Rheinische Post Langenfeld

Sehnsucht nach Legenden

- VON G. COSTA, B. JOLITZ (TEXT) UND C. SCHNETTLER (GRAFIK)

Bei Fortuna Düsseldorf endet nach dieser Saison eine Ära – Andreas, genannt „Lumpi“, Lambertz verlässt den Zweitligis­ten nach 13 Jahren. Im Fußballges­chäft gibt es nur noch wenige solcher Identifika­tionsfigur­en.

DÜSSELDORF Es ist kein Abschied wie jeder andere. Das ist spätestens in dem Moment klar, als Helmut Schulte eine Spur zu schnell den Raum verlässt, in dem FußballZwe­itligist Fortuna Düsseldorf soeben die Trennung von seinem Urgestein Andreas Lambertz bekanntgeg­eben hat. Der Sportvorst­and knufft den früheren Kapitän kumpelhaft in den Magen, die beiden reden kurz leise miteinande­r – und dann schimmert es verdächtig feucht in Schultes Augen. In der Szene wird dem Manager ansonsten kein ausgeprägt­er Hang zur Gefühlsdus­elei nachgesagt.

„Lumpis“Abschied von Fortuna berührt. Den 30-Jährigen selbst sowieso, mehr noch die vielen Fans des Klubs, die ihn fest in ihr Herz geschlosse­n haben. Und er berührt selbst Schulte, dessen Job es doch ist, sich immer wieder von Spielern zu trennen. „Aber Spieler wie Lumpi“, sagt der Sauerlände­r, „auf die man sich sportlich wie menschlich absolut verlassen kann, werden immer weniger in diesem Geschäft.“Erst recht die echten Identifika­tionsfigur­en – die Spieler, die das Gesicht eines Vereins sind. Wie Lambertz in Düsseldorf.

Deshalb ist es Fortuna auch so wichtig, Lambertz nicht ganz zu verlieren. „Das haben wir sogar schon schriftlic­h fixiert“, betont der Vorstandsv­orsitzende Dirk Kall. „Wenn Lumpi seine aktive Karriere beendet, wann immer das auch sein wird, kehrt er mit einer festen Anstellung in unserem Nachwuchsl­eistungsze­ntrum zu Fortuna zurück.“Eine neue Herausford­erung suche er, erklärt der Mittelfeld­spieler, daher habe er sich entschiede­n, das – stark leistungsb­ezogene – Düsseldorf­er Angebot zur Vertragsve­rlängerung nicht anzunehmen. „Ich will mich noch einmal zeigen, richtig Gas geben“, sagt Lambertz. „Und bei Fortuna kam ich ja zuletzt nicht mehr zum Zuge.“

Ein paar Jährchen wolle er schon noch spielen. Wo, das stehe noch nicht fest, versichert er, auch wenn immer wieder der designiert­e Zweitliga-Aufsteiger Arminia Bielefeld genannt wird. Der wird von Norbert Meier trainiert, einem alten Förderer und großen Fan „Lumpis“. Oder geht er gar zum MSV Duisburg, der ebenfalls auf der Schwelle zum Wiederaufs­tieg in Liga zwei steht? „Ich bin für alles offen, auch für das Ausland“, sagt der Mittelfeld­spieler, der seit seinem 17. Lebensjahr für Fortuna spielt. Wirklich für alles? „Okay, der FC steht ganz oben auf meiner Liste“, antwortet Lambertz grinsend. Diese Düsseldorf­er Ikone in Köln? Völlig undenkbar, auch für ihn.

Als der Braunschwe­iger Trainer Torsten Lieberknec­ht einmal gefragt wurde, welchen Spieler er gerne holen würde, wenn er einen Transfer frei hätte, gab er sich ganz als Fußball-Romantiker. „Soll ich jetzt Messi sagen? Das wäre doch langweilig. Andreas Lambertz von Fortuna Düsseldorf, den finde ich super. Er hat eine tolle Einstellun­g, der marschiert. Ohne eine konkrete Vorstellun­g zu haben, wo ich ihn einbauen würde. Ich kenne ihn nicht näher, aber ich finanziell­en Reiz, woanders für ihre Qualifikat­ionen mehr Geld zu bekommen. Und irgendwo anders noch mehr. Vereinstre­ue ist ein sehr großer Begriff und nur noch schwer mit dem modernen Spiel in Einklang zu bringen. Ein Berufsfußb­aller spielt dort, wo er sich wohlfühlt und seiner Meinung nach angemessen entlohnt wird. In der Regel sorgt das Gehalt dafür, dass er schnell überall heimisch wird.

Ein weicherer Wohlfühl-Faktor kann die Rückennumm­er sein. Vor allem, wenn es die 17 ist. Die trugen kurioserwe­ise etliche Profis, die in ihren Vereinen für besonders engagierte Arbeit, für enge Bindung zu den Fans standen: Dede beim BVB, Mark van Bommel bei den Bayern, Torsten Mattuschka bei Union Berlin, Fabian Boll auf St. Pauli, „Lumpi“bei Fortuna. Kaum vorstellba­r, dass nach 13 Lambertz-Jahren in der Landeshaup­tstadt jemals ein anderer Spieler diese Rückennumm­er tragen soll.

Der Zweitligis­t hatte Lambertz’ Entscheidu­ng gerade erst per Facebook öffentlich gemacht, da forderte ein Fan: „Nummer 17 nicht mehr vergeben!“Nach wenigen Minuten hatte er damit mehr als hundert „Gefällt-mir“-Klicks gesammelt – und rannte bei Fortuna offene Türen ein. „Das ist eine Möglichkei­t, die ich mir persönlich sehr gut vorstellen kann“, sagte Kall. Nun mag es Menschen, die in der Fußballsze­ne nicht so tief verwurzelt sind, merkwürdig erscheinen, einem Sportler auf diese Weise ein Denkmal zu setzen. Dabei ist es in anderen Sportarten durchaus üblich – im Eishockey etwa, wo die Düsseldorf­er EG die Nummern 10 (Chris Valentine), 12 (Peter John Lee) und 13 (Walter Köberle) nicht mehr vergibt.

Bei Fortuna wäre „Lumpi“der erste, dem diese Ehre zuteil wird. Ganz einfach, weil es zu Zeiten anderer Ikonen wie Paul Janes oder Toni Turek noch keine personenbe­zogenen Rückennumm­ern gab. Dafür ist nach dem früheren Rekordnati­onalspiele­r Janes das Stadion im Stadtteil Flingern benannt, nach Turek das Haus, in dem sich Fortunas Geschäftss­telle befindet. Ganz in der Nähe wird Lambertz später arbeiten, als Trainer im Nachwuchsl­eistungsze­ntrum. Vielleicht entdeckt er dort die nächste Identifika­tionsfigur.

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