Die Fußball-Weltmacht
ZÜRICH An Sendungsbewusstsein mangelt es Sepp Blatter (79) nicht. „Ich glaube an Gott, und er spricht zu mir“, sagt der Präsident des Weltfußballverbands Fifa. Er schaut dabei voller Güte und ein bisschen verschmitzt. Es ist sein Mediengesicht. Er hat bestimmt auch ein anderes, das zeigt er nur nicht so gern. Aber all jene, die er im Verlauf einer 40jährigen Karriere in der Fifa aus dem Weg geräumt hat, kennen es.
Seit 17 Jahren steht der Schweizer an der Spitze. Und es sieht so aus, als werde er ein paar Jahre dranhängen dürfen. Nächsten Freitag wählt die Fifa in Zürich ihr neues Oberhaupt. Es spricht alles dafür, dass es das alte sein wird. Blatter benötigt die einfache Mehrheit der 209 Mitglieder. Rund 100 Stimmen sind ihm öffentlich zugesagt worden. Der ehemalige Fifa-Direktor und Blatter-Vertraute Guido Tognoni, heute einer der vielen Gegner des Präsidenten, sagt: Wenn von heute auf „morgen ein Kongress einberufen würde, hätte Blatter keine große Mühe, 105 Verbände auf seine Seite zu ziehen“.
Freunde hat der Großfunktionär vor allem bei den kleineren Verbänden. Tonga mit seinen 100 000 Einwohnern hat ebenso eine Stimme wie der Deutsche Fußball-Bund mit rund 6,8 Millionen Mitgliedern. Und Tonga freut sich viel mehr als der DFB, wenn es aus dem großen Fifa-Topf im Jahr 250 000 Euro „Entwicklungsgelder“gibt. Dafür hat Blatter gesorgt. Die Kleinen danken mit artigem Abstimmungsverhalten.
Die Großen nehmen es zur Kenntnis. Sie werden die Wiederwahl nicht verhindern können, und die Opposition aus Europa resigniert. Der Holländer Michael van Praag und der ehemalige portugiesische Weltklasse-Fußballer Luis Figo haben ihre angekündigte Kandidatur zurückgezogen. Es bleibt allein der jordanische Prinz Ali bin Hussein (39). Van Praag und Figo wollen ihn unterstützen. Sie eint die Absicht, der Fifa zu mehr Offenheit zu verhelfen. Diesem Wunsch widersetzen sich die Mächtigen von jeher erfolgreich.
Bis heute weiß niemand, mit welcher Summe sich Blatter sein segensreiches Wirken vergelten lässt. „Eine Million im Jahr, vielleicht auch mehr“, hat er mal selbst gesagt. Sicher ist, dass sich die Fifa Großzügigkeit gegenüber Würdenträgern und Mitgliedsverbänden leisten kann. Durch die WM in Brasilien machte sie 2014 einen Rekordumsatz von 3,3 Milliarden Euro, der Gewinn betrug 1,6 Milliarden. Und die Führungscrew ist froh, dass der Sportverband an seinem Sitz in Zürich als gemeinnütziger Verein eingetragen ist. Er zahlt vom Reingewinn schlappe 4,25 Prozent Steuern. Es war kein Problem, für 120 Millionen Euro einen Verbandspalast auf den „Züriberg“zu setzen.
Ein derart reicher Verband hat nicht nur bei seinen Mitgliedern Einfluss. Blatter gefällt es, mit Staatspräsidenten auf eine Stufe gestellt zu werden. Er behauptet: „Ich könnte heute in den Vatikan direkt zum Fußballfreund Franziskus gehen.“
Es ist nicht überliefert, wie sich der Papst zu der Vergabe der Weltmeisterschaften in Russland (2018) und Katar (2022) stellt. In beiden Fällen sollen Mitglieder der Wahlkommission mit Zuwendungen beeinflusst worden sein. Phaedra Almajid, die zum Bewerbungskomitee Katars gehörte, ist die Kronzeugin. Drei führenden Fifa-Männern aus Afrika „haben wir Geld angeboten. Sie waren nicht mal überrascht“, sagte sie den Autoren des ARD-Beitrags „Der gekaufte Fußball“. 1,5 Millionen Euro seien für das richtige Wahlverhalten verlangt worden. Unter den erfolgreich geschmierten Funktionären soll der Kameruner Issa Hayatou gewesen sein.
Er ist Fifa-Vizepräsident und gilt als treuer Stimmenbeschaffer für Blatter. Vor Jahren war er einer der Hauptdarsteller im Skandal um das MarketingUnternehmen ISL. Vor Gericht wurde dokumentiert, dass er rund 25 000 Euro kassierte. Das Internationale Olympische Komitee, dessen Mitglied Hayatou
„Ich könnte heute in den Vatikan direkt zum Fußballfreund Franziskus gehen“
Sepp Blatter
Fifa-Präsident