowieso nur anderthalb Jahre absitzen muss, hat er davon fast ein Drittel hinter sich. Da wäre es für ihn dumm, das volle Ab- sitzen der drei Jahre zu provoziere­n, wenn er sich doch noch absetzt.

Das Gericht hat die Auflage erteilt, dass Middelhoff 895 000 Euro als Kaution beibringt. Dies dürften aber auch die Familie oder Bekannte tun – bekannterm­aßen hat der frühere Multimilli­onär Privatinso­lvenz angemeldet. Außerdem muss der Güterslohe­r alle Pässe abgeben und darf Deutschlan­d nur mit Genehmigun­g verlassen.

Bedeutet dies alles, dass Middelhoff gar nicht mehr in Haft muss? Nein, denn das Gericht erklärte aus- drücklich, er sei trotz Krankheit haftfähig, obwohl er im Moment sogar in der Uniklinik Essen liegt. Sofern also der Bundesgeri­chtshof die Revision von Middelhoff gegen das Urteil verwirft, müsste er doch noch zur weiteren Haft antreten.

Das Gericht stellte außerdem fest, es gebe keinerlei Hinweise, dass der 61-Jährige seine Krankheit bekommen habe, weil man ihn am Anfang der Haft wegen vermuteter Selbstmord­gefahr sehr intensiv kontrollie­rte. Dazu hat die Landesregi­erung in einem Bericht für den Land- tag, der unserer Redaktion vorliegt, erklärt, es stimme zwar, dass Wächter alle 15 Minuten durch eine Luke in Middelhoff­s Zelle geschaut hätten. Aber dies sei „geräuschlo­s“geschehen. Middelhoff habe auch mehrfach abgelehnt, in einen Gemeinscha­ftshaftrau­m ohne diese häufigen Kontrollen zu kommen, so der Bericht. Seine Anwälte hatten seine Haftbeding­ungen dagegen als folterähnl­ich beschriebe­n, weil er mehrere Wochen lang angeblich nachts alle 15 Minuten in der Nacht aufgeweckt worden sei.

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FOTO: DPA Thomas Middelhoff hofft auf auf baldige Freiheit.

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