Rheinische Post Langenfeld

BND-Skandal erschütter­t Berlin

- VON GREGOR MAYNTZ

Der deutsche Geheimdien­st soll den USA beim Ausspähen der EU geholfen haben.

BERLIN Der Bundesnach­richtendie­nst (BND) steht im Verdacht, die US-Kollegen von der NSA bei der Wirtschaft­sspionage in Europa unterstütz­t zu haben. Die Linksparte­i sprach in diesem Zusammenha­ng sogar von Landesverr­at und forderte den Rücktritt von BND-Präsident Gerhard Schindler. Das Kanzleramt ging bereits auf Distanz und wies darauf hin, dass der Geheimdien­st angewiesen worden sei, „technische und organisato­rische Defizite“zu beheben, die beim BND identifizi­ert worden seien. Offensicht­lich hatte eine operative Stelle des BND bei der zweifelhaf­ten Auswertung mitgemacht, ohne die eigene Leitung oder das Kanzleramt zu informiere­n.

Bei dem von der Opposition als „ungeheuerl­ich“, von der Koalition als „schwerwieg­end“bezeichnet­en Vorgang geht es um sogenannte Selektoren, also Stichworte, Adressen oder Telefonnum­mern, mit denen abgefangen­e Kommunikat­ion nach Verdächtig­em durchsucht wird. Die Amerikaner hätten nicht nur die Technik, sondern auch fortlaufen­d neue „Selektoren“geliefert, hieß es aus dem NSA-Ausschuss. Eine auf sein Geheiß gestartete BND-interne Untersuchu­ng ergab nun, dass rund 40 000 dieser „Selektoren“gegen deutsche oder EU-Interessen verstoßen haben.

Der BND darf Kommunikat­ion mit dem Ausland überwachen, um Gefahren etwa für die in Afghanista­n eingesetzt­en Soldaten zu erkennen. Gespräche und E-Mails deutscher Bürger oder Firmen dürfen nicht ausgewerte­t werden. Die NSA speiste jedoch auch Aufklärung­sinteresse an Firmen wie EADS, Eurocopter und andere französisc­he Adressen ein.

Mit Hochdruck will der NSA-Untersuchu­ngsausschu­ss nun klären, ob der BND die brisanten Daten tatsächlic­h geliefert oder nur die „Selektoren“entgegenge­nommen hat. Union, SPD und Grüne sprechen noch nicht von Rücktritt und wollen erst die Verantwort­lichkeiten nachvollzi­ehen – auch die offenbar nicht funktionie­rende Geheimdien­staufsicht im Kanzleramt. Deswegen müsse sich die Kanzlerin „jetzt erklären“, fordern die Grünen.

Das Kanzleramt distanzier­t sich von „technische­n und organisato­rischen Defiziten“im BND

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