Die berühmteste Arena der Welt
Der Madison Square Garden ist für viele ein magischer Ort. Alle großen Stars des Showgeschäfts standen in New York bereits auf der Bühne. In der kommenden Nacht verteidigt Box-Profi Wladimir Klitschko im Ring seine Titel.
NEW YORK/DÜSSELDORF Der berühmteste Auftritt von Marilyn Monroe ist eine Minute und 37 Sekunden lang. Es ist der 19. Mai 1962, Madison Square Garden, New York. Der Hollywood-Star steht im hautengen Kleid auf der Bühne und haucht lasziv „Happy Birthday, Mister President“ins Mikrofon. Am 3. August 1971 stehen sich am Pennsylvania Plaza Joe Frazier und Muhammad Ali im „Kampf des Jahrhunderts“gegenüber – mit dem besseren Ende für Frazier. Die Brühlerin Steffi Graf verabschiedet sich
Die Amerikaner haben die Lust am Schwergewicht schon vor Jahren
verloren
am 17. November 1999 beim Tennis-Masters von ihrem Publikum nach 17 Jahren auf der Tour. Seither hängt ihr Name auf einem Banner unter der Hallendecke. Der Madison Square Garden ist ein magischer Ort. Unter dem Dach der bereits mehrmals in ihrer Geschichte umgezogenen Halle sind Große zu Legenden geworden.
Wladimir Klitschko nimmt schon zum mittlerweile vierten Mal einen Anlauf im MSG. Heute Nacht (4.20 Uhr MEZ/RTL) gegen Bryant Jennings. Der 39-Jährige ist indes auch diesmal um einiges davon entfernt, hernach eine große Nummer in den USA zu sein. Es gibt keinen großen Zweifel daran, dass der Ukrainer schon wie bei den Kämpfen gegen David Bostice (2000), Calvin Brock (2006) und Sultan Ibragimov (2008) auch diesmal als Sieger den Ring verlassen wird. Egal, was auch passiert. In den Staaten interessiert das nur ein überschaubares Publikum. Daran ist die Dominanz von Klitschko schuld, der seit elf Jahren ungeschlagen, seit nunmehr neun Jahren Champion im Schwergewicht ist. Der Weltmeister nach Version der WBA, WBO, IBF und IBO boxt schon lange in einer eigenen Klasse.
In den USA hat man sich nach den glorreichen Zeiten mit Namen wie Ali, Frazier, Evander Hollyfield und Mike Tyson vom Schwergewicht abgewandt. Es passt nicht in die Erlebniskultur der Amerikaner, sich zwölf Runden lang das Herumgeschubse von mal mehr (Klitschko) mal weniger (in der Regel dessen Herausforderer) muskulösen Kerlen anzusehen. Deutlich populärer sind Kämpfe ein paar Gewichtsklassen darunter. Am nächsten Wochenende stehen sich in Las Vegas Floyd Mayweather und Manny Pacquiao im Wel-
Beim Studium der Berichterstattung rund um die ereignisreichen Tage beim FC Bayern München fiel folgender Passus auf: „Es mag Zufall sein, aber auffällig ist schon, dass zwei Wochen nach dem Tod von Helmut Dietl eine weitere tief in die Republik ausstrahlende Münchener Institution dahin geht. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, jahrzehntelang Mannschaftsarzt des FC Bayern München, lebt zwar noch, hat aber gekündigt.“Den Tod eines Regisseurs mit dem Rücktritt eines 72jährigen gekränkten Mediziners zu vergleichen – darauf muss man erst einmal kommen. Auch in der „selbstverliebtesten Stadt Deutschlands“, wie es in dem Artikel heißt (ich dachte immer, das sei Köln), ist so ein Vergleich unpassend.
Ein bisschen überzogen hat auch Pep Guardiola. Die Begegnung mit dem FC Porto, die sich zu einem großen Triumph entwickelte, entschied zwar womöglich über seine Zukunft tergewicht (maximal 66,6 Kilogramm gegenüber. Der Fight wird als Jahrhundert-Kampf angepriesenen – finanziell auf jeden Fall: die Gesamteinnahmen sollen bei rund 360 Millionen Euro liegen. Die Umsatzzahlen von Klitschko werden bei seinem Auftritt „nur“im niedrigen zweistelligen Millionenbereich liegen. Der Madison Square Garden wird mit Ticketpreisen von bis zu 1000 Dollar ausverkauft sein – 18 200 Zuschauer passen bei Veranstaltungen dieser Art in die Arena. „Hier spüre ich immer so viel Energie“, sagt Klitschko.
