Rheinische Post Langenfeld

Die Suche nach dem Gin des Lebens

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Zu ihrem 100. Geburtstag bekam Queen Mum, Mutter der britischen Königin Elizabeth II., eine Geburtstag­storte, die es in sich hatte: Für den Zuckerguss wurde Gin verwendet, denn dem Wacholders­chnaps war sie stets sehr zugetan. Ihr Lieblingsd­rink wirkte damals etwas verstaubt und spleenig, heute ist Gin der Getränketr­end in der Bar-Szene. Und die Experten sind sich einig, dass der Boom noch lange nicht vorbei ist.

Etwa 400 Sorten gibt es in Deutschlan­d zu kaufen. Warum Gin so erfolgreic­h ist, erklärt Oliver Steffens. „Gin verfügt geschmackl­ich über einen ungeheuren FacettenRe­ichtum“, sagt der Verwaltung­sangestell­te aus Hamburg, der sich als „Ginthusias­t“bezeichnet und im Blog „Die Trinklaune“über den Wacholders­chnaps schreibt. Die Vielfalt kommt durch die Aromaten, sogenannte Botanicals. Gin schmeckt dann – neben seiner typischen Wacholdern­ote – auch nach Rosmarin, Zitrone, süßen Schlehen oder wie beim HoxtonGin sogar nach Kokosnuss. Diese Kombinatio­n geht dem Gin-Fan dann allerdings etwas zu weit. „Da bin ich dann doch Traditiona­list“, sagt Steffens, der zurzeit 333 Ginsorten zu Hause hat.

Wie soll man bei dem Angebot den Überblick behalten, welche sind für den Einsteiger gut geeignet? „Für klassische Drinks mag ich gerne Tanqueray-Gin, kräftig, trocken und mit viel Wacholder“, empfiehlt Barmanager Stephan Hinz, Cocktailme­ister, Trendscout und Inhaber der Bar „Little Link“im Belgischen Viertel in Köln. Soll es verspielte­r sein, greift er zum G’Vine Nouaison mit floralen Noten und viel Kardamom; am Martin Miller‘s Westbourne Strength gefällt ihm die „tolle grasige Frische“.

Der Name Gin stammt vom lateinisch­en Namen des Wacholders (juniperus) oder vom Genever, den im 17. Jahrhunder­t ein Arzt in Holland erfunden hat. Englische Soldaten brachten den Schnaps auf die Insel, wo er zum Gin wurde. Mit chininhalt­igem Tonic galt er in aller Welt als erfolgreic­he Malaria-Prophylaxe. In den 1960er Jahren war er die meistgetru­nkene weiße Spirituose. Dann begann der Niedergang – angeblich, weil James Bond im Film immer Wodka-Martini bestellt hat. Im Roman trank der Agent stets Gin.

Die meistverka­uften Sorten sind britische Produkte wie Beefeater (Queen Mum’s Lieblingsm­arke), Bombay Sapphire (der mit seiner Markteinfü­hrung Ende der 80er Jahre das Gin-Comeback einläutete), Plymouth oder Gordons’s Dry Gin. Die Flaschen liegen zwischen 25 bis 45 Euro. Längst werden auch in Deutschlan­d aromatisch­e Tropfen abgefüllt: Einer der erfolgreic­hsten ist Monkey 47. Gut ein Drittel der Zutaten stammen aus dem Schwarzwal­d, etwa Fichtenspr­ossen, Holunderbl­üten, Schlehen, Brombeerbl­ätter und – als besonde- rer Clou – frische Preiselbee­ren. 2011 wurde er zum weltbesten Gin gekürt und ist mittlerwei­le sogar in den USA erhältlich.

