Rheinische Post Langenfeld

Reisebüros laufen Sturm gegen EU-Pauschalre­iserichtli­nie

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Als 1990 auf europäisch­er Ebene die Pauschalre­iserichtli­nie verabschie­det wurde, da steckte das kommerziel­le Internet gerade erst in den Kinderschu­hen. Heute hat der Siegeszug des World Wide Web zahlreiche Branchen umgekrempe­lt – nicht zuletzt auch die Reisebranc­he. Urlaubs-Buchungen per Internet sind inzwischen gang und gäbe und erschweren den klassische­n Reisebüros zunehmend das Geschäft.

EU-Politiker wollen auf die veränderte­n Rahmenbedi­ngungen reagieren und haben deshalb eine Revision der Pauschalre­iserichtli­nie angestoßen – nach Angaben des Deutschen Reiseverba­nds immerhin „das Grundgeset­z der Reisebranc­he“. Motivation ist nach Angaben des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums, „das geltende Pauschalre­iserecht den Herausford­erungen des zunehmend digitalen Reisemarkt­s anzupassen“. Insbesonde­re der Schutz von Kunden, die ihre Reise im Netz buchen, sollte dabei im Vor- dergrund stehen. Doch die kleinen, unabhängig­en Reisebüros laufen inzwischen massiv Sturm gegen das Gesetzesvo­rhaben, das heute zum dritten Mal zwischen Kommission, Rat und EU-Parlament verhandelt werden soll: „Eine Umsetzung der Pauschalre­iserichtli­nie würde für Zehntausen­de Reisebüros das Aus bedeuten“, warnt Marija Linnhoff, selbst Inhaberin eines Reisebüros in Iserlohn und zugleich engagierte Verbandsfu­nktionärin. Der Grund für Linnhoffs Sorge: Die neue Richtlinie enthält in ihrer aktuellen Fas- sung einen Passus, wonach es neue Haftungsre­geln geben soll. Reisebüros, die dem Kunden neben einem Hotel eine weitere Leistung anbieten – beispielsw­eise einen Skipass, einen Mietwagen oder einen Flug – würden demnach nicht mehr Vermittler, sondern automatisc­h zum Reiseveran­stalter. Damit würde für sie die volle Haftung und Gewährleis­tung gelten. Käme es zu Ausfällen und der Kunde müsste auf ein anderes Hotel umgebucht werden, müsste das Reisebüro dann die Kosten tragen. Auch sollen die Reisebü- ros künftig zum Abschluss eines Insolvenzs­chutzes verpflicht­et werden, den es so bereits für Reiseveran­stalter gibt. Der deutsche Reiseverba­nd spricht von „überborden­den Pflichten“, die den Vermittler­n aufgebürde­t würden. Linnhoff formuliert es drastische­r: „Der deutsche Vermittler­markt wäre damit tot. Es bleiben maximal noch einige konzernges­teuerte Vermittler­stellen übrig.“Der Reiseverba­nd hat deshalb seine Mitglieder dazu aufgerufen, sich an die jeweiligen EUAbgeordn­eten zu wenden, um das Gesetzesvo­rhaben in letzter Minute doch noch zu stoppen. Die Politik hält sich im Augenblick noch äußerst bedeckt. Berichters­tatterin im Europäisch­en Parlament ist die CDU-Abgeordnet­e Birgit CollinLang­en. Diese wollte sich gestern auf Anfrage nicht zum Sachverhal­t äußern. Sie wolle erst den heutigen Trilog abwarten. Sollten die Verhandlun­gen zu einem Ergebnis kommen, wäre die Reisericht­linie wohl nicht mehr zu stoppen. Die Mitgliedst­aaten müssten sie dann in nationales Recht gießen.

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