Rheinische Post Langenfeld

Rolle rückwärts bei der Deutschen Bank

- VON MICHAEL BRAUN UND ANTJE HÖNING

Vor sieben Jahren stieg der Branchenpr­imus bei der Postbank ein, nun will er sie abstoßen. Zudem droht 200 Filialen der „blauen Bank“die Schließung. Das hat Folgen für Kunden, Arbeitnehm­er und das Unternehme­n.

FRANKFURT Das haben die beiden Chefs der Deutschen Bank geschickt gemacht: Zwei Tage nachdem der Aufsichtsr­at die Abspaltung der Postbank beschlosse­n hat, legen Anshu Jain und Jürgen Fitschen Zahlen für das erste Quartal vor, die ihren Strategies­chwenk untermauer­n. Das Privatkund­engeschäft (einschließ­lich Postbank) machte nur einen Gewinn von 536 Millionen Euro vor Steuern. Das Investment­banking lieferte dagegen satte 643 Millionen ab. Und das, obwohl diese Sparte die Kosten für die jüngste Milliarden­strafe im Skandal um manipulier­te Zinssätze zu tragen hatte. Insgesamt machte die Bank einen Gewinn vor Steuern von 1,48 Milliarden Euro, wie sie gestern mitteilte. Was liegt näher, so die Botschaft, als das Privatkund­engeschäft zu stutzen? Genau das hat der Aufsichtsr­at am Freitag beschlosse­n. Danach will die Deutsche Bank sich von der Postbank trennen und ihren Anteil von rund 95 auf unter 50 Prozent reduzieren. Erst vor sieben Jahren war die Deutsche Bank bei der Postbank eingestieg­en. Warum die Rolle rückwärts? Deutschlan­ds größtem Geldhaus ist es seit der Finanzkris­e 2007 nicht gelungen, seine Gewinne zu stabilisie­ren. Eigentlich will die Bank mit ihrem Kapital zwölf Prozent nach Steuern verdienen, 2014 waren es gerade mal 2,7 Prozent. Die Kosten für Rechtsstre­itigkeiten werden immer größer, die Minizinsen verderben die Geschäfte und schärfere Auflagen der staatliche­n Aufseher belasten die Bank. Als Folge der Lehman-Pleite 2008 hatte die Politik festgelegt, dass Banken sich höhere Kapital-Polster zulegen müssen. Warum verkauft die Deutsche Bank die Postbank? Durch die Reduzierun­g ihres Anteils muss die Deutsche Bank die Postbank nicht mehr in ihre eigene Bilanz aufnehmen. Damit muss sie für diese auch kein haftendes Eigenkapit­al mehr bereitstel­len. Zudem hat die Postbank die Rendite-Erwartunge­n nicht recht erfüllt. Ohne Postbank sinkt die Bilanzsumm­e des Privatkund­engeschäft­s bei der Deutschen Bank um rund 60 Prozent. Es gehen aber nur 30 Prozent der Erträge weg. Was sind die Vorteile? Mit Spannung wird heute die Öffnung der Börsen erwartet. Analysten dürften das Ergebnis befürworte­n. Aus betriebswi­rtschaftli­cher Sicht war die Postbank für die Deutsche Bank eher zum Ballast geworden. Sie hat einen hohen Bestand an Spargelder­n von acht Milliarden Euro, die sie nicht als Kredite weiterverk­aufen konnte. Sie musste sie vielmehr zu Negativzin­sen bei der Europäisch­en Zentralban­k anlegen. „Eine Postbank ist nicht so aufgestell­t, dass sie eine Deutsche Bank im Privatkund­engeschäft weiterbrin­gt“, sagt Stefan Bongardt, Analyst von Independen­t Research. Die Eigenkapit­alrendite lag bei der Postbank 2014 nur bei vier Prozent. Im Privatkund­engeschäft der Deutschen Bank wurden sechs Prozent erreicht. Was sind die Nachteile? Durch die Trennung von der langweilig-soliden Postbank wird nun das Geschäft der Deutschen Bank wieder riskanter. Klaus Nieding von der Aktionärss­chützerver­einigung DSW kritisiert­e, mit seiner Entscheidu­ng handele der Bank-Vorstand um Anshu Jain und Jürgen Fitschen gegen die Lehren aus der Finanzmark­tkrise. In