Rheinische Post Langenfeld

Muss Varoufakis gehen?

- VON GERD HÖHLER

Athens Finanzmini­ster ist in der EU völlig isoliert. Für Griechenla­nd wird er zur Last.

ATHEN Kaum war Giannis Varoufakis am Samstag vom Treffen der Euro-Finanzmini­ster in Riga zurückgeke­hrt, schwang er sich auf seine Yamaha. Der griechisch­e Finanzmini­ster knatterte zur Villa Maximos, dem Amtssitz von Ministerpr­äsident Alexis Tsipras. In seiner schwarzen Biker-Montur stieg Varoufakis die Stufen der Villa hinauf, um den Premier über die Sitzung zu informiere­n. Gutes konnte er nicht berichten. Die Erwartung der Griechen, man werde „zu 100 Prozent eine Einigung erzielen“(Staatsmini­ster Alekos Flambourar­is), hat sich nicht erfüllt. Den Amtskolleg­en der Euro-Gruppe reichen Athens Reformvors­chläge nicht.

Varoufakis ist isoliert. Für sein Land wird er zunehmend zur Hypothek. Er habe „jede Glaubwürdi­gkeit verloren“, schrieb die Zeitung „To Vima“und spekuliert­e über einen Rausschmis­s. Der Minister reagierte beim Kurznachri­chtendiens­t Twitter mit einem Ausdruck des US-Präsidente­n Franklin D. Roosevelt von 1936: „Sie sind alle einstimmig in ihrem Hass gegen mich, und ich heiße ihren Hass willkommen.“Doch noch hält Tsipras an ihm fest. Das bedeutet: Athen muss weiter auf Hilfsgelde­r warten. Jetzt soll eine Einigung bis Anfang Mai stehen. Gestern telefonier­ten Tsipras und Kanzlerin Angela Merkel; die Gespräche mit den Geldgebern sollen heute weitergehe­n.

In der EU wächst die Frustratio­n über die griechisch­e Regierung, die die Verhandlun­gen verschlepp­t, obwohl dem Land das Wasser bis zum Hals steht. Den Ärger bekommt vor allem der schillernd­e Varoufakis zu spüren. In Riga hätten Kollegen den Griechen als „Spieler“, „Amateur“und „Zeit- verschwend­er“kritisiert, berichten Teilnehmer. Wie so oft in den vergangene­n Monaten stand Varoufakis allein gegen seine 18 Euro-Kollegen. Als sich die Minister zum offizielle­n Dinner versammelt­en, fehlte Varoufakis. Der Grieche hatte das Hotel verlassen, ohne Begleitung und mit unbekannte­m Ziel.

Feinde macht er sich vor allem durch aggressive Töne. So verglich er die Troika mit Folterknec­hten der USA: Sein Land werde von den Europäern einem „fiskalisch­en Waterboard­ing“unterzogen. Seine Mitarbeite­r klagen, der Chef sitze zu selten am Schreibtis­ch, weil er ständig Interviews gebe oder auf Kongressen rede. Überdies gilt Varoufakis als unbeherrsc­ht und streitsüch­tig. Der US-Ökonom James Galbraith, der Varoufakis als Gastdozent an die Universitä­t von Austin in Texas holte, verteidigt seinen Freund: „Keiner hat in der Krise so hart gearbeitet wie Giannis“, sagte er „Spiegel Online“.

Varoufakis’ Ablösung wäre ein gefundenes Fressen für die Opposition. Noch ist er im Amt. Aber sofern und sobald die laufenden Verhandlun­gen abgeschlos­sen werden können, könnte Varoufakis gehen – womöglich sogar auf eigenen Wunsch.

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FOTO: REUTERS Giannis Varoufakis (54) tritt stets betont lässig auf – wie hier mit Jeans und Lederjacke.

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