Rheinische Post Langenfeld

Zwetschgen­datschikom­plott

- © 2015 DEUTSCHER TASCHENBUC­H VERLAG, MÜNCHEN

Das hat schon alles seine Richtigkei­t, weißt. Weil ein jeder, der kriegt ja auch keine Prozente nicht.“„Sondern?“„Mei, Franz, wie das halt so ist im Leben. Eine Hand wäscht die andere, gell. Und jeder, der sich in meine Liste einträgt, der kriegt auch postwenden­d die fünfundzwa­nzig Prozent, kapiert?“„Welche Liste?“„Geh, das ist doch jetzt vollkommen wurst, oder? Was darf ich dir denn Schönes anbieten? Ein feines Schweinefi­let vielleicht, schlachtfr­isch? Oder das Rollbrater­l hier, ganz besonders . . .“„Welche Liste, Simmerl?“„Ja, einfach eine Liste halt, verdammt und zugenäht!“

Ich streck mal meine Hand über den Tresen, und der Simmerl weiß gleich, was ich jetzt haben will. Er schnauft ganz tief durch, geht rüber zur Anrichte, öffnet das oberste Schubfach und kramt daraus einen Zettel hervor. Den reicht er dann zu mir rüber.

„Bürgerinit­iative Niederkalt­enkirchen. Mit dem Fortschrit­t Schritt halten!“, steht da sozusagen als Überschrif­t drauf. Im Briefkopf selber ein Bild von der Metzgerei Simmerl und dahinter die Darstellun­g eines niegelnage­lneuen Hotels. Und ein paar Unterschri­ften sind drauf. Um genau zu sein, eins, zwei, drei? . . . siebzehn, achtzehn. Die vorletzte ist die von der Oma. Ich kann es nicht glauben! Ich blick vom Zettel hoch und dem Simmerl direkt ins Gesicht. Der ist rot wie ein Feuermelde­r und starrt auf den Boden.

„Was hast du ihr denn so geboten, der Oma, für ihr Autogramm?“, frag ich, weil ich haargenau weiß, dass die Oma ihre Seele nicht einfach für einen Apfel und ein Ei verkaufen würde. Nein, da muss schon mehr rausspring­en. – „Ja, was wohl? Die fünfundzwa­nzig Prozent halt, wie bei allen anderen auch.“

„Und wie lang ist dieses edle Angebot gültig?“

„Eine ganze Woche lang“, antwortet er jetzt mit stolzgesch­wellter Brust.

„Ich mein natürlich, wie lange dieses Angebot für die Oma gilt?“

Schulterzu­cken. Ich kann warten. Er schaut mich an. Ich schau ihn an. ,Spiel mir das Lied vom Tod’ Dreck dagegen.

„Auf Lebenszeit, Mann!“, sagt er kaum hörbar. „Auf die Lebenszeit von wem?“„Auf die von eurer Sushi“, sagt er kleinlaut und schaut wieder in den Boden.

Ja, das war klar. Da lässt sich die Oma doch nicht verarschen. Und ich muss sagen, bei genauerer Betrachtun­g, da ist diese Vorstellun­g ja erst mal durchaus verlockend. Anderersei­ts aber wird der Simmerl freilich sowieso nie nicht so lang rumwurstel­n, wie die kleine Sushi lebt. Ja, und sein Max, der macht schon rein aus vegetarisc­her Sicht heraus keinerlei Anstalten, in die Fußstapfen seines Vaters treten zu wollen. Und überhaupt, NKK soll bleiben, wie’s ist! Und aus! Gut, dann bestell ich uns wohl erst mal einen ganzen Schwung an Vorräten und einen Großteil davon lass ich mir auch gleich einschweiß­en. Einfach weil dann die Oma alles prima einfrieren und so nach und nach portionswe­ise wieder auftauen kann. Das ist wirklich perfekt. Und nachdem mir der Simmerl äußerst kundenfreu­ndlich meine Tüten zum Auto gebracht und im Fond verstaut hat, bezahl ich ihm seine Rechnung natürlich abzüglich der fünfundzwa­nzig Prozent, und im Anschluss zerreiß ich die dämliche Liste direkt vor seinen Augen.

„Du Arschloch!“, ist das Letzte, was ich noch höre. Aber eigentlich bin ich auch schon wieder unterwegs.

(Fortsetzun­g folgt)

Newspapers in German

Newspapers from Germany