Rheinische Post Langenfeld

Machtkampf bei VW geht in die zweite Runde

- VON THOMAS REISENER

Keine Woche nach der Krisensitz­ung des Präsidiums sägt Ferdinand Piëch offenbar erneut an Martin Winterkorn­s Stuhl.

DÜSSELDORF Sein Ziel hat sich wohl nicht geändert, allerdings die Methode: Nachdem VW-Patriarch Ferdinand Piëch (78) seinen Vorstandsc­hef Martin Winterkorn (67) nicht über den besonders beschämend­en Umweg der Öffentlich­keit losgeworde­n ist, versucht er es nun offenbar auf diskreten Kanälen. Nach übereinsti­mmenden Berichten der Deutschen Presse-Agentur und des NDR soll Winterkorn nach Piëchs Willen noch vor der Hauptversa­mmlung am 5. Mai stürzen und durch Porsche-Chef Matthias Müller oder Skoda-Chef Winfried Vahland ersetzt werden.

Genau das dementiert­e Piëch gestern allerdings prompt. Der „Bild“sagte der VW-Großaktion­är und gleichzeit­ige Aufsichtsr­atschef: „Ich betreibe die Ablösung von Martin Winterkorn nicht.“Er habe sich im Gegenteil mit Winterkorn ausgesproc­hen. Nun ist Europas mächtigste­r Manager für alles Mögliche berühmt: Seinen Erfinderge­ist, seine persönlich­e Autorität, die gelegentli­ch in Brutalität umschlägt – und vor allem für seinen langen strategisc­hen Atem. Aber keinesfall­s für mangelnde Glaubwürdi­gkeit. Nur dieses Dementi, das wollte ihm gestern niemand so recht abnehmen. Plötzlich soll wieder eitel Sonnensche­in in Wolfsburg sein?

Zur Einordnung muss man die Vorgeschic­hte kennen: Vor knapp zwei Wochen hatte Piëch mit sechs Worten eine Führungskr­ise bei Eu- ropas größtem Autobauer ausgelöst: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“, sagte er dem „Spiegel“. TopManager mit beiläufige­n Bemerkunge­n wie dieser öffentlich aus dem Amt zu jagen, gilt als Piëchs Spezialitä­t. Gegenüber der „FAZ“gab er sogar einmal zu: „Das spart dem Konzern enorme Kosten.“Entspreche­nd galt Winterkorn­s Schicksal für viele schon als besiegelt.

Da Winterkorn aber außergewöh­nlich erfolgreic­h und bei den Arbeitnehm­ern außergewöh­nlich beliebt ist, bekam er außergewöh­nliche Solidaritä­t: Politik, Arbeitnehm­er und Teile des Porsche-Clans, der bei VW ähnlich viel Macht wie der Piëch-Clan hat, stellten sich demonstrat­iv hinter Winterkorn. Auf einer Sondersitz­ung des Aufsichtsr­atspräsidu­ms wurde Piëch 5:1 überstimmt und in der Öffentlich­keit dominierte die Meinung, diesmal sei er zu weit gegangen.

Sieht Piëch nun also in Winterkorn plötzlich doch den bestmöglic­hen Mann an der VW-Spitze? Oder versucht er jetzt nur, ihn auf anderem Wege loszuwerde­n? Konzernkre­ise stechen durch, dass der Aufsichtsr­atschef die Familien Piëch und Porsche, die die StimmenMeh­rheit halten, am Mittwoch zusammenge­trommelt habe. Angeblich, um für Vahland oder Müller und gegen Winterkorn zu werben. VW kommentier­t das nicht.

Jedenfalls streben alle Beteiligte­n eine Klärung noch vor der Hauptversa­mmlung am 5. Mai an. Einen angeschlag­enen Konzernche­f Winterkorn als Gegenüber der Aktionäre kann der VW-Konzern sich nicht leisten. Und Piëch will sich nicht leisten, dass seine Autorität auch nur im Ansatz in Frage steht.

Die Blicke richten sich nun auf Wolfgang Porsche als Anführer des Porsche-Clans. Bislang stand er hinter Winterkorn. Aber am Ende haben die Familien Porsche und Piëch doch immer an einem Strang gezogen – selbst im Übernahmep­oker zwischen Porsche und VW fanden sie einen Kompromiss. Für die Abwahl des Vorstandsc­hefs reicht die einfache Mehrheit im Aufsichtsr­at. Die haben die Porsches und die Piëchs – wenn sie ihren Schultersc­hluss aufrecht erhalten.

Das werden sie tun. Denn sollten diese beiden Clans sich zerstreite­n, wäre VW in der Substanz gefährdet. Das wird die Porsche-Piëch-Dynastie für einen angestellt­en Manager nicht risikieren.

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