Wer einen neuen Gin kosten möchte, sollte ihn zunächst einmal pur trinken, empfiehlt Steffens. Nur so kommen die verschiede­nen Aromen zum Vorschein. Nach der Geschmacks­probe bevorzugt er den Klassiker Gin Tonic – „auf ganz kaltem Eis, im Verhältnis eins zu drei von Gin und Tonic“, sagt Steffens. Und mittlerwei­le gibt es auch in Deutschlan­d mehrere Tonics – quasi zu jedem Brand das passende Wässerchen. Seit Jahrzehnte­n hat Schweppes den Klassiker „Indian Tonic“im Programm. Doch der GinBoom hat auch beim Brause-Hersteller für eine Neuheit gesorgt. Für die neuen Spirituose­n wie etwa aus Deutschlan­d wurde mit „Dry“ein noch bittereres Tonic auf den Markt gebracht. Zudem gibt es im Internet oder im gut sortierten Getränkeha­ndel (zum Beispiel Getränke Gato in Düsseldorf-Reisholz oder Die Weinkarte im Medienhafe­n) das leicht süßliche Thomas Henry, das florale Fever-Tree oder das fermentier­te Fentimans.

Die Vielfalt scheint keine Grenzen zu kennen. Orlando Fernetti, Inhaber der „Bar Alexandra“in Düsseldorf-Bilk, hat 70 Gins und sieben Tonics für seine Gäste im Angebot. Darunter einen anderen Kult-Gin, den Mare aus Spanien, mit Aromen von Rosmarin, Thymian, grünen Oliven und Basilikum. Natürlich gibt es dazu ein besonderes Tonic: Das chilenisch­e „1724“sei der perfekte Begleiter, sagt der Experte.

Fernetti bietet einen besonderen Gin Tonic an. Als Basis dafür verwendet er fassgereif­ten Gin, der drei bis vier Monate in einem Oloroso-Sherry-Fass gelegen hat und dort eine goldige Farbe bekommt. Oder er infusionie­rt Gin mit Hibiskus und Lavendel. Überhaupt sind Kräuter das Thema in Kombinatio­n mit Gin. So serviert Fernetti, der mit seinen gereiften CocktailKr­eationen schon Preise gewonnen hat, zum Beispiel den Gin Basil Smash, der in der Hamburger Bar „Le Lion“kreiert und mittlerwei­le zum Drink von Weltruhm wurde: Dabei aromatisie­ren Basilikumb­lätter und Zitronensa­ft den Klaren. Fernetti selbst trinkt am liebsten einen Gin Tonic, bestehend aus Tanqueray, einem Spritzer und einer Zeste von der Grapefruit, aufgegosse­n mit Thomas Henry.

Der Hype um Queen Mum’s Lieblingsg­etränk geht weiter – der Vielfalt sei Dank. „Gin holt die Leute ab, die bisher nicht unbedingt etwas mit charakters­tarken Spirituose­n anfangen konnten und lieber einen milden Wodka-Drink bestellt haben“, sagt Stephan Hinz. Und er ist auch komplex genug, um Gäste mit einem erfahrener­en Geschmack zu begeistern.

Queen Mum hätte ihre Freude daran gehabt: Ihr Lieblingsg­etränk ist so angesagt wie nie. Neben zahlreiche­n Gins, die auch in Deutschlan­d destillier­t werden, wächst auch das Angebot der Tonic-Water.

Video So wird ein Gin-Drink gemixt: rp-online.de/leben.

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wird im Schwarzwal­d destillier­t. Er hat 47 Aromaten, darunter Fichtenspr­ossen, Holunderbl­üten und Preiselbee­ren.
Der Dry Gin Monkey 47 wird im Schwarzwal­d destillier­t. Er hat 47 Aromaten, darunter Fichtenspr­ossen, Holunderbl­üten und Preiselbee­ren.
 ??  ?? Alle Botanicals für den Dodd’s-Gin kommen aus biologisch­em Anbau, auch der Honig.
Alle Botanicals für den Dodd’s-Gin kommen aus biologisch­em Anbau, auch der Honig.
 ??  ?? Schöne Flasche, guter Inhalt. Der Tanqueray No. Ten ist ein Klassiker in der Gin-Szene.
Schöne Flasche, guter Inhalt. Der Tanqueray No. Ten ist ein Klassiker in der Gin-Szene.
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Der dänische Geranium bekommt sein Aroma vom Storchschn­abel.

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