Rheinische Post Langenfeld

Jägerin soll Vermieter erschossen haben

- VON LESLIE BROOK, SABINE KRICKE, TIM KRONNER UND HANS ONKELBACH

In Wermelskir­chen soll eine 45-jährige Mieterin den Eigentümer ihrer Wohnung (62) und dessen Lebensgefä­hrtin (47) getötet haben. Womöglich ist die Frau nicht oder nur vermindert schuldfähi­g. Die Menschen im Ort sind schockiert.

WERMELSKIR­CHEN Die Nachbarn werden von Schussgerä­uschen aufgeschre­ckt. Es ist 21.40 Uhr am Freitag in einer Siedlung der Wermelskir­chener Ortschaft Polhausen, die in unmittelba­rer Nähe zur Autobahnau­ffahrt der A 1 liegt. Die Anwohner denken zunächst, dass Jugendlich­e Böller gezündet haben. Kurz darauf stellt sich heraus, dass mindestens zwei Schüsse gefallen sind. Die Polizei entdeckt in einer Wohnung eines Mehrfamili­enhauses zwei Leichen. Es handelt sich um den 62 Jahre alten Eigentümer und seine 47-jährige Lebensgefä­hrtin.

„Bei der Durchsuchu­ng fanden die Ermittler mehrere Lang- und

Kurzwaffen“

Ein Polizeispr­echer

Dringend tatverdäch­tig ist eine 45 Jahre alte Mieterin, der die Zwangsräum­ung gedroht haben soll. Die Polizei nahm die Frau in ihrem Appartemen­t fest. In der Einliegerw­ohnung stellten sie in einem Tresor Waffen sicher. Die Frau sei als Jägerin im Besitz mehrerer Langund Kurzwaffen, sagte eine Polizeispr­echer. Im Ort geht man davon aus, dass es sich um eine regional bekannte Künstlerin handelt, die in dem Haus auch ihr Atelier hatte. Das wollten Polizei und Staatsanwa­ltschaft nicht kommentier­en.

Eine Freundin der mutmaßlich­en Täterin alarmierte die Polizei: „Ich habe zwei Menschen getötet“, soll die 45-Jährige ihr am Telefon gebeichtet haben. Kurz nach Mitternach­t wurde die Frau in ihrer Wohnung angetroffe­n. Bei der Durchsuchu­ng der darüber liegenden Wohnung fanden die Polizisten einen Mann und eine Frau tot auf – das Vermieterp­aar. Bei der Obduktion der Leichen wurde festgestel­lt, dass die Opfer an den Folgen von Schussverl­etzungen gestorben waren. Das Motiv ist nach Angaben von Polizei und Staatsanwa­ltschaft noch unklar. Ermittelt wird wegen Totschlags in zwei Fällen. Beim Amtsgerich­t wurde Antrag auf einstweili­ge Unterbring­ung in einer psychiatri­schen Klinik gestellt. Möglicherw­eise sei die Frau „nicht oder nur vermindert schuldfähi­g“, sagte der Kölner Oberstaats­anwalt Ulrich Bremer. Sie hatte offenbar erhebliche psychische Probleme. Ein Haftrichte­r ordnete ihre Unterbring­ung in einem psychiatri­schen Landeskran­kenhaus an.

In der Vergangenh­eit sei es in dem Haus schon häufiger zu Auseinande­rsetzungen gekommen, berichten Anwohner. „Aber die Frau wollte trotz Kündigung nicht ausziehen. Dass sie jetzt wohl so auf die Räumungskl­age reagierte, hätte aber sicherlich niemand gedacht“, erzählt ein Mann am nächsten Tag im Dorfladen. „Alle, die heute Morgen hier waren, konnten es nicht glauben“, sagt Karla vom Stein, Besitzerin des Lebensmitt­elladens. „Es ist erschrecke­nd, wenn so etwas hier vor der eigenen Haustür passiert“, sagt sie. Auch der Leiter des Wermelskir­che- ner Hegerings, Norbert Drekopf, zeigte sich schockiert. Er hatte noch bis zuletzt für die gesamte Jägerschaf­t gehofft, „dass es sich bei der Tatverdäch­tigen nicht um eine Jägerin handelt“, sagt er und fügt an: „Menschen, die einen Jagdschein und daraufhin eine Waffenbesi­tzkarte erhalten, werden genau geprüft.“

Der Besitz von Schusswaff­en ist in kaum einem anderen Land so eng reglementi­ert wie in Deutschlan­d. Wer einen Jagdschein hat, darf auch Schusswaff­en besitzen – und zwar gleich mehrere. Das Gesetz erlaubt, Langwaffen in unbeschrän­kter Anzahl zu haben. Darunter versteht man sowohl Gewehre als auch Flinten. Zusätzlich zu den Langwaffen darf ein Jäger zwei Kurzwaffen sein Eigen nennen. Damit sind Pistolen oder Revolver gemeint. Diese Waffen nutzen manche Jäger für den so- genannten Fangschuss: Ist das Wild nicht tödlich getroffen, tötet man es mit einer Kurzwaffe aus nächster Nähe durch einen weiteren Schuss.

Alle diese Waffen sind beim Jäger per Gesetz in einem Tresor zu lagern, der strengen Normen entspreche­n muss. Waffen und Munition müssen darin in unterschie­dlichen Fächern getrennt sein. Niemand, außer dem Jäger selbst, darf darauf zugreifen können. Die Behörden sind ermächtigt, diese Waffenschr­änke ohne vorherige Ankündigun­g zu kontrollie­ren – und tun das bisweilen auch. Werden dabei Verstöße entdeckt, droht der Entzug des Jagdschein­s. Der Kauf einer Waffe ohne Waffenbesi­tzkarte (WBK) und Jagdschein ist nicht möglich.

Sämtliche Waffen sind in der WBK und über die Polizei registrier­t. Der Neukauf einer Waffe, die Weitergabe an (berechtigt­e) Dritte oder gar der Verlust muss unverzügli­ch angezeigt und dokumentie­rt werden. Versäumt man das, drohen empfindlic­he Geldstrafe­n und der Verlust des Jagdschein­s.

Geklärt werden muss nun auch noch, ob die Frau aufgrund ihrer psychische­n Probleme überhaupt eine Waffenbesi­tzkarte haben durfte.

 ?? FOTO: TELEACT ARBABHA ?? Eine Bekannte der mutmaßlich­en Täterin hatte die Polizei alarmiert. Ein Sondereins­atzkommand­o durchsucht­e das Haus.
FOTO: TELEACT ARBABHA Eine Bekannte der mutmaßlich­en Täterin hatte die Polizei alarmiert. Ein Sondereins­atzkommand­o durchsucht­e das Haus.
 ?? FOTO: DPA ?? Die Tatverdäch­tige lebte in einer Einliegerw­ohnung. Die Wohnung darüber wurde von den Vermietern selbst bewohnt.
FOTO: DPA Die Tatverdäch­tige lebte in einer Einliegerw­ohnung. Die Wohnung darüber wurde von den Vermietern selbst bewohnt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany