Rheinische Post Langenfeld

BND unter Verdacht

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Es war ein Schuss ins Blaue, den der NSA-Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestage­s am 18. Dezember 2014 abfeuerte, als er Informatio­nen über „weitere Projekte oder Operatione­n zur technische­n Aufklärung des Bundesnach­richtendie­nstes“anforderte. Vier Monate später erweist sich das parlamenta­rische Manöver als Treffer ins Schwarze: 40 000 Mal soll die US-Sicherheit­sagentur NSA den BND gebeten haben, Ziele auszuhorch­en, bei denen die Datenliefe­rung gegen deutsche oder europäisch­e Interessen verstoßen hätte.

Die Dimension scheint ungeheuerl­ich. Der Inhalt bleibt es auf jeden Fall, selbst wenn die Zahl relativier­t werden muss. Denn es handelte sich nicht um 40 000-faches Zuraunen unter befreundet­en Schlapphüt­en, mal die eigene Regierung oder einen wichtigen europäisch­en Konzern gezielt auszuhorch­en. Vielmehr hatten die Amerikaner den deutschen Verbündete­n ein Programm zur Verfügung gestellt, mit dem sie aus der überwachte­n Auslands-Kommunikat­ion jene Bestandtei­le gezielt herausfilt­ern konnten, die sich bestimmten Schlüsselb­egriffen, Telefonnum­mern oder Computern zuordnen ließen.

Viele Hunderttau­sende dieser „Selektoren“(Suchbegrif­fe) soll die NSA dem BND übermittel­t haben – darunter beispielsw­eise solche, die sich auf die Rüstungsfi­rmen EADS und Eurocopter sowie französisc­he Behörden beziehen. Noch nicht aufgeklärt ist, wie die deutschen Geheimdien­stler mit diesem „Service“der Amerikaner umgingen: Spielten sie immer alle neuen „Selektoren“automatisc­h in die eigene Überwachun­gssoftware ein? Prüften sie vorher, ob sie diese „Selektoren“verwenden wollten? Oder prüften sie hinterher, welche sie davon wieder löschen? Das sollen die betreffend­en BND-Mitarbeite­r möglichst noch im Mai dem Untersuchu­ngsausschu­ss beantworte­n.

Und sie sollen auch erläutern, ob sie alle Treffer oder nur Teile übermittel­ten und ob das naheliegen­derweise und schwer kontrollie­rbar automatisi­ert verlief. Der BND darf als Auslandsge­heimdienst nämlich nicht deutsche Staatsbürg­er oder Firmen belauschen und muss daher solche Funde umgehend löschen. Zudem liegt es in seinem Ermessen, welche Erkenntnis­se er befreundet­en Diensten übermittel­t. An dieser Stelle entscheide­t sich, ob die Verfehlung­en des BND inhaltlich zu vernachläs­sigen sind oder sich zu einem großen Problem entwickeln. Schon jetzt steckt dahinter jedoch ein organisato­rischer Skandal: Dass die 40 000 Verstöße gegen deutsche und europäisch­e Interessen nämlich erst nach der Ausschuss-Anfrage an BND-Spitze, Kanzleramt und Parlament gemeldet wurden und die operative Ebene sie seit Jahren für sich behielt. Dabei hätte die Sensibilit­ät bei jedem BND-Mitarbeite­r in Sachen NSA-Kooperatio­n ausgeprägt sein müssen – spätestens seit den Enthüllung­en Edward Snowdens im Juni 2013 und allerspäte­stens seit dem Start des Untersuchu­ngsausschu­sses im März 2014.

Dieses Verhalten weckt Misstrauen vor einem „Eigenleben“der Geheimdien­ste, denn natürlich darf ein deutscher Nachrichte­ndienst nicht deutsche oder französisc­he Firmen und Behörden aushorchen. Genauso wenig darf er die aus anlasslose­r Massenspei­cherung herausgefi­lterte interne Kommunikat­ion dieser Betroffene­n an die NSA übermittel­n. Und selbstvers­tändlich sollten entspreche­nde Anfragen der NSA sowohl der BND-Spitze als auch dem Kanzleramt bekannt sein. Das ist der Teil, den sich BND-Präsident Gerhard Schindler und Geheimdien­stkoordina­tor Klaus-Dieter Fritsche als „Organisati­onsversage­n“vorhalten lassen müssen.

Schnell identifizi­erte das Kanzleramt „technische und organisato­rische Defizite“im BND und verwies darauf, deren

Es verfestigt sich der Eindruck, dass die NSA den Deutschen nicht nur beim Aufdecken von

Terrorplän­en hilft

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