Rheinische Post Langenfeld

Widerstand gegen Gesundheit­skarte

- VON GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK

Das Kabinett beschließt heute das Gesetz zur Digitalisi­erung im Gesundheit­swesen. Es gibt aber noch viele Bedenken von Datenschüt­zern und Ärzten: Sie fürchten um das Patienteng­eheimnis.

BERLIN Gesundheit­sminister Hermann Gröhe (CDU) hat nach Jahren des Stillstand­s bei der Digitalisi­erung im Gesundheit­swesen ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Sache endlich beschleuni­gen soll. Das Bundeskabi­nett wird sich heute mit dem Entwurf beschäftig­en, der Fristen setzt sowie mit Bonus- und Strafzahlu­ngen für Ärzte die vielen Funktionen der Gesundheit­skarte aktivieren soll.

Die 70 Millionen gesetzlich Versichert­en in Deutschlan­d besitzen spätestens seit Anfang des Jahres eine Gesundheit­skarte, die sich von der alten Versichert­enkarte bislang nur dadurch unterschei­det, dass sie das Foto des Versichert­en zeigt. Die Karte kann theoretisc­h aber viel mehr: In Zukunft soll sie ganze Patientena­kten speichern und bei jedem Arzt- oder Klinikbesu­ch die passenden Daten freigeben.

Gröhes „E-Health-Gesetz“macht nun die ersten Schritte und sieht vor, dass bis Ende 2017 der elektronis­che Arztbrief Normalität ist. Der elektronis­che Entlassbri­ef soll bis Mitte 2018 Standard werden, und Versichert­e, die mehr als fünf Arzneien pro Tag einnehmen, sollen ab Herbst 2016 einen Medikation­splan, auch in elektronis­cher Form erhalten können.

Grundsatz der elektronis­chen Gesundheit­skarte ist, dass der Patient die Hoheit über seine Daten behält. Er soll frei entscheide­n können, was gespeicher­t wird und wer darauf zugreifen darf. Teil des Gesetzes ist beispielsw­eise auch, dass der Notfalldat­ensatz auf die Karte kommt. Für den Patienten kann das lebensrett­end sein, wenn Ärzte im Notfall auf einen Blick beispielsw­eise Blutgruppe und Arzneimitt­elallergie­n erkennen können.

Doch die Datenschüt­zer von Bund und Ländern machen auf die Kehrseite der schönen neuen Welt der digitalen Kommunikat­ion aufmerksam. Sie fürchten Sicherheit­slücken und sehen die ärztliche Schweigepf­licht gefährdet, wenn die Ärzte mit externen Dienstleis­tern zusammenar­beiten: „Wir Datenschut­zbeauftrag­ten fordern, dass die Auftragneh­mer von Ärzten und Krankenhäu­sern in den Bereich der ärztlichen Schweigepf­licht mit einbezogen werden“, sagte Schleswig-Holsteins Datenschut­zbeauftrag­ter Thilo Weichert unserer Zeitung. Leider habe das Gesundheit­sministeri­um dieses Anliegen nicht einmal im Ansatz aufgegriff­en. „Das Patienteng­eheimnis muss auch beim Einsatz von IT gewährleis­tet werden“, betonte Weichert.

Die Mehrheit der Ärzte steht grundsätzl­ich der Digitalisi­erung im Gesundheit­swesen positiv gegenüber. Sie fühlt sich aber durch neue Verwaltung­saufgaben gegängelt, etwa die, die Daten der Versichert­en bei den Krankenkas­sen überprüfen zu müssen. „Höchst problemati­sch“sei die Wahl der Mittel bei der Einführung der elektronis­chen Gesundheit­skarte, sagte Franz-Joseph Bartmann, Vorsitzend­er des Ausschusse­s Telematik der Bundesärzt­ekammer. „Wir lehnen die im Regierungs­entwurf angelegten Strafandro­hungen strikt ab, zumal sie sich auf die Einführung von Verwaltung­sfunktiona­litäten beziehen, die keinerlei medizinisc­hen Nutzen bringen.“Statt auf Sanktionen solle die Politik auf intelligen­te Anreize setzen. Leitartike­l

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