Das geht vielen anderen auch so. Die New York Knicks (Basketball) und New York Rangers (Eishockey) tragen im Madison Square Garden ihre Heimspiele aus. Die Musiker Elton John und Billy Joel spielten jeweils mehr als 60 Mal vor ausverkauftem Haus. Justin Timberlake und Justin Bieber waren da. Dem Blockbuster „Godzilla“diente der MSG als Filmkulisse – im Sinne der Dramaturgie endet der Streifen am Ende mit der Zerstörung des Gebäudes.
Ein ähnliches Schicksal droht dem Areal allerdings auch im realen Leben. Der aktuelle gültige Mietver- trag zwischen den Betreibern und der Stadt New York endet 2023. Dananch soll der MSG, ein Wahrzeichen wie Freiheitsstatue und Empire State Buildung, abermals umziehen, um die Modernisierung der darunter liegenden U-Bahn Pennsylvania Station zu ermöglichen. Der ursprüngliche Garden wurde 1880 als Zirkusarena erbaut. Das zehn Jahre später entworfene Gebäude war das letzte, das tatsächlich als Trainer des FC Bayern, doch ein bisschen dicke aufgetragen war die Aussage „Es ging um Leben und Tod“in dieser angespannten Situation doch. Bei aller Bedeutung, die der Fußball mittlerweile hat – geschäftlich wie gefühlstechnisch –, ist solch ein Sprachbild nicht angemessen.
Im Vergleich zu Guardiolas finster vorgetragener Aussage wirkt Louis van Gaals aus dem Niederländischen mitgebrachter Spruch vom Tod oder den Gladiolen, um die es in entscheidenden Partien gehe, amüsant. Und die uralte Fußballweisheit von Bill Shankly ist eher eine ironische Auseinandersetzung mit der übersteigerten Bedeutung des schönen Spiels. „Es gibt Leute, die denken Fußball sei eine Frage von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist“, sagte die Liverpool-Legende zu Zeiten, als die Fernsehbilder noch schwarz-weiß, der Ball noch aus Le- am Madison Square lag. Alle Nachfolgebauten entstanden an der Westside der Metropole – am Erfolg hat das nichts geändert. In aller Bescheidenheit haben sich die Betreiber den zurückhaltenden Titel verliehen: „Die berühmteste Arena der Welt.“
Klitschko hofft, ein wenig was von dem Ruhm abzubekommen. Im Vergleich zu dem Gebäude ist er eine ziemlich kleine Nummer.
Fußball um Leben und Tod? Die scheinbare Bedeutung des Sports führt dazu, ihn manchmal zu wichtig zu nehmen und sich deshalb bei Sprachbildern zu vergreifen. So erging es Pep Guardiola.
der und die Schuhe noch nicht quietschbunt waren.
Tatsächlich beschäftigte sich Guardiola diese Woche mit dem Tod. Zur Pressekonferenz vor dem PortoSpiel kam der ansonsten auf stilvolle Kleidung bedachte Trainer im schwarzen T-Shirt. „#JusticiaParaTopo“stand darauf. Guardiola setzte sich für die Aufklärung des mysteriösen Unfalltodes eines argentinischen Journalisten ein und sorgte mit dem Kleidungsstück für fast so viel Getöse wie mit seiner zerrissenen Hose. Die Kontroll-, Ethik- und Disziplinarkommission der Uefa (toller Name) nahm Ermittlungen auf. Der Vorwurf: „Sportfremde Manifestation“. Am 21. Mai behandelt die zuständige Kammer der Uefa diesen Fall. Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge hörte, „ dass man das bei der Uefa mittlerweile etwas gelassener sieht“. Das wäre gut. Ihre Meinung? Schreiben Sie dem Autor: kolumne@rheinische-post.de