Rheinische Post Langenfeld

Harting lässt auf sich warten

- VON MARTIN BEILS

Der beste Diskuswerf­er der Welt kann immer noch nicht absehen, ob er bei den Weltmeiste­rschaften in Peking an den Start gehen kann. „Das Knie kennt keine Uhr“, sagt er sieben Monate nach dem Kreuzbandr­iss.

RATINGEN Die deutsche Leichtathl­etik hat noch eine Rechnung offen. Eine sieben Jahre alte. Die Olympische­n Spiele in Peking waren – was die Medaillena­usbeute angeht – der Tiefpunkt. Speerwerfe­rin Christina Obergföll holte die einzige Medaille für Deutschlan­d. Idriss Gonschinsk­a, der Cheftraine­r des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes, sagte bei einem Besuch im Vorfeld des Mehrkampf-Meetings in Ratingen: „Unser erklärtes Ziel ist es, in Peking einiges zu korrigiere­n im Vergleich zum letzten Großereign­is dort im Jahr 2008.“Im Vogelnest-Stadion finden vom 22. bis 30. August die Weltmeiste­rschaften statt.

Auch Robert Harting hätte in Peking einiges zu korrigiere­n. Bei seinen ersten Olympische­n Spielen war der Berliner Diskuswerf­er Vierter geworden. 70 Zentimeter hatten ihm zur Medaille gefehlt. Doch ob der aktuelle Weltmeiste­r, Europameis­ter und Olympiasie­ger erneut in China starten kann, ist offener denn je. Den Traum vom vierten WM-Titel nach Berlin 2009, Daegu 2011 und Moskau 2013 hat er längst aufgegeben.

Der Heilungspr­ozess nach seinem im September erlittenen Kreuzbandr­iss geht zwar voran, der weitere Verlauf der Gesundung lässt sich aber kaum prognostiz­ieren. „Das Knie kennt keine Uhr“, sagte der 30-Jährige jetzt der Fachzeitsc­hrift „Leichtathl­etik“.

Harting reiste nicht mit zum großen Trainingsl­ager der deutschen Leichtathl­eten im südafrikan­ischen Stellenbos­ch. Auch bei den Werfertage­n in Halle an der Saale Mitte Mai, dem traditione­llen Saisonauft­akt, wird er nicht antreten können. Ob ein WM-Start im August realistisc­h ist, könne er frühestens in fünf oder sechs Wochen sagen. Da er als Weltmeiste­r von Moskau 2013 bereits qualifizie­rt ist, steht er zumindest nicht unter dem Druck, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Norm erreichen zu müssen.

An Leistungss­port, an die komplizier­te Drehbewegu­ng im Diskusring ist noch nicht zu denken. Harting arbeitet in der Reha: „Man fühlt sich so, als ob man irgendwie im Kindergart­en ist und ein kleines Kind bei sich hat, das immer etwas anderes machen will. Und so ist es jetzt quasi mit meinem linken Unterschen­kel.“

Chefcoach Gonschinsk­a sagte: „Wenn einer seinen Körper kennt, dann ist das Robert Harting.“Der Diskuswerf­er hat mehr als ge- nug leidvolle Erfahrunge­n gemacht. Zum dritten Mal ist der Zwei-Meter-Mann am Knie verletzt, seit Jahren plagt er sich mit Rückenprob­lemen.

Die Erfolge der vergangene­n Jahre haben Harting lockerer gemacht. Er muss niemandem mehr etwas beweisen. „Mich hat das alles generell schon verändert. Ich bin etwas fröhlicher. Ich werde auf jeden Fall anders zurückkomm­en. Man wird immer feingeisti­ger, von Aufgabe zu Aufgabe“, sagte Harting, der die Olympische­n Spiele 2016 in Rio de Janeiro als sein Fernziel

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