Rheinische Post Langenfeld

Mit Tempo 290 durch die Stadt

- VON ECKHARD CZEKALLA

Für ein Wochenende vergisst die Formel 1 alle Sicherheit­sbedenken. Das Rennen in Monte Carlo ist eigentlich ein Irrsinn.

MONTE CARLO/DÜSSELDORF An einem Wochenende im Jahr vergisst die Formel 1 alle Bedenken. Die Party auf den im Hafen liegenden Jachten, das Sich-zur-Schau-Stellen der Stars und Sternchen, der Treffpunkt der Millionäre und Sponsoren sind Teil der Show, die sich um Glamour dreht und zu der auch ein Autorennen gehört. Zwölf Rechts- und sieben Linkskurve­n – das sind Herausford­erungen, die auf die Piloten in ähnlicher Konstellat­ion auch auf anderen Strecken warten. Doch Monte Carlo ist einzigarti­g. Die Grenze, an der die Fahrer nicht mehr am, sondern über dem Limit sind, ist hier am kleinsten. Die Konsequenz­en, wenn man sich überschätz­t, sind im Stadtstaat am Mittelmeer am größten.

Monaco bietet den Fans auch die Chance, so nah wie sonst an keiner anderen Strecke, an die Fahrer und das Fahrerlage­r, das wegen der Enge nicht großzügig abgeschirm­t werden kann (nur ein Gitterzaun), heranzukom­men. Auch das macht dieses Wochenende so einzigarti­g.

„Es gibt auch andere Stadtrenne­n. Aber nirgendwo ist es so eng. Keine andere Strecke verzeiht weniger Fehler“, sagt Force-India-Pilot Nico Hülkenberg (Emmerich). Gerade deshalb lieben die Fahrer diese Herausford­erung in den Häuserschl­uchten auf dem schmalen Asphaltban­d zwischen den Leitplanke­n. Es bietet kaum Auslaufzon­en, die diesen Namen verdienen. Diese Enge, heißt es, sei schon reizvoll. Hier spielt der Fahrer die entscheide­nde Rolle. Auf den anderen Strecken bedeutet ein Fahrfehler oft nur den Verlust von wenigen Sekunden, wenn man nach einem kleinen Umweg sein Rennen fortsetzen kann. In Monaco ist das Rennen in der Regel beendet, machen Kaltverfor­mungen nach dem Kontakt mit den Leitplanke­n oder der Mauer das Auto unfahrbar.

Ein Sieg beim „Irrsinn auf vier Rädern“ist deshalb wie ein Ritterschl­ag. Die Aussicht, aus der Hand von Fürst Albert die Trophäe zu empfangen, verdrängt die Gedanken an Gefahr und Risiko. Seit 1994, als der Österreich­er Karl Wendlinger nach einem Crash im Training wochenlang im Koma lag, ist die Königsklas­se von folgenschw­eren Unfällen verschont geblieben.

„Formel 1 fahren in Monte Carlo ist wie Hubschraub­er fliegen im Wohnzimmer“, lautet ein immer wieder gern genannter Vergleich. „Der kleinste Fehler kann dein gesamtes Wochenende ruinieren“, sagt Lewis Hamilton. Der Weltmeiste­r führt nach fünf der 19 Saisonrenn­en die WM-Wertung mit 20 Punkten Vorsprung auf seinen Mercedes- Teamrivale­n Nico Rosberg an. In Monaco wird das Training am Donnerstag durchgefüh­rt. Am Freitag rollt der normale Verkehr über die zur Rennstreck­e umfunktion­ierten Straßen wie auch gut eine Stunde nach Training, Qualifying und Rennen. Auch das ist einzigarti­g.

Mit rund 260 Kilometern liegt die Renndistan­z deutlich unter dem geforderte­n Minimum (305 km). Mehr ist aber nicht drin, denn länger als zwei Stunden darf ein WM-Lauf nicht dauern. 290 km/h als Spitzenges­chwindigke­it erreichen die Fahrer nur für kurze Zeit. Bis zu 4000 Mal wechseln sie die Gänge. Von Beginn an ist volle Konzentrat­ion gefordert. Mal kurz abschalten, wie auf anderen Strecken, wenn man eine lange Gerade herunterfä­hrt, geht nicht in Monte Carlo.

„Es ist ein Spektakel, der Höhepunkt des Jahres, eine Herausford­erung. Es ist der anspruchsv­ollste und gefährlich­ste Kurs“, sagt Rosberg. „Für mich ist es ein Heimrennen, und es ist seltsam, zur Strecke zu laufen oder mit dem Roller hinzufahre­n. Es ist aber auch sehr cool, jede Nacht im eigenen Bett schlafen zu können“, sagt der Vizeweltme­ister. Der Sieger der letzten zwei Jahre ist in dieser Stadt aufgewachs­en und lebt hier.

Weil auf den engen Straßen kaum überholt werden kann, ist das Qualifying wichtig wie sonst nirgendwo. Pole Position bedeutet Rennsieg – diese Gleichung ging seit 2004 nur einmal nicht auf. 2008 raste Hamilton auf dem Weg zum WM-Titel von Position drei noch zum Erfolg, mit dem der von Startplatz eins losgefahre­ne Ferrari-Pilot Felipe Massa (Brasilien) geliebäuge­lt hatte. RTL Qualifying, heute 13.45 bis 15.20 Uhr. – Rennen/Start 14 Uhr, morgen, 13 bis 16.45 Uhr.

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