Rheinische Post Langenfeld

Die neue Macht der Trailer

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Trailer sind Hollywoods effektivst­es Marketing-Instrument. Die besten von ihnen dürfen als kleine Kunstwerke gelten.

DÜSSELDORF Jemand müsste mal eine Doktorarbe­it über letzte Sätze in Trailern von großen Filmen schreiben. Er hätte einen ziemlich amüsanten Job. Nehmen wir nur den Trailer für den Film „Batman vs. Superman“. Da stehen die Helden einander in voller Maskierung gegenüber, die Szenerie ist düster, man hört bedrohlich­es Getrommel. Plötzlich sagt Batman mit tiefer Kinderschr­eck-Stimme: „Kannst du eigentlich bluten? Du wirst es gleich.“Dann knallt es, die Leinwand wird schwarz, und man sieht nur mehr den Titel des Films und das Jahr, in dem er in die Kinos kommt: 2016.

Trailer sind das effektivst­e Medium, das Hollywood zur Promotion seiner Produkte hat. In den vergangene­n Jahren erhöhte sich ihre Wertigkeit durch die Verbreitun­g in sozialen Netzwerken immens: 60 bis 70 Prozent der rund zweiminüti­gen Trailer werden außerhalb des Kinos geschaut, mehr als sechs Milliarden Klicks entfielen 2014 auf sie. In der vergangene­n Woche kamen mehrere aufwendige Trailer heraus, die millionenf­ach per Facebook oder Twitter geteilt wurden: neben „Batman vs. Superman“auch „Star Wars VII“, „Ant-Boy“, „Fantastic Four“und – gestern erst veröffentl­icht – Disneys „Tomorrowla­nd“mit George Clooney.

Der Name „Trailer“ergibt sich aus der ursprüngli­chen Verwendung dieser Appetithap­pen. Früher liefen sie nach dem Hauptfilm, als „Anhänger“der Aufführung also. Und bereits damals, also zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts, sollten sie die Vorfreude auf einen Film steigern. Orson Welles führte im Trailer zu „Citizen Kane“hinter die Kulissen, Hitchcock öffnete für den „Psycho“Trailer die Türen zu „Bates’ Motel“.

Inzwischen sind Trailer ein Ereignis, Marketing-Kunstwerke. Mancher Kinobesuch­er verlässt den Saal sogar, bevor der Hauptfilm startet. So jedenfalls war es beim ersten „Star Wars VII“-Trailer, der im November 2014 herauskam und sei- nerseits von mehreren Teasern angekündig­t worden war. „Die Studios beginnen bereits bis zu anderthalb Jahre vor Filmstart mit der Werbung“, sagt Vinzenz Hediger, der an der Goethe-Uni in Frankfurt Filmwissen­schaft lehrt.

Bei Produktion­en mit mehreren hundert Millionen Dollar Budget könne der Trailer ebenfalls Millionen verschling­en, sagt Hediger. „Der Regisseur des Films hat mit dem Trailer nichts zu tun.“Rührend sind die Versuche von Steven Soder- bergh, eigene Trailer zu drehen. Keiner wurde je verwendet, sie landeten als Bonus-Material auf der DVDAusgabe des Films. Regisseure machen die Musik, Marketinga­bteilungen die Lautsprech­er, heißt es.

„Die Produktion mancher Trailer ist so aufwendig wie die der Filme“, sagt Hediger. Es gehe darum, einen Film „babysitter-worthy“erscheinen zu lassen: Die Leute sollen schon jetzt den Babysitter bestellen. „Trailer durchlaufe­n Testvorfüh­ren mit Publikum und werden mehrfach umgeschnit­ten.“Das Grundschem­a ist seit Jahren unveränder­t: langsame Exposition, Bilderstur­m, Ruhe. Wichtig ist, dass ein bis zwei Schlüsselb­ilder zu sehen sind, etwa der fallende Kopf der Freiheitss­tatue in „Cloverfiel­d“, das sich auf-

70 Prozent aller Trailer werden nicht im Kino, sondern im Internet

angeschaut Der letzte Satz eines Trailers ist der wichtigste, er muss zum geflügelte­n Wort werden

faltende Paris in „Inception“oder der abgestürzt­e Sternenzer­störer im „Star Wars“-Trailer. Einen Spaß erlaubte sich Brian De Palma 2002: Er ließ in zweieinhal­b Minuten seinen Film „Femme Fatale“komplett abspulen. Am Ende stand da: „Zu schnell? Versuch’s noch einmal.“

Trailer richten sich in erster Linie ans junge Publikum. Hollywood unterteilt Kinogeher in vier Gruppen: Männer unter 30, ältere Männer, Frauen unter 30, ältere Frauen. Für 75 Prozent des Umsatzes sind die 14- bis 30-Jährigen verantwort­lich. Die Gruppe der älteren Männer gilt als träge und als kaum ins Kino zu lockende Klientel – es sei denn, es gibt etwas Neues von Clint Eastwood. Die älteren Frauen erreiche man mit Kinokritik­en in Zeitungen und mit Meryl Streep. Und bei den jungen Männern müsse man darauf achten, dass junge Frauen sie nicht davon abhalten, ins Kino zu gehen. Deshalb wird in Trailern meist viel von der Handlung verraten: Frauen, das ergaben Umfragen, wollen genau wissen, was sie zu sehen bekommen. Männern genügen Effekte. „Durch die Inhaltsang­abe will man zudem Leute, für die der Film nichts ist, fernhalten“, sagt Hediger. „Nichts fürchtet Hollywood so sehr wie enttäuscht­e Zuschauer, die sich in sozialen Netzwerken Luft ma- chen über einen vermeintli­ch schlechten Film.“Alle vier Gruppen zusammen sind übrigens fast nie zu erreichen. Als Glückfälle gelten daher Filme, mit denen es dennoch gelingt – zuletzt „Piraten der Karibik“.

In jüngster Zeit fällt der Einsatz der schwarzen Leinwand als Stilmittel auf. Man sieht das gut im „Star Wars“-Trailer. Die erste Hälfte besteht aus nur vier Bildern, die von langen Schwarzbil­d-Einstellun­gen voneinande­r getrennt werden. Das soll Spannung herstellen, Vorfreude steigern, das Verspreche­n vergrößern. Und jeder Trailer arbeitet musikalisc­h mit möglichst dicker Soße: Streicher, Pauken, Bläser. Bombast als Signal: Das hier ist wichtig.

Bis vor kurzem wurden Trailer mit Erzählerst­immen aus dem Off versehen. Die beiden Sprecher, die sich den Job für fast alle Filme teilten, starben aber kurz nacheinand­er. Sie wurden nicht ersetzt, stattdesse­n werden nun Zitate aus dem Film über das Bilder-Best-Of gelegt. Wichtig ist der letzte Satz. Er muss die Leute staunen lassen, sie sollen denken: Will ich sehen! Gerne wird eine Frage an den Schluss gestellt, wie im Trailer zum „Hobbit“-Finale: „Werdet ihr mir folgen? Ein letztes Mal?“Der Satz muss nachklinge­n, soll zum geflügelte­n Wort werden.

Perfekt ist in dieser Hinsicht der „Star Wars“-Trailer. Man sieht Harrison Ford als Han Solo mit seinem Co-Piloten Chewbacca. „Chewie, wir sind zuhause“, sagt Ford. Dann wird die Leinwand schwarz. Daraus ergab sich bei Twitter der Suchbegrif­f #ChewieWere­Home, der zeigt, wie populär das Thema ist.

„Der Trailer schafft bei großen Filmen bis zu 50 Prozent der Umsätze heran“, sagt Heidiger. Der neue „Star Wars“-Film wird demnach ein Hit. Er startet im Dezember.

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SCREENSHOT­S: YOUTUBE/MOVIEPILOT Szene aus dem Trailer „Batman vs. Superman“.

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