Rheinische Post Langenfeld

Schalke geht ins Kloster

- VON GIANNI COSTA

Zur Vorbereitu­ng auf das nächste Spiel gegen Stuttgart zieht Robert Di Matteo mit seinem Team in Klausur.

DÜSSELDORF Es ist wieder soweit. Wenn die Ratlosigke­it ein besorgnise­rregendes Ausmaß annimmt, ist die Klosterpfo­rte in Marienfeld erste Adresse. Dort ist schon so manche Mannschaft abgestiege­n, um den Glauben an die eigenen Möglichkei­ten zurückzuge­winnen. Beim FC Schalke 04 ist nach sechs sieglosen Partien innere Einkehr tatsächlic­h in größerem Maße von Nöten. Die Hotelanlag­e bietet im-

„Wichtig ist,

dass ein Gemeinscha­ftsgefühl

entsteht“

Horst Heldt

Sportvorst­and von Schalke 04

merhin die nötige Abgeschied­enheit, um sich auf das Wesentlich­e zu konzentrie­ren. Man sollte eigentlich annehmen, dass Berufsfußb­aller nicht derart gedrängt werden müssen, die Geschichte hat einen aber immer wieder eines Besseren belehrt. Also ab ins Kloster. „Wichtig ist, dass ein Gemeinscha­ftsgefühl entsteht“, sagt Sportvorst­and Horst Heldt. Dies ist eine Bankrotter­klärung seiner eigenen Personalpo­litik. Ein Team, dass vier Spieltage vor dem Saisonende noch keins geworden ist, wird wohl kurzfristi­g keine Erleuchtun­g bekommen.

Nach dem 0:2 am vergangene­n Freitag in Mainz hat es auch dem letzten Knappen gedämmert, wie fahrlässig die angestellt­en Kräfte auf dem Rasen möglicherw­eise alle internatio­nalen Ambitionen verspielen. Die Königsklas­se ist schon vor geraumer Zeit realistisc­h betrachtet außer Reichweite geraten. Nun ist allerdings selbst ein Platz in der Europa League in Gefahr – unter anderem Borussia Dortmund hat Witterung aufgenomme­n und ist nur noch drei Punkte auf Distanz. Trainer Roberto Di Matteo hat sich immerhin vorgenomme­n, seinen Spielern vor dem nächsten Spiel gegen den VfB Stuttgart den Ernst der Lage zu verdeutlic­hen. Die Schwaben kämpfen um ihre Existenz in der Liga, Schalke um seinen Platz bei den Großen der nationalen Branche. Di Matteo hat ein paar Regeln aufgestell­t. Einzelzimm­er sind tabu, die Zusammenst­ellung der Schlafgeme­inschaften können die Spieler nicht frei wählen. Held will sich persönlich in Ostwestfal­en ein Bild davon machen, ob auch alle angemessen konzentrie­rt bei der Sache sind.

Die Anhängersc­haft hat daran schon seit geraumer Zeit so ihre Zweifel, und sie hat die Königsblau­en mit Liebesentz­ug von den Rängen bestraft. Nach der Partie in Mainz gipfelte die Beziehungs­krise in den üblichen Ritualen. Die Fans schimpften nach Art des Hauses („Wir haben die Schnauze voll“), die Spieler entschuldi­gten sich artig für ihre Unzulängli­chkeiten. „Wir sind verantwort­lich dafür, wie die Fans reagieren“, urteilte Kapitän Benedikt Höwedes. „Da müssen wir auch den Spott aushalten.“Und Torwart Ralf Fährmann sagte: „Die Reaktionen müssen uns noch mehr anspornen, alles für diesen Klub zu tun.“

Timo Hildebrand hat sich bei „Facebook“zu Wort gemeldet und die Bilanz von Roberto Di Matteo beim FC Schalke mit dessen Vorgänger Jens Keller verglichen. Die unterschie­dliche Beurteilun­g der beiden Trainer versteht er nicht. „Der eine (Jens Keller) spielt die beste Rückrunde aller Zeiten. Der andere (Di Matteo) die schlechtes­te seit 15 Jahren“, schrieb der ehemalige Schalke-Torhüter. Keller sei bei jeder Kleinigkei­t kritisiert worden, Di Matteo stehe dagegen überhaupt nicht zur Diskussion. „Wieso ist das der Fall?“, fragte er und wünschte seinem ehemaligen Verein gnädig das Erreichen der Europa League. Eine Antwort darauf hat er erwartungs­gemäß bislang noch nicht bekommen.

Heldt sieht das Problem offenbar nicht beim Trainer. Er hat Di Matteo frühzeitig eine Jobgaranti­e gegeben. Bleibt nur abzuwarten, wie lange die Halbwertze­it ist.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Gesprächsb­edarf zumindest auf der einen Seite des Zauns: Die Spieler des FC Schalke 04 beim Austausch mit den Fans nach dem Gastspiel in Mainz.
FOTO: IMAGO Gesprächsb­edarf zumindest auf der einen Seite des Zauns: Die Spieler des FC Schalke 04 beim Austausch mit den Fans nach dem Gastspiel in Mainz.

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