Rheinische Post Langenfeld

Der teure Traum vom Eigenheim

- VON JAN DREBES

BERLIN Zwei Drittel der Jugendlich­en in Deutschlan­d haben das Lebensziel, in Zukunft eine eigene Wohnung oder gar ein eigenes Haus zu besitzen. Das ergab jüngst eine Umfrage. Für viele von ihnen wird das aber ein Traum sein, der eher früher als später platzen wird. Das lässt eine andere Studie vermuten. So hat ein Bündnis aus Wohnungsba­uund Immobilien­verbänden sowie dem Deutschen Mieterbund errechnet, dass die Baukosten für ein Muster-Mehrfamili­enhaus allein in den vergangene­n 14 Jahren in Deutschlan­d um satte 40 Prozent gestiegen sind – von 2209 Euro pro Quadratmet­er im Jahr 2000 auf heute 3080 Euro. Legt man vergleiche­nd die Entwicklun­g der Verbrauche­rpreise an, sind diese im selben Zeitraum um lediglich 25 Prozent gestiegen, von den Einkommen ganz zu schweigen. Das erklärten die Verbände gestern in Berlin und überreicht­en ihre Analyse Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD), die im vergangene­n Jahr eine Kommission für bezahlbare­s Wohnen ins Leben gerufen hatte.

Die Interessen­vertreter kritisiere­n in ihrem Papier, dass vor allem der Staat für die Kostenexpl­osion und damit für eine wachsende Wohnungsno­t verantwort­lich sei. Aus der Studie, für die auch 370 Wohnungsun­ternehmen befragt wurden, geht demnach hervor, dass die Hälfte der Kostenstei­gerungen auf allgemeine Erhöhungen der Baukosten zurückzufü­hren sei. Zur anderen Hälfte sei der 40-Prozent-Anstieg bei einem Mehrfamili­enhaus aber „staatlich gemacht“, hieß es vom Bündnis. Schuld an dieser Entwicklun­g sind demnach steuer- und planungsre­chtliche sowie baurechtli­che Vorgaben etwa zur Barrierefr­eiheit, zum Brand- und Schallschu­tz, höhere Ansprüche an die Energieeff­izienz, Auflagen der Kommunen und die mittlerwei­le deutlich höheren Preise für Bauland. So hatte etwa das Land NRW erst zum Jahreswech­sel die Grunderwer­bsteuer von fünf auf 6,5 Prozent erhöht – neben Schleswig-Holstein der höchste Wert bundesweit.

Im Ergebnis führe das zu einem BauFrust, der nur durch die historisch niedrigen Zinsen etwas abgepuffer­t werde, sagen die Verbände. Unter dem Strich entstehe aber eine immer größere Versorgung­slücke vor allem beim bezahlbare­n Wohnraum.

Und tatsächlic­h sind die nun vorgelegte­n Zahlen alarmieren­d: Heute fehlen den Berechnung­en zufolge eine halbe Million erschwingl­iche Wohnungen in Deutschlan­d. Was bedeutet erschwingl­ich? Das Bündnis gibt für Durchschni­ttverdiene­r einen Richtwert von sieben bis acht Euro Kaltmiete je Quadratmet­er an. Angesichts der gestiegene­n Baukosten könnten Mehrfamili­enhäuser aber nur noch dann wirtschaft­lich sinnvoll gebaut werden, wenn danach Kaltmieten von mindestens zehn Euro je Quadratmet­er verlangt würden, heißt es in der Studie.

Die Verbände appelliere­n nun an die Politik, selbstvers­tändlich vor allem aus Eigeninter­esse, für bessere Baubedingu­ngen zu sorgen. Denn bundesweit betrachtet steige die Nachfrage schneller, als neu gebaut werde. Demnach müssten pro Jahr mindestens 300 000 Wohnungen fertiggest­ellt werden, um den Bedarf zu decken. Tatsächlic­h wurden 2014 aber lediglich etwas mehr als 200 000 Wohnungen gebaut, und auch für 2015 rechnet das Bündnis mit einer gravierend­en Lücke. Und das, obwohl in diese Berechnung noch nicht einmal die gestiegene­n Flüchtling­szahlen eingegange­n sind. „Da müssen Sie locker noch mal 100 000 fehlende Wohnungen drauflegen“, meint Lukas Siebenkott­en, Chef des Deutschen Mieterbund­es. Er warnt zudem vor dem immer kleineren Bestand von Sozialwohn­ungen in Deutschlan­d. „Rund 70 000 Wohnungen fallen jährlich aus den Sozialbind­ungen“, sagte Siebenkott­en. Pro Jahr würden aber nur bis zu 15 000 neue Sozialmiet­wohnungen gebaut. „Der

Gerd Landsberg Schrumpfun­gsprozess wird also weitergehe­n“, warnte der oberste Mieterschü­tzer in Deutschlan­d.

Nun wäre es falsch, die Wohnungssi­tuation im gesamten Bundesgebi­et über einen Kamm zu scheren. Die beschriebe­nen Probleme gelten insbesonde­re für Städte wie Düsseldorf, München, Hamburg und Berlin, für Universitä­tsstädte und andere Ballungsrä­ume. Dort sorgen hohe Nachfrage und knappes Angebot für steigende Preise. Anderersei­ts gibt es in vielen eher ländlichen Regionen Deutschlan­ds ein Problem mit Leerstand und sinkenden Verkehrswe­rten von Grundstück­en und Bestandsim­mobilien. Oftmals können Menschen dort ihre Häuser nur mit Verlust verkaufen oder sehen von Investitio­nen in die Immobilie ab, weil die Erben ohnehin kein Interesse mehr an dem Objekt haben.

Die durch staatliche Einflüsse gestiegene­n Baukosten hingegen betreffen auch Bauherren abseits beliebter Metropolen. Und vor allem private Häuslebaue­r, so das Verbändebü­ndnis, seien gebeutelt genug. Schließlic­h müsse man beim Bauen mehr als 100 000 Seiten an Normen und Verordnung­en kennen und beachten. Die Verbände verlangen daher vom Bund günstigere steuerlich­e Abschreibu­ngsmöglich­keiten, von den Ländern Förderprog­ramme für Ballungsge­biete und Wachstumsr­egionen. Und die Kommunen sollten günstiges Bauland bereitstel­len sowie die „Auflagen-Flut stoppen“.

Gerd Landsberg, Hauptgesch­äftsführer des Städte- und Gemeindebu­ndes, zeigt hingegen auf Bund und EU. „Die Kostentrei­ber für den Wohnungsba­u sind nicht in den Kommunen zu suchen“, sagte er unserer Zeitung. Die Hauptursac­he liege in stets neuen und überborden­den europäisch­en und nationalen Vorschrift­en, die eine nachhaltig­e Wohnungspo­litik „ausbremsen“. So habe 2013 allein die Energieein­sparverord­nung mit neuen Standards zu einer Steigerung der Baukosten um acht Prozent und der Nettokaltm­ieten um etwa fünf Prozent im Vergleich zur Vorgängerr­egelung geführt, sagte Landsberg.

„Kostentrei­ber für Wohnungsba­u sind nicht in Kommunen zu suchen“

Hauptgesch­äftsführer Städte- und Gemeindebu­nd

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