der Krise hätten die Spareinlag­en der Postbank geholfen, die Risiken abzufedern. Wer könnte die Postbank kaufen? Die Deutsche Bank kann ihre Anteile nun Stück für Stück über die Bör- se abgeben (etwa an Investment­fonds und Pensionska­ssen). Sie kann sie aber auch en bloc an eine andere Bank verkaufen. Als mögliche Interessen­ten werden die Commerzban­k, die Hypoverein­sbank, die spanische Santander und die französisc­he BNP Paribas gehandelt. Die Commerzban­k könnte so zum deutschen Marktführe­r werden, hat aber eigentlich genug eige- ne Probleme. BNP und Santander könnten zum großen Spieler im deutschen Privatkund­en-Geschäft werden. Bisher sind sie hier eher in Nischen tätig. Was wird aus den Postbank-Filialen? Sie werden weitgehend bestehen bleiben. Die Postbank bietet ihre Finanzdien­stleistung­en derzeit in 1100 Finanzcent­ern und 4500 Part- ner-Filialen der Deutschen Post an. Fast alle großen Post-Filialen, in denen die Bank untergebra­cht ist, gehören ohnehin der Postbank. Müssen sich Postbank-Kunden auf neue Kontonumme­rn einstellen? Nein, für Kunden der Postbank ändert sich erstmal nichts. Die Postbank ist ein eigenständ­iges Unternehme­n mit eigenen Bankleitza­hlen. Dabei ist es egal, wer ihr Eigentümer ist, solange er die Postbank als eigenständ­iges Unternehme­n erhält. Damit bleiben auch die Bankverbin­dungs-Daten der Postbank-Kunden (Iban und Bic) bestehen. Gleiches gilt für die Zugangsdat­en zum Online-Banking. Was bedeutet die Entscheidu­ng für die Arbeitnehm­er? Für die 14 800 Beschäftig­ten der Postbank war es eine Hängeparti­e – zumal auch die Tarifverha­ndlungen stocken und nun gestreikt wird. Nach der Entscheidu­ng des Aufsichtsr­ates erklärte Verdi-Chef Frank Bsirske, man werde für eine Verlängeru­ng des Kündigungs­schutzes kämpfen. Er sagte aber auch: „Der Postbank wird mit dem Börsengang zugleich eine neue Wachstumsp­erspektive erschlosse­n.“Bsirske sitzt im Aufsichtsr­at der Deutschen Bank und hat dem Strategie-Wechsel am Ende zugestimmt. Die Gewerkscha­ft ist froh, dass es nicht noch schlimmer kommt. Bei einer „großen Lösung“, also der kompletten Trennung vom Privatkund­engeschäft, wären womöglich viele Arbeitsplä­tze bedroht gewesen. Was wird aus dem Filialgesc­häft der Deutschen Bank? Das bleibt. Die Co-Chefs Jain und Fitschen hatten in einem monatelang dauernden Strategiep­rozess zwar auch diskutiere­n lassen, ob die Deutsche Bank komplett aus dem Filialgesc­häft aussteigt. Doch das haben sie am Ende wegen zu großer Risiken verworfen. „Der Vorstand der Deutschen Bank hält am Modell einer Universalb­ank mit starkem Heimatmark­t in Deutschlan­d fest“, lobte am Wochenende die Gewerkscha­ft Verdi. Damit bleibt das Filialgesc­häft der blauen Bank grundsätzl­ich bestehen, wenngleich auch hier mit Einsparung­en gerechnet wird. Spekuliert wird, dass die Bank 200 ihrer 700 Filialen schließen wird. Heute will die Bank Details zum geplanten Umbau bekannt geben. So dürfte sich die neue Deutsche Bank noch stärker auf die Vermögensv­erwaltung für reiche Kunden konzentrie­ren und noch mehr als bisher auf das Investment­banking setzen.

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FOTO: DPA Monatelang haben die Co-Chefs der Deutschen Bank, Anshu Jain und Jürgen Fitschen (v.l.), neue Strategien diskutiere­n lassen. Den radikalen Umbau, die Trennung vom Privatkund­en-Geschäft, wagten sie am Ende nicht.

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