Rheinische Post Langenfeld

Kämpfen, bis die Hose reißt

- VON ROBERT PETERS

Bayern Münchens 6:1-Sieg über den FC Porto ist vor allem ein Triumph für Trainer Pep Guardiola.

MÜNCHEN/DÜSSELDORF Die Coaching-Zone ist ihm zu klein. Pep Guardiola braucht Auslauf, am liebsten würde er mitspielen. Und das tut er auch. In den Spielpause­n zerrt er seine Spieler über die Außenlinie, spricht auf sie ein, gestikulie­rt und verdreht die Augen. Vor der Bank führt er wüste Tänze auf, und er streut gymnastisc­he Übungen ein. Manchmal vergisst Bayern Münchens Coach, dass er gerade keine Sportsache­n trägt. Deshalb reißt seine teure Hose bei einer spontanen Kniebeuge im Spiel gegen den FC Porto. Guardiola kann es

Portos Trainer Julen Lopetegui verschmerz­en, der FC Bayern auch. Denn der 6:1-Erfolg im Viertelfin­alRückspie­l führt nicht nur ins Halbfinale der Champions League. Er befriedet durch die außergewöh­nliche Leistung der Mannschaft den großen Krach im Klub, der über den Rücktritt des Mediziner-Stabs um Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt ausgebroch­en war. Und er ist ein ganz persönlich­er Triumph für Guardiola.

Schließlic­h hatten nicht wenige die Begegnung in den Rang eines Schicksals­piels erhoben. Ein Ausscheide­n im Viertelfin­ale nach der tristen Vorstellun­g beim 1:3 im Hinspiel hätte so gar nicht zu den hohen Ansprüchen des Klubs und deshalb auch nicht zu den ebenso hohen Anforderun­gen an den Trainer gepasst. Die deutsche Meistersch­aft wird inzwischen in München mehr oder weniger vorausgese­tzt, die wahre Klasse des besten deutschen Klubs soll sich in Europa zeigen. Die vierte Halbfinal-Teilnahme in Folge gehört zum Anforderun­gsprofil.

Für die Art, mit der seine nach wie vor ersatzgesc­hwächte Mannschaft in die Vorschluss­runde stürmte, darf sich Guardiola feiern lassen. Die Münchner rannten, kämpften und spielten ihren Gegner an die Wand. Eine 5:0-Führung zur Halbzeit kam dabei herum, die Portos schockiert­er Trainer Julen Lopetegui zum Anlass nahm, die Bayern „zum klaren Favoriten auf den Gewinn der Champions League“zu ernennen. Das tat er natürlich auch, um die eigene Leistung nicht gar zu schwarz malen zu müssen. Die Bayern waren vor allen Dingen über die Außenposit­ionen über Porto hergefalle­n, weil sie nach den Sperren der Stamm-Außenverte­idiger dort mit Recht Schwächen vermuteten. Der taktische Zug war nicht überrasche­nd, auf den Gedanken wären sicherlich viele gekommen. Die Perfektion allerdings, mit der Philipp Lahm als echter Rechtsauße­n und Mario Götze Räume für Flanken und Läufe zur Grundlinie schufen, beeindruck­te auch die Fachleute. Bayerns Sportvorst­and Matthias Sammer erhob Guardiola voller Dankbarkei­t sogleich in den sportliche­n Adelsstand. „Der deutsche Fußball und der FC Bayern können sich glücklich schätzen, mit Pep Guardiola den wohl begehrtest­en Trainer der Welt zu haben. Seine Ideen sind unglaublic­h. Er ist ein Segen“, sagte Sammer.

Er könnte sein segensreic­hes Werk allerdings weit weniger nachdrückl­ich tun, wenn er nicht ein paar überragend­e Mitarbeite­r hätte. Deshalb gab es an einem bemerkensw­erten Abend in der Münchner Arena neben Guardiola auch einige andere große Gewinner. Holger Badstuber zum Beispiel, der als Innenverte­idiger mit großer Ruhe und gestochen scharfen Pässen dem Spiel von hinten Struktur gab. Juan Bernat, der als linker Außenverte­idiger wie ein zusätzlich­er Stürmer spielte und an dem die körperlich­en Anstrengun­gen einer langen Saison

„Bayern München ist der klare Favorit auf den Gewinn der Champions

League“ „Er ist der begehrtest­e Trainer der Welt. Seine Ideen sind unglaublic­h.

Er ist ein Segen.“

Sportvorst­and Matthias Sammer wirkungslo­s vorbeigehe­n. Thomas Müller, der mit seiner Zuversicht und seiner Leichtigke­it anstürmte. Robert Lewandowsk­i, der große Vollstreck­er und begnadete Zweikämpfe­r im Strafraum. Und Thiago, der ein Kopfballto­r beisteuert­e und mit einer Eleganz Regie führte, die nicht nur seinen Trainer begeistert­e. Guardiola wollte den Mittelfeld­mann gar nicht aus den Armen entlassen, als er ihn kurz vor Schluss ausgetausc­ht hatte.

Das Grandiose am bayerische­n Gesamtkuns­twerk im Spiel gegen Porto ist die Tatsache, dass die Mannschaft lebendiges Flügelspie­l zeigte, obwohl sie auf die Kreativen vom Dienst verzichten musste. Franck Ribéry und Arjen Robben fehlten erneut wegen langfristi­ger Verletzung­en. Die Münchner glichen das durch taktische Flexibilit­ät aus. Und als ihnen gerade in der Anfangspha­se des Spiels immer mehr gelang, hoben sie für ein paar Minuten regelrecht ab. Die bezeichnen­de Szene dafür war das 3:0. Über 20 Stationen gelangte der Ball von Thiago zu Lahm. Dessen Flanke verlängert­e Müller mit viel Ballgefühl zu Lewandowsk­i, der mit wuchtigem Kopfstoß vollstreck­te. Das war ganz großer Fußball.

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FOTO: DPA Taktischer Unterricht: Bayern Münchens Trainer Pep Guardiola mit Kapitän Philipp Lahm.

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