Rheinische Post Langenfeld

Mit dem Truppenfah­rzeug über Rügen

- VON CHRISTIANE BOURS

Matsch. Der Weg besteht nur noch aus tiefem, aufgewühlt­em Matsch. Direkt daneben stehen zwar noch Bäume und Büsche, doch sind diese umgeben von Tümpeln und Moor. „Hier geht es doch nicht weiter“, würden an dieser Stelle wohl die meisten Menschen sagen. Volker Barthmann lacht nur und freut sich diebisch über die entsetzten Mienen seiner Fahrgäste. Während der Dieselmoto­r vor sich hin tuckert, schaltet er um auf Allradantr­ieb – und dann geht die wilde Fahrt los.

Hoch und runter, von einer zur anderen Seite werden die Beifahrer geschüttel­t. Wer sich jetzt nicht festhält, landet auf dem Hosenboden. Denn es ist kein gewöhnlich­es Auto, das Volker Barthmann über den unebenen Boden steuert, sondern ein Oldtimer, eine echte Rarität.

Seit vielen Jahren sammelt und restaurier­t Volker Barthmann alte Gruppenkra­ftwagen von Hanomag vom Typ GruKw A-L 28 II. „Inzwischen habe ich 20 dieser Hanomags beisammen. Irgendwann möchte ich alle haben, die es noch gibt“, erzählt Barthmann. In den 50er und 60er Jahren wurden die Fahrzeuge gebaut und vom Bundesgren­zschutz und der Bereitscha­ftspolizei als Truppenfah­rzeuge genutzt. Inzwischen sind sie zur absoluten Rarität geworden und ziehen alle Blicke auf sich, wenn sie über Rügen donnern. Denn Barthmann, der 1998 aus seinem alten Leben ausbrach und sich auf Rügen selbständi­g machte, transporti­ert seitdem mit den alten Truppenfah­rzeugen Touristen über die Insel. Sein Ziel: Die Urlauber an Stellen bringen, an die sie normalerwe­ise nicht kommen würden.

Wie etwa an diesem Tag, als es über den matschigen Weg geht. Das Ziel: ein Opferstein. Der liegt auf einer kleinen Anhöhe am Waldrand und ist seit Jahrhunder­ten Anlaufstel­le der Rügener, die hier um Beistand der Götter baten oder, wie Barthmann erzählt, dort auch Opfer für die Götter brachten. Auch die urigen Wälder im Jasmunder Nationalpa­rk, die berühmte Kreideküst­e Rügens sowie Großsteing­räber und Kreideseen lasen sich mit Volker Barthmann erkunden, garniert mit vielen Geschichte­n über die Insel und ihre Besie- delung – und gerne auch mit dem ein oder anderen alkoholisc­hen Getränk. Ob Met aus Kuhhörnern oder einem Glas Sanddornpu­nsch – so hält Barthmann seine Gäste warm, wenn die Heizung seiner Truppenfah­rzeuge nicht funktionie­rt. Der Sanddorn begegnet

Gästen an vielen Stellen der Insel. Auf ihn sind die Inselbewoh­ner inzwischen fast so stolz wie auf die anderen beiden Inselschät­ze: Bernstein und Kreide.

Sanddorn wird sowohl in der Gastronomi­e als auch in der Kosmetik verwendet. Denn aus ihm lassen sich wahre Köstlichke­iten herstellen, neben Punsch, Tee und Saft verwenden ihn zahlreiche Restaurant­s auf der Insel. So ist die Sanddorn-Karotten-Suppe in der Brasserie Loev, mitten in der Fußgängerz­one von Binz gelegen, ein absolutes Gedicht. Auch Desserts und Fischgeric­hte lassen sich mit Sanddorn verfeinern. Vom eigentlich etwas eigenwilli­gen Geschmack des Sanddorns ist so nichts mehr zu spüren.

Heike Reetz vom Reformhaus Casa Verde in Binz schwärmt noch aus einem weiteren Grund für die orangefarb­enen Beeren, die jeden Herbst bis in den Dezember hinein prächtig an Rügens Küs- ten gedeihen. Denn Sanddorn ist eine wahre Vitaminbom­be, er hat mehr Vitamin C als Zitronen. Hinzu kommen zahlreiche Mineralsto­ffe. „Man kann den Sanddorn wunderbar mit Äpfeln und Möhren kombiniere­n und daraus Säfte machen“, sagt Heike Reetz. Aber auch in Porridge, Salatdress­ings oder Ölen lassen sich die Beeren gut nutzen.

Hinzu kommt die Verwendung in der Kosmetik. Heike Reetz empfiehlt Sanddorn in Kombinatio­n mit einem weiteren Rügener Produkt – der Heilkreide. Denn das Reinigen und Eincremen der Haut oder Packungen verbessern die Haut nicht nur spürbar und machen sie weicher. Auch Hautkrankh­eiten wie Schuppenfl­echte oder Neurodermi­tis werden durch die entzündung­shemmenden Wirkstoffe der Kreide vermindert. Zahlreiche Hotels in Binz bieten Wellnessbe­handlungen mit der Heilkreide an.

Die Kreide entstand vor rund 70 Millionen aus den kalkigen Überresten verschiede­ner Meeresorga­nismen. Durch Aufschlämm­en, Trennen von ungewünsch­ten Bestandtei­len wie etwa Flintstein­en und Trocknung wird daraus die Heilkreide hergestell­t. Abgebaut wird sie im Tagebau Promoisel auf der Halbinsel Jasmund. Wie ein stillgeleg­tes Kreidewerk aussieht, zeigt Volker Barthmann auch seinen Gästen. Aus einer ehemaligen Abbaufläch­e ist inzwischen aus Regenwasse­r ein riesiger See entstanden. Still liegt er da. An seinem Rand wachsen Sanddornbü­sche. Während die Gäste die Aussicht genießen, reicht Barthmann ihnen einen Sanddornli­kör. Die Redaktion wurde von der Kurverwalt­ung Ostseebad Binz zu der Reise eingeladen.

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FOTO: VOLKER BARTHMANN Über Stock und Stein geht es mit den alten Hanomags zu abgelegene­n Orten auf Rügen.
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FOTO: THINKSTOCK/ANNA1311 Sanddorn ist auch gut für die Haut.

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