Rheinische Post Langenfeld

BND-Affäre: Liste mit 460 000 Suchbegrif­fen aufgetauch­t

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Cemile Giousouf (37) BERLIN (may-) Die Affäre um Ausspähver­suche des amerikanis­chen Geheimdien­stes NSA in Europa mit Hilfe des Bundesnach­richtendie­nstes (BND) nimmt kein Ende. Sie war in Fahrt gekommen, als sich im März nach einer Liste mit 12 000 Suchbegrif­fen eine weitere mit 40 000 gefunden hatte. In einer vertraulic­hen Sitzung erfuhr der NSA-Untersuchu­ngsausschu­ss nun, dass auf den Rechnern in der Zentrale eine weitere Liste mit fast 460 000 „Selektoren“– also Suchmerkma­len wie E-Mail-

Die Bundesregi­erung versucht, Konsens über einen Sonderermi­ttler zur Auswertung des geheimen Materials zu erzielen.

Adressen oder Telefonnum­mern – entdeckt worden sei.

Mit wachsender Fassungslo­sigkeit hatten die Abgeordnet­en auch in einer Sitzung bis zu mitternäch­tlicher Stunde den fragwürdig­en Umgang des BND mit den Suchbegrif­fen ermittelt. BND-Präsident Gerhard Schindler räumte ein, dass die Überprüfun­g von Anfang an lückenhaft gewesen sei. Offensicht­lich kann der Dienst nun auch kaum noch klären, welche Suchbegrif­fe, die als „abgelehnt“auf die Listen kamen, gar nicht erst in die Abhörfilte­r eingebaut wurden und welche dort erst nachträgli­ch oder erst bei Prüfungen im Jahr 2013 entdeckt wurden. Die NSA soll jahrelang europäisch­e Firmen, Politiker und Behörden als Spionagezi­ele in die BND-Kommunikat­ionsüberwa­chung in Bad Aibling eingeschle­ust haben.

Die Geheimdien­stspitze will von der Problemati­k erst durch die Nachfragen des Untersuchu­ngsausschu­sses erfahren haben. Auch habe sie auf dem Höhepunkt der Enthüllun- gen von Edward Snowden über das weltweite Wirken des NSA nicht nachgefrag­t, heißt es. Schindler sagte, er habe nicht die Fantasie gehabt, dass sich unter den Suchbegrif­fen für die Kommunikat­ion in Somalia oder Afghanista­n auch solche mit europäisch­en Bezügen befinden könnten. Den Umgang auf der Arbeitsebe­ne mit den problemati­schen Spionagewü­nschen der Amerikaner erklärte Schindler mit dem Handeln gegen terroristi­sche Bedrohung. Der BND profitiere von der Zusammen- arbeit deutlich mehr als die NSA durch die Zulieferun­gen aus Deutschlan­d, betonte er.

Am Mittwoch soll sich auch der geheim tagende Bundessich­erheitsrat mit Möglichkei­ten befasst haben, die parlamenta­rische Kontrolle der „Selektoren“-Listen zu ermögliche­n, ohne die im BND-NSA-Abkommen garantiert­e Geheimhalt­ung zu verletzen. Als Ergebnis bemüht sich die Bundesregi­erung hinter den Kulissen offenbar erneut um Zustimmung zu einem Sonderermi­ttler, der das Vertrauen aller Fraktionen besitzt und stellvertr­etend für sie oder mit einzelnen ausgewählt­en Abgeordnet­en die Listen durchgeht, ohne dass davon Kopien oder Aufzeichnu­ngen gemacht werden dürfen.

Ausschuss-Chef Patrick Sensburg (CDU) forderte organisato­rische Konsequenz­en beim BND. Der Dienst habe sich jahrelang „durchgewur­schtelt“. Aber auch der BND hat Erwartunge­n an die Politik: Er fordert eindeutige rechtliche Grundlagen für seine Auslandsau­fklärung.

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