BND-Skandal erschüttert Berlin
Der deutsche Geheimdienst soll den USA beim Ausspähen der EU geholfen haben.
BERLIN Der Bundesnachrichtendienst (BND) steht im Verdacht, die US-Kollegen von der NSA bei der Wirtschaftsspionage in Europa unterstützt zu haben. Die Linkspartei sprach in diesem Zusammenhang sogar von Landesverrat und forderte den Rücktritt von BND-Präsident Gerhard Schindler. Das Kanzleramt ging bereits auf Distanz und wies darauf hin, dass der Geheimdienst angewiesen worden sei, „technische und organisatorische Defizite“zu beheben, die beim BND identifiziert worden seien. Offensichtlich hatte eine operative Stelle des BND bei der zweifelhaften Auswertung mitgemacht, ohne die eigene Leitung oder das Kanzleramt zu informieren.
Bei dem von der Opposition als „ungeheuerlich“, von der Koalition als „schwerwiegend“bezeichneten Vorgang geht es um sogenannte Selektoren, also Stichworte, Adressen oder Telefonnummern, mit denen abgefangene Kommunikation nach Verdächtigem durchsucht wird. Die Amerikaner hätten nicht nur die Technik, sondern auch fortlaufend neue „Selektoren“geliefert, hieß es aus dem NSA-Ausschuss. Eine auf sein Geheiß gestartete BND-interne Untersuchung ergab nun, dass rund 40 000 dieser „Selektoren“gegen deutsche oder EU-Interessen verstoßen haben.
Der BND darf Kommunikation mit dem Ausland überwachen, um Gefahren etwa für die in Afghanistan eingesetzten Soldaten zu erkennen. Gespräche und E-Mails deutscher Bürger oder Firmen dürfen nicht ausgewertet werden. Die NSA speiste jedoch auch Aufklärungsinteresse an Firmen wie EADS, Eurocopter und andere französische Adressen ein.
Mit Hochdruck will der NSA-Untersuchungsausschuss nun klären, ob der BND die brisanten Daten tatsächlich geliefert oder nur die „Selektoren“entgegengenommen hat. Union, SPD und Grüne sprechen noch nicht von Rücktritt und wollen erst die Verantwortlichkeiten nachvollziehen – auch die offenbar nicht funktionierende Geheimdienstaufsicht im Kanzleramt. Deswegen müsse sich die Kanzlerin „jetzt erklären“, fordern die Grünen.
Das Kanzleramt distanziert sich von „technischen und organisatorischen Defiziten“